juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BVerfG 1. Senat 1. Kammer, stattgebender Kammerbeschluss vom 11.04.2024 - 1 BvR 2290/23
Autor:Prof. Dr. Eike Ullmann, Vors. RiBGH a.D.
Erscheinungsdatum:23.05.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 194 StGB, § 936 ZPO, § 925 ZPO, § 511 ZPO, § 90 BVerfGG, Art 5 GG, § 916 ZPO, § 574 ZPO, § 542 ZPO
Fundstelle:jurisPR-WettbR 5/2024 Anm. 1
Herausgeber:Jörn Feddersen, RiBGH
Zitiervorschlag:Ullmann, jurisPR-WettbR 5/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Erschöpfung des Prinzips des erschöpften Rechtsweg



Orientierungssatz

1a. Dem Staat kommt kein grundrechtlich fundierter Ehrenschutz zu. Zwar dürfen grundsätzlich auch staatliche Einrichtungen vor verbalen Angriffen geschützt werden, da sie ohne ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz ihre Funktion nicht zu erfüllen vermögen (Hinweis auf § 194 Abs 3 Satz 2 StGB i.V.m. § 185 StGB; vgl. BVerfG, Urt. v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 - BVerfGE 93, 266, 291). Ihr Schutz darf indessen nicht dazu führen, staatliche Einrichtungen gegen öffentliche Kritik abzuschirmen, die von dem Grundrecht der Meinungsfreiheit in besonderer Weise gewährleistet werden soll. Zudem kann der Staat fehlerhafte Sachdarstellungen oder diskriminierende Werturteile klar und unmissverständlich zurückweisen (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.02.2018 - 2 BvE 1/16 Rn. 59 - BVerfGE 148, 11, 30).
1b. Tritt der Zweck, die öffentliche Anerkennung zu gewährleisten, die erforderlich ist, damit staatliche Einrichtungen ihre Funktion erfüllen können, in einen Konflikt mit der Meinungsfreiheit, erlangt der Einfluss von Art 5 Abs 1 Satz 1 GG daher gesteigerte Bedeutung. Das Gewicht des für die freiheitlich-demokratische Ordnung schlechthin konstituierenden Grundrechts der Meinungsfreiheit ist dann besonders hoch zu veranschlagen (zu dessen Gewicht vgl. auch BVerfGE 93, 266, 292f; BVerfG, Urt. v. 04.04.2024 - 1 BvR 820/24 Rn. 12).
1c. Bei einer mit wahren Tatsachen verbundenen Meinungsäußerung scheidet ein Zurücktreten der Meinungsfreiheit hinter das Ziel staatlicher Funktionserfüllung von vornherein aus. Vielmehr verbleibt es in einem solchen Fall dabei, dass der Staat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten hat (vgl. BVerfGE 93, 266, 292f; BVerfG, Urt. v. 28.11.2011 - 1 BvR 917/09 Rn. 24).
2a. Aus Art 5 Abs 1 Satz 1 GG ergeben sich nicht nur Anforderungen an die Auslegung und Anwendung grundrechtsbeschränkender Gesetze, sondern auch an die Deutung umstrittener Äußerungen (vgl. BVerfGE 93, 266, 295). Bei der Ermittlung des Sinns einer Äußerung sind auch der sprachliche Kontext und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen. Die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils wird den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfGE 93, 266, 295; BVerfG, Urt. v. 24.11.2023 - 1 BvR 1962/23 Rn. 4).
2b. Wird - wie hier - für die Kontextbestimmung einer Äußerung eine hierin für den Rezipienten erkennbar in Bezug genommene, inhaltlich sogar unmittelbar wahrnehmbare Schlagzeile eines Nachrichtenartikels ausgeblendet, verfehlt bereits dies die sich aus Art 5 Abs 1 Satz 1 GG ergebenen Anforderungen an die Deutung umstrittener Äußerungen.
3. Hier: Verletzung der Meinungsfreiheit durch Untersagung einer regierungskritischen Äußerung im Wege der einstweiligen Verfügung.
3a. Bereits die Bestimmung des Kontextes der fraglichen Äußerung durch das KG ist nicht mit Art 5 Abs 1 Satz 1 GG in Einklang zu bringen. Zudem verkürzt die angegriffene Entscheidung die Meinungsfreiheit, wenn sie die Äußerung des Beschwerdeführers als unwahre Tatsachenbehauptung einstuft (wird ausgeführt).
3b. Festsetzung des Gegenstandswertes auf 25.000 Euro.



A.
