Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das Verfahren betrifft weitere Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II für die Monate Februar bis Juli 2013 (!). Im Berufungsverfahren sind den Klägern weitere 61,70 Euro monatlich zugesprochen worden. Das BSG hat diesen Betrag dem Kopfteilprinzip entsprechend auf die beiden Kläger aufgeteilt und die Revision in der Sache zurückgewiesen.
Gemessen an den in der Rechtsprechung des BSG zu den Bedarfen nach § 22 Abs. 1 SGB II entwickelten Grundsätzen sei das Landessozialgericht rechtsfehlerfrei von der Angemessenheit der von den Klägern entrichteten Bruttokaltmiete ausgegangen. Demgegenüber hätten die Kosten für Raumwärme und für Warmwasser über der Grenze des abstrakt Angemessenen gelegen, ohne dass die Kläger Gründe vorgebracht hätten, aufgrund derer ihre Aufwendungen im Einzelfall gleichwohl als angemessen anzusehen wären.
Gemessen hieran habe das Berufungsgericht die angemessenen Bedarfe der Kläger für Unterkunft in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bestimmt und die von den Klägern entrichtete Bruttokaltmiete als noch angemessen angesehen. Die Festlegung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft nach den tatsächlichen Aufwendungen, begrenzt durch die Werte der Tabelle zu § 12 WoGG zzgl. eines Zuschlags von 10%, sei aufgrund der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des Landessozialgerichts nicht zu beanstanden. Ausgehend von der allein dem Berufungsgericht vorbehaltenen tatrichterlichen Beweiswürdigung sei keine Grundlage für die Bestimmung eines Angemessenheitswerts in anderer, rechtlich zulässiger Weise vorhanden gewesen, so dass ein Erkenntnisausfall vorgelegen habe.
Auch die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze der Bedarfe für Heizung zur Erzeugung von Raumwärme durch das Landessozialgericht sei nicht zu beanstanden.
Für die Konkretisierung des Angemessenheitsbegriffs könnten – solange der jeweils örtlich zuständige Grundsicherungsträger keine differenzierte Datenermittlung für den konkreten Vergleichsraum durchgeführt habe – zur Bestimmung abstrakt angemessener Heizkosten aus Gründen der Praktikabilität die Werte des „Bundesweiten Heizspiegels“ herangezogen werden. Maßgeblicher Grenzwert sei das Produkt aus dem Wert, der auf „extrem hohe“ Heizkosten bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage hindeutet (rechte Spalte), und dem Wert der für den Haushalt der Leistungsberechtigten abstrakt angemessenen Wohnfläche. Für den konkreten Fall ergebe sich hieraus ein ausgewiesener Betrag von 16 Euro/m²; für die Kläger errechne sich hieraus bei einer 60 m² großen Wohnung ein Wert von 960 Euro p.a., mithin 80 Euro im Monat. Feststellungen dazu, dass bei den Klägern ein beachtliches, individuell gesteigertes Raumwärmebedürfnis vorliege, habe das Landessozialgericht nicht getroffen, was die Kläger auch nicht mit Verfahrensrügen angegriffen haben.
Da sich der „Bundesweite Heizspiegel“ ausschließlich auf die Raumwärme beziehe, sei dieser Bedarf um einen angemessenen Bedarf für die Erzeugung von Warmwasser zu ergänzen. Auch insoweit sei eine am Einzelfall orientierte Angemessenheitsprüfung erforderlich.
Für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze für Bedarfe der Warmwassererzeugung sei ein durchschnittlicher Warmwasserverbrauch und hierauf bezogener Energieaufwand zugrunde zu legen. Unter verschiedenen denkbaren Ansätzen am plausibelsten erscheint dem BSG hiernach die Anknüpfung an die vom Statistischen Bundesamt ermittelten Werte zum Energieverbrauch privater Haushalte, die mit dem Preis des eingesetzten Energieträgers zu vervielfältigen und um einen Zuschlag für die verbrauchsunabhängigen Kosten zu ergänzen sind. Die sich hiernach errechnenden reinen Verbrauchskosten seien um einen Zuschlag für die hiermit nicht erfassten verbrauchsunabhängigen Kosten der Warmwasserversorgung i.H.v. 50% der Verbrauchskosten zu ergänzen; der Anteil der verbrauchsunabhängigen Kosten sei damit auf ein Drittel der Gesamtkosten der Warmwassererzeugung festzusetzen.
