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Anmerkung zu:AG Besigheim, Urteil vom 22.06.2023 - 7 C 442/22
Autor:Hans-Jürgen Bieber, Vors. RiKG a.D.
Erscheinungsdatum:28.09.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 535 BGB, § 305c BGB, § 305 BGB, § 307 BGB
Fundstelle:jurisPR-MietR 19/2023 Anm. 1
Herausgeber:Norbert Eisenschmid, RA
Zitiervorschlag:Bieber, jurisPR-MietR 19/2023 Anm. 1 Zitiervorschlag

Formularklausel im Wohnraummietvertrag: Unwirksamkeit der unentgeltlichen Leihe bei Überlassung einer Einbauküche an den Mieter



Orientierungssatz zur Anmerkung

Zur Unwirksamkeit einer formularmäßigen Regelung im Mietvertrag, wonach die Einbauküche nicht mitvermietet, sondern leihweise überlassen wird.



A.
Problemstellung
Wohnungsvermietungen erfolgen in aller Regel auf der Grundlage von Formularmietverträgen, die heutzutage in den allermeisten Fällen keine Überraschungen mehr aufweisen. Wenn dann doch etwas Ungewöhnliches enthalten ist, wird – wie hier in dem vom AG Besigheim entschiedenen Fall – sofort die Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB bemüht.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
In dem formularmäßig abgeschlossenen Mietvertag von 2020 heißt es unter § 1 Abs. 3 wie folgt: „Die Einbauküche ist nicht Bestandteil des Mietvertrages. Sie gehört dem Vermieter und wird dem Mieter kostenlos zum Gebrauch überlassen. Für Instandhaltungen und Reparaturen muss der Mieter aufkommen.“ Weil im Juni 2022 ein Defekt an der Dunstabzugshaube aufgetreten war, forderte die klagende Mieterin die Beklagten zur Reparatur bzw. Ersatz auf. Nachdem die Beklagten dies unter Hinweis auf den Passus im Mietvertrag abgelehnt hatten, erhob die Klägerin, die die Regelung für unwirksam hielt, Klage auf Mangelbeseitigung.
Das AG Besigheim ist dieser Auffassung gefolgt und hat der Klage stattgegeben.
Es handle sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung, die nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei, weil die formularmäßige Verleihung einer Einbauküche letztlich der verdeckten Abwälzung von Instandhaltungskosten der Mietsache auf den Mieter diene. Das laufe der grundsätzlich den Vermieter treffenden Instandhaltungspflicht als einem wesentlichen Grundsatz des Mietrechts zuwider, so dass die Klausel unwirksam und deswegen bzgl. der Einbauküche Mietrecht mit der Folge anzuwenden sei, dass die Beklagten die Instandhaltungspflicht treffe und der Klage deshalb stattzugeben sei.