Problemstellung
Es geht um die Wahrung des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit durch das BVerfG in einem einstweiligen Verfügungsverfahren. Gerade der Verfahrensablauf ist Anlass für die Anmerkung im vorliegenden Praxisreport. Denn auch im Immaterialgüterrecht stoßen geschützte Rechtsgüter und Handlungs- und Äußerungsfreiheit aufeinander, das urheberrechtlich geschützte Werk gerät in Konflikt mit einer freien Bearbeitung oder der Zitatfreiheit oder die geschützte Marke muss beschreibende Äußerungen hinnehmen. Und nicht zuletzt im Wettbewerbsrecht kommt es zur Konfrontation des Gebots lauteren Handelns mit der Nachahmungsfreiheit und der Freiheit des Äußerns, die sich oft in Werbeslogans wiederfindet. Diese Konflikte werden häufig im einstweiligen Verfügungsverfahren ausgetragen. Dabei ausgesprochene Verbote können zu folgenschweren Belastungen führen, die häufig erst im Laufe des zivilprozessual vorgesehenen Verfahrens behoben werden oder auch nicht. Der Weg kann langwierig und mühsam sein: Einstweiliges Verfügungsverfahren über zwei Instanzen, Hauptsacheverfahren über drei Instanzen. Die Parteien haben es in der Hand, wie weit sie es treiben wollen. Als letztes Mittel bleibt dann noch das Verfassungsgericht oder gar eine Europäische Instanz. Der vorliegende Fall ist besonders. Hier fand noch nicht einmal eine mündliche Verhandlung statt und schon wurde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung innerhalb von sieben Monaten vom BVerfG abgewiesen. Was war geschehen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Ein bekannter Journalist, der im Herbst 2021 als Chefredakteur bei einem führenden Boulevardblatt öffentlichkeitsaufmerksam ausgeschieden war, hatte in seinem YouTube- Kanal am 25.08.2023 die Kurznachricht verbreitet: „Deutschland zahlte in den letzten zwei Jahren 370 MILLIONEN EURO (!!!) Entwicklungshilfe an die TALIBAN (!!!!!!). Wir leben im Irrenhaus, in einem absoluten, kompletten, totalen, historisch einzigartigen Irrenhaus. Was ist das nur für eine Regierung?!“ Mit einem Link war dabei Bezug genommen worden auf die eine Stunde vorher von einem Nachrichtenmagazin online veröffentlichte Information des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ), wonach seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan vor zwei Jahren die Bundesregierung 371 Millionen Euro für Entwicklungshilfe im Land bereitgestellt habe. Das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) hatte seinen Einsatz im Land nach dem Regimewechsel 2021 eigentlich auf Eis gelegt – inzwischen aber wieder hochgefahren. Sämtliche Mittel dienten der Aufrechterhaltung der Grundversorgung sowie der Stärkung der Widerstandskraft der Bevölkerung und würden regierungsfern umgesetzt, wird dabei eine Sprecherin des BMZ zitiert. Befürchtungen, die Taliban könnten womöglich dennoch von den Millionen profitieren, wies das Ministerium zurück: „Es fließen keine Mittel über die Ministerien und Behörden der de-facto-Autoritäten.“ Die Maßnahmen würden vorrangig über internationale Organisationen (Vereinte Nationen, Weltbank) und Nichtregierungsorganisationen umgesetzt, wurde verlautbart.
1. Den von der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, gegen den Journalisten im einstweiligen Verfügungsverfahren gestellten Antrag auf Unterlassung der Äußerung „Deutschland zahlte in den letzten zwei Jahren 370 MILLIONEN EURO (!!!) Entwicklungshilfe an die TALIBAN (!!!!!)“ wies das Landgericht Berlin mit Beschl. v. 04.10.2023 zurück. Bei der angegriffenen Äußerung handle es sich um eine zulässige Meinungsäußerung; die für die Meinung erforderliche Anknüpfungstatsache sei in der – unstreitig wahren – Tatsache zu sehen, dass die Antragstellerin Mittel in dem angegebenen Umfang bereitstelle, die durch Dritte in Afghanistan verwendet würden, führte das Landgericht (vernünftigerweise) aus.
2. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der Bundesrepublik Deutschland, (Anm.: das BVerfG spricht fortlaufend von Verfügungsklägerin, obschon noch keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat) untersagte das Kammergericht mit Beschluss vom 14.11.2023 dem Antragsgegner die beanstandete Äußerung. Durch die Äußerung des Antragsgegners bestünde die Gefahr, dass bei der Bevölkerung der Eindruck entstünde, die Bundesrepublik zahle Entwicklungshilfe an ein Terrorregime, das die Rechte der Bevölkerung mit Füßen trete. Dies könne Zweifel in das Vertrauen der Arbeit der Antragstellerin und ihre Funktionsfähigkeit wecken. Die Äußerung des Antragsgegners sei eine unwahre Tatsachenbehauptung, die geeignet sei, das Vertrauen der Bevölkerung in die Tätigkeit der Antragstellerin zu gefährden.