Für die Monate Februar bis Juli 2023 hält der Senat Kosten der Warmwasseraufbereitung mittels Gas je haushaltsangehöriger Person von 9,55 Euro monatlich für noch angemessen. Auch hinsichtlich dieser Kosten habe das Landessozialgericht keine Feststellungen getroffen, die das Überschreiten der Angemessenheitsgrenze im Einzelfall rechtfertigen und dadurch die mit dieser Grenze verbundene Indizwirkung der Unangemessenheit erschüttern könnten.
Hiernach erachtet das BSG Kosten i.H.v. 108,65 Euro (= 80,00 Euro + 28,65 Euro) für angemessen; die warmen Betriebskosten betrugen aber 214,00 Euro und waren damit unangemessen.
Auch das erforderliche Kostensenkungsverfahren mit seiner Aufklärungs- und Warnfunktion sei ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Diesen Anforderungen genüge das durch den Beklagten mit der Kostensenkungsaufforderung vom 10.12.2009 durchgeführte Verfahren. Durch die Aufforderung, die Unterkunftskosten auf das angemessene Maß von 444,00 Euro monatlich zu reduzieren und den Hinweis, dass ab 01.06.2010 nur noch ein Betrag in Höhe dieses Richtwerts anerkannt werde, seien die Kläger in die Lage versetzt worden, ihr Verhalten auf die für angemessen erachteten Bedarfe und – künftige – Entscheidungen des Beklagten einzustellen. Gründe, die den Klägern eine Kostensenkung objektiv nicht möglich oder subjektiv unzumutbar hätten machen können, haben nach den Feststellungen des Landessozialgerichts nicht vorgelegen.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
1. Das BSG war daran gebunden, dass das Landessozialgericht keinerlei Gründe festgestellt hatte, die das Überschreiten der Angemessenheitsgrenzen im Einzelfall rechtfertigen und die mit dieser Grenze verbundene Indizwirkung hinsichtlich der Unangemessenheit der tatsächlichen Kosten erschüttern könnten. Denn insoweit haben die für solche Gründe darlegungsbelasteten Kläger keine Verfahrensrügen erhoben. Gleiches gilt auch für solche Gründe, die den Klägern eine Kostensenkung objektiv nicht möglich oder subjektiv unmöglich hätte machen können.
Insoweit weist das BSG darauf hin, dass eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge die Bezeichnung der Tatsachen voraussetze, die den behaupteten Mangel ergäben (§ 164 Abs. 2 Satz 3 SGG). Erforderlich hierfür sei eine genaue und widerspruchsfreie Darlegung aller relevanten Verfahrensvorgänge, die das Revisionsgericht in die Lage versetze, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen könne, das Landessozialgericht also ohne den gerügten Verfahrensmangel möglicherweise anders entschieden hätte. Die maßgeblichen Vorgänge seien so exakt mitzuteilen, dass das Revisionsgericht sie – die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt – ohne weitere Ermittlungen beurteilen könne.
2. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2013 hatten die Kläger zusätzlich im April 2013 noch einen Überprüfungsantrag gestellt. Der Beklagte lehnte die Überprüfung aber mit Bescheid vom 19.06.2013 ab. Während das Landessozialgericht noch annahm, dieser Bescheid sei nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, hat das BSG dies verneint.
Dies folge daraus, dass der Überprüfungsbescheid den Ausgangsbescheid vom 08.01.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2013 – gegen den bei Erlass des Überprüfungsbescheids bereits Klagen erhoben waren – weder i.S.d. § 96 Abs. 1 SGG geändert noch ersetzt hat. Denn eine Abänderung liege nur vor, wenn der zweite Verwaltungsakt den Regelungsgehalt des ersten Verwaltungsaktes erweitert oder modifiziert. Der Regelungsgehalt des Überprüfungsbescheids beschränke sich hingegen ausschließlich auf die Ablehnung einer Änderung der zu überprüfenden ursprünglichen Regelung. Die ursprüngliche Regelung werde hierdurch nicht berührt. Durch diese Ablehnung einer Änderung werde sie aufrechterhalten und gerade nicht durch eine neue (mit demselben Regelungsinhalt) ersetzt. Darüber hinaus sei zu beachten, dass der Überprüfungsbescheid im Zeitpunkt der Klageerweiterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht am 31.05.2022 bereits bestandskräftig geworden war und die Klage insoweit von vornherein als unzulässig anzusehen gewesen sei.