C.
Kontext der Entscheidung
Es geht hier zunächst um die Frage, ob es sich bei der Regelung um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt, die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändert und damit zugleich einen gesetzesfremden Inhalt aufweist (BGH, Beschl. v. 19.03.2019 - XI ZR 9/18; BGH, Urt. v. 27.01.2016 - XII ZR 33/15). Geht man vom Vorliegen einer allgemeinen Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB aus und legt die §§ 535 ff. BGB als Prüfungsmaßstab zugrunde, ergibt sich allerdings keine Norm, aus der sich eine Verpflichtung des Vermieters zur Überlassung einer Einbauküche ergibt. Auch aus den etwa allgemein zu den §§ 535 ff. BGB anerkannten Rechtsgrundsätzen (vgl. hierzu Wurmnest in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. § 307 Rn. 75 unter Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung) ergibt sich insoweit nichts, im Gegenteil: Im Berliner Mietspiegel 2023 wird zum Beispiel unter Ziff. 11 (Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung) bei den wohnwertmindernden Merkmalen unter anderem keine Kochmöglichkeit oder fehlender Backofen aufgeführt, demgegenüber aber wird unter den wohnwerterhöhenden Merkmalen eine Einbauküche mit Ober- und Unterschränken sowie Herd und Spüle genannt (so auch unter 6. 3. 2. Ziff. 3 im Hamburger Mietspiegel 2021). Das bedeutet, dass die Überlassung einer Einbauküche keineswegs allgemeinen zum Mietrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen entspricht, so dass die Vereinbarung einer Leihe – auch formularmäßig – nicht nach § 307 Abs. 2 Ziff. 1 BGB unwirksam ist.
Ob durch die zugleich vereinbarte Verpflichtung des Mieters zur Instandhaltung und Reparatur eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB anzunehmen ist, richtet sich danach, ob die leihweise Überlassung mit Erhaltungsverpflichtung bei der Mietpreisbildung berücksichtigt worden ist, ob also ein gewisser Abschlag vorgenommen worden ist. Dem mitgeteilten Sachverhalt ist insoweit leider nichts zu entnehmen. Wäre das nicht der Fall, wäre das Äquivalenzverhältnis zwischen Vermieterleistung und Mieterleistung gestört, so dass eine unangemessene Benachteiligung der Mieterin vorgelegen hätte (vgl. hierzu auch Eisenschmid in: Schmid-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl., § 535 BGB Rn. 42c). Dahinstehen könnte das aber, wenn die Klausel aus einem anderen Grund unbeachtlich wäre, nämlich dann, wenn sie als überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB anzusehen ist. Weil es sich bei der Inhalts- und Überraschungskontrolle um eigenständige Anwendungsbereiche handelt, kann eine inhaltlich nicht zu beanstandende Klausel gleichwohl überraschend sein (Bonin in: BeckOGK BGB, § 305c Rn. 27). Insoweit kann auf den Erwartungshorizont typischer Kundengruppen abgestellt werden, mit denen Verträge der fraglichen Art regelmäßig abgeschlossen werden (Fornasier in: MünchKomm BGB, 9. Aufl., § 305c Rn. 8).
Hier wird man im Falle der Überlassung einer Einbauküche vom Blickpunkt des Mieters aus annehmen müssen, dass diese mitvermietet wird; eine Leihe ist m.E. (noch) so ungewöhnlich, dass eine entsprechende Vereinbarung als überraschend anzusehen ist. Allerdings kann dieser Überraschungseffekt durch einen individuellen Hinweis des Vermieters entfallen (Bonin in: BeckOGK BGB, § 305c Rn. 55). Hier hatten die Beklagten vorgetragen, dass die Bestimmungen bzgl. der Küche ausführlich mit der Klägerin besprochen worden seien. Diesen Vortrag hielt das Amtsgericht, das die Klausel nur im Rahmen der §§ 305, 307 BGB erörtert hatte, folgerichtig für unerheblich. Richtig wäre aber insoweit die Durchführung einer Beweisaufnahme zu der entsprechenden Behauptung der Beklagten, die insoweit die Beweislast traf, gewesen, so dass bei Bestätigung ihres Vortrags eine Klageabweisung hätte erfolgen müssen.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Auszugehen ist davon, dass eine „Einbauküchenleihklausel“ in Zukunft häufiger in vorformulierten Mietverträgen auftauchen wird. Hält man diese im Einzelfall dann für unwirksam, fragt sich, wie die hierdurch entstehende Lücke ausgefüllt werden soll. Ein Rückgriff auf gesetzliche Vorschriften scheidet aus: Es gibt keine Norm, die die Vermietung einer Wohnung mit Einbauküche vorsieht. Ob dann eine ergänzende Vertragsauslegung erfolgen könnte, erscheint zweifelhaft, weil diese Methode der Lückenschließung nur dann in Frage kommen soll, wenn der Vertrag bei ersatzlosem Fortfall der Klausel insgesamt unwirksam wäre (vgl. hierzu Fornasier in: MünchKomm BGB, 9. Aufl., § 306 Rn. 11). Das kann m.E. in Fällen der vorliegenden Art nicht der richtige Weg sein, weil er zur Folge hätte, dass kein Mietvertrag zustande gekommen wäre, was aber eindeutig einen Nachteil für den wohnungsuchenden Mieter hätte. Man sollte vom Fortbestehen der Regelung ausgehen und fragen, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie von der Unwirksamkeit der Klausel gewusst hätten. Dann wäre die Einbauküche wahrscheinlich unter dem Vertragspunkt der im Einzelnen überlassenen Gegenstände aufgeführt und insoweit eine Berücksichtigung bei der Mietpreisbildung (zugunsten des Vermieters) vorgenommen worden. Das würde dem beiderseitigen Anliegen wohl am nächsten kommen.



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