3. Der Antragsgegner hat dagegen nicht Widerspruch eingelegt, sondern am 12.12.2023 Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der er eine Verletzung in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG rügt. Dieser Rechtsbehelf führte zum Erfolg und damit zur Abweisung des Verbotsantrags der Bundesrepublik Deutschland.
In der Sache führt das BVerfG – kurzgefasst – aus, dem Staat komme kein grundrechtlich fundierter Ehrenschutz zu. Der Staat habe grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten. Die Zulässigkeit von Kritik am System sei Teil des Grundrechtestaats. Zwar dürften grundsätzlich – wie sich aus § 194 Abs. 3 Satz 2 StGB und § 185 StGB ergebe – auch staatliche Einrichtungen vor verbalen Angriffen geschützt werden, da sie ohne ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz ihre Funktion nicht zu erfüllen vermöchten. Das Gewicht des Grundrechts der Meinungsfreiheit sei in diesem Zusammenhang besonders hoch zu veranschlagen, da es gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen sei. Indem das Kammergericht für seine Beurteilung die in der verlinkten Kurznachricht wiedergegebene Schlagzeile „Deutschland zahlt wieder Entwicklungshilfe für Afghanistan“ ausblende, verharre seine Sinndeutung auf einer isolierten Betrachtung des durch den Beschwerdeführer formulierten Kurznachrichtentextes. Auf dessen Grundlage gelangt es zu der Einschätzung, der an der Bundesregierung geübten Kritik eines „Irrenhauses“ könne ein nachvollziehbarer Sinn „nur dann“ entnommen werden, wenn eine Zahlung von Entwicklungshilfe an die derzeitigen Machthaber in Afghanistan behauptet werde, da der Durchschnittsleser eine Unterstützung regierungsferner Institutionen nicht als „irres Vorgehen“ ansehe. Die schon bei bloßer Betrachtung des Kurznachrichtentextes naheliegende Möglichkeit, der Beschwerdeführer habe die Gefahr eines mittelbaren Zugutekommens von Zahlungen an die Machthaber in Afghanistan thematisiert, schließe das Kammergericht mit dem zirkulär entgegengesetzten Standpunkt aus, für den Durchschnittsleser ergebe sich die Behauptung, die Regierung habe „Zahlungen an die Taliban geleistet“. Auch ziehe es nicht in Erwägung, ob diese Annahme einer Tatsachenbehauptung angesichts der wiedergegebenen Schlagzeile „Deutschland zahlt wieder Entwicklungshilfe für Afghanistan“ als fernliegend auszuscheiden und aus der Sicht eines Durchschnittslesers allein die zugespitzte Meinungsäußerung anzunehmen sei, mit einer Zahlung von „Entwicklungshilfe für Afghanistan“ zahle Deutschland faktisch „Entwicklungshilfe an die Taliban“. Auf den im Instanzenzug zuvor auf dieser Linie liegenden, maßgeblich an die in der Kurznachricht wiedergegebene Schlagzeile anknüpfenden Standpunkt des Landgerichts gehe das Kammergericht nicht ein. Werde für die Kontextbestimmung einer Äußerung eine hierin für den Rezipienten erkennbar in Bezug genommene, inhaltlich sogar unmittelbar wahrnehmbare Schlagzeile eines Nachrichtenartikels ausgeblendet, verfehle bereits dies die sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenen Anforderungen an die Deutung umstrittener Äußerungen.
II. An der materiellen Sicht des BVerfG gibt es nichts zu deuteln. Man kann sich eigentlich nur wundern, dass das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) sich durch die populistische Äußerung des Journalisten in seiner Arbeit beeinträchtigt sah und glaubte, zu seinem Schutz (oder zum Schutz der Bürger?) gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Wundern kann man sich nur über die Verfahrensweise der 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG. Dazu im Folgenden.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Das BVerfG führt zu seiner Sachkompetenz aus, die fristgerecht erhobene Verfassungsbeschwerde sei auch im Übrigen zulässig. Ihr stehe insbesondere nicht der Grundsatz der materiellen Subsidiarität entgegen. Zwar gebiete dieser regelmäßig die Erschöpfung des Rechtswegs auch in der Hauptsache, wenn im einstweiligen Rechtsschutz Grundrechtsverletzungen gerügt würden, die auch auf die Hauptsache durchschlügen. Auf den fachgerichtlichen Rechtsweg in der Hauptsache dürften Beschwerdeführer aber dann nicht verwiesen werden, wenn die Durchführung des Hauptsacheverfahrens unzumutbar sei. Das sei hier der Fall. Denn das dem Beschwerdeführer in der Hauptsache verbleibende Aufhebungsverfahren erscheine angesichts der nicht nur summarischen Prüfung des Kammergerichts aussichtslos. Für die Entscheidung bedürfe es zudem auch keiner weiteren Tatsachenfeststellungen, womit die tatsächliche beziehungsweise fachrechtliche Lage zur verfassungsrechtlichen Beurteilung ausreichend geklärt sei und auch im Übrigen die Voraussetzungen vorlägen, unter denen nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden könne.
Ob der Beschwerdeführer, wie die „Verfügungsklägerin“ annehme, gehalten gewesen sei, zur Erschöpfung des Rechtswegs nach § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG beziehungsweise zur Wahrung des in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Subsidiaritätsgrundsatzes gemäß § 936 ZPO i.V.m. § 924 ZPO Widerspruch einzulegen, obwohl die einstweilige Verfügung erstmals in der Beschwerdeinstanz erlassen wurde, könne offenbleiben. Denn selbst wenn dies für die mündliche Verhandlung über den Widerspruch nach § 936 ZPO i.V.m. § 924 Abs. 2 Satz 2 ZPO, wie die Verfügungsklägerin vorbringe, zur erneuten Zuständigkeit des Landgerichts führte, wäre für den Fall einer abändernden Entscheidung des Landgerichts nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer in einer für die Verfügungsklägerin dann gemäß § 936 ZPO i.V.m. den §§ 925 Abs. 1, 511 Abs. 1 ZPO eröffneten Berufungsinstanz mit einem für ihn günstigeren Ausgang vor dem Kammergericht hätte rechnen können. Von einem von vornherein aussichtslosen Rechtsbehelf müsse aber nicht Gebrauch gemacht werden.
II. Diese Begründung zur abschließenden Entscheidungskompetenz des Verfassungsorgans verwundert in höchstem Maße. § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG lässt von der gebotenen Erschöpfung des Rechtswegs absehen, wenn die Verfassungsbeschwerde „von allgemeiner Bedeutung ist oder dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtswege verwiesen würde.“ Das BVerfG, dessen im Streitfall entscheidende Kammermitglieder ihr Berufsleben in der Politik oder in der Wissenschaft verbracht haben, sieht die zitierten Normmerkmale als erfüllt an, weil dem Beschwerdeführer das weitere Vorgehen auf dem Zivilrechtsweg unzumutbar sei, weil es keine Aussicht auf Erfolg biete. Diese Begründung sagt nicht und will nicht sagen, dass die Sache von allgemeiner Bedeutung sei. Deckt sie aber die Normmerkmale ab, dass dem Journalisten ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er – wie Otto Jedermann – auf den Rechtsweg verwiesen würde? Das will mir – trotz des hohen Guts der Pressefreiheit – nicht einleuchten. Das BVerfG missachtet die Funktion der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Sie verkennt die Bedeutung einer mündlichen Verhandlung, welche die Sichtweise der Beteiligten mit der des Gerichts unmittelbar konfrontiert und häufig eine vorläufige Meinung gerade in Fragen des Meinens und des Dafürhaltens ins Wanken geraten lässt. Eine Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde mit dem Hinweis, dass erst einmal mündlich verhandelt werden sollte, wäre ein sachgerechtes Signal gewesen. Die Spekulation, die Rechtsverfolgung des Beschwerdeführers sei aussichtslos, ist eine Geringschätzung der ordentlichen Justiz. Die Richter und Richterinnen sind durchaus in der Lage, die eigene Entscheidung zu reflektieren und in Frage zu stellen. Ja, und was ist eigentlich mit der Bedeutung des Revisionsgerichts, dessen Zuständigkeit im ordentlichen Verfahren bei dem Verfahrenswert von über 20.000 Euro eröffnet gewesen wäre. Der zuständige VI. Zivilsenat des BGH ist durchaus bekannt dafür, mit Art. 5 GG sensibel umzugehen.
Und mal (nur) zur Kontrolle anders gefragt, wäre es für den Journalisten ein unabwendbarer Nachteil, wenn ihm die isoliert betrachtet schwachsinnige Behauptung, die Bundesregierung finanziere den Taliban, bis zur Erschöpfung des Rechtswegs untersagt bliebe?


D.
Auswirkungen für die Praxis
Das BVