Maßstab für die Abänderung einer einstweiligen Anordnung zum Sorge- oder UmgangsrechtLeitsatz Für die Abänderung einer einstweiligen Anordnung zum Sorge- oder Umgangsrecht ist nicht der Maßstab des § 1696 Abs. 1 BGB heranzuziehen. Vielmehr richtet sich diese nach § 54 FamFG unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Erstentscheidung. - A.
Problemstellung Welcher Maßstab gilt für die Abänderung einer einstweiligen Anordnung, mit der das Sorgerecht – teilweise – entzogen wurde?
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Beschwerdeführer sind die nicht miteinander verheirateten Eltern eines im Jahr 2020 geborenen Kindes. Das Sorgerecht übt die Mutter, die an einer psychischen Erkrankung leidet, allein aus. Der Vater war früher drogenabhängig und leistet im Rahmen einer Bewährungsauflage Sozialstunden. Das Amtsgericht entzog der Mutter schon vor der Geburt wesentliche Teilbereiche der elterlichen Sorge, u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht, und bestätigte diese Entscheidung nach mündlicher Verhandlung mit Beschl. v. 19.10.2020. Das gleichzeitig eröffnete Hauptsacheverfahren ist bisher nicht abgeschlossen, weil ein Sachverständigengutachten noch nicht vorliegt. Nach Beendigung des Aufenthalts von Mutter und Kind in einer Mutter-Kind-Einrichtung wegen mangelnder Mitwirkung der Mutter und unzureichenden Schutzes des Kindes beantragte die Ergänzungspflegerin die Herausgabe des Kindes. Diesem Antrag entsprach das Amtsgericht mit einstweiliger Anordnung, die nach mündlicher Verhandlung mit Beschl. v. 26.01.2021 aufrechterhalten wurde. Dagegen wenden sich beide Eltern mit der Beschwerde, mit der sie die Herausgabe des Kindes an die Mutter sowie Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter und/oder den Vater verfolgen. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Sie richtet sich zwar, soweit sie die Rückübertragung der elterlichen Sorge betrifft, an und für sich nicht gegen den Beschl. v. 26.01.2021 in dem Herausgabeverfahren, sondern gegen den Beschl. v. 19.10.2020 in dem vorangegangen Eilverfahren zur elterlichen Sorge. Darauf soll es aber für die Statthaftigkeit der Beschwerde nicht ankommen. Maßstab für die Entscheidung ist nicht § 1696 BGB, auch wenn es sich um die Abänderung einer Entscheidung zum Sorgerecht handelt. Nach § 1696 BGB wäre eine Abänderung nur aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt. Für die Abänderung gilt vielmehr § 54 FamFG, wonach das Gericht die Entscheidung in der einstweiligen Anordnungssache unter Berücksichtigung der Ausgangsmaßstäbe aufheben oder ändern kann. Es kommt somit darauf an, ob die Voraussetzungen der §§ 1666, 1666a BGB weiterhin vorliegen. Unerheblich sind dagegen die Erfolgsaussichten im noch nicht abgeschlossenen Hauptsacheverfahren. Das OLG Koblenz stellt sodann fest, dass das Wohl des Kindes aufgrund der psychischen Erkrankung der Mutter weiterhin gefährdet ist und dass die Gefahr nicht auf andere Weise abgewendet werden kann. Insbesondere kommt eine (Teil-)Übertragung des Sorgerechts auf den Vater nicht in Betracht, weil dieser eine kontinuierliche Versorgung des Kindes nicht sicherstellen kann. Darüber hinaus soll das Beschwerdegericht eine bereits vollzogene einstweilige Anordnung, die den Aufenthalt des Kindes betrifft, im Interesse der Kontinuität nur aus schwerwiegenden Gründen abändern.
- C.
Kontext der Entscheidung Das Rechtsbehelfssystem im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist nicht leicht zu durchschauen. Eine einstweilige Anordnung in Familiensachen ist nach § 57 Satz 1 FamFG grundsätzlich unanfechtbar. Ausnahmsweise ist die Beschwerde jedoch zulässig, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs aufgrund mündlicher Erörterung u.a. über die elterliche Sorge für ein Kind entschieden hat. Nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG beträgt die Beschwerdefrist nur zwei Wochen. Wenn das Gericht ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, so ist zunächst gemäß § 54 Abs. 2 FamFG zu beantragen, aufgrund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden. Sofern die einstweilige Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht betrifft, haben Änderungsanträge im Regelfall wenig Erfolg. Denn es entspricht grundsätzlich nicht dem Kindeswohl, eine bereits vollzogene einstweilige Anordnung zur Aufenthaltsbestimmung ohne schwerwiegende Gründe abzuändern (OLG Brandenburg, Beschl. v. 25.05.2011 - 13 WF 185/10; OLG Celle, Beschl. v. 19.07.2012 - 15 UF 81/12). Zwar gilt im Verfahren nach § 54 FamFG für Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht nicht der strenge Abänderungsmaßstab des § 1696 BGB. Das Gericht ist vielmehr gehalten, den Sachverhalt umfassend neu zu würdigen; es kann ihn auch abweichend beurteilen (BVerfG, Beschl. v. 27.08.2014 - 1 BvR 1822/14). Ohne den Vortrag neuer Tatsachen wird der Antrag jedoch wenig Erfolg haben.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Die Abänderung einer Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht, die im Wege der einstweiligen Anordnung ergangen ist, lässt sich im Eilverfahren durch einen Antrag nach § 54 FamFG auf Aufhebung bzw. – wenn bisher keine mündliche Verhandlung erfolgt ist – Neuentscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung oder durch eine Beschwerde nur aus schwerwiegenden Gründen abändern, obwohl der Maßstab des § 1696 BGB hier nicht gilt. Denn ohne solche Gründe wird dem häufig schon der Grundsatz der Kontinuität entgegenstehen.
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung Soweit sich die Beschwerde gegen die Herausgabeanordnung richtete, war sie unzulässig. Nach § 57 Satz 2 Nr. 2 FamFG ist die Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung zwar zulässig, mit der über die Herausgabe des Kindes an den anderen Elternteil entschieden wurde. Der Ansicht, dass diese Vorschrift auch für die Herausgabe an den Ergänzungspfleger gilt (OLG Oldenburg, Beschl. v. 09.11.2010 - 13 UF 90/10), schließt sich das OLG Koblenz mit der herrschenden Gegenansicht (u.a. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.12.2012 - 6 UF 416/12; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.10.2019 - II-3 UF 129/19) jedoch nicht an.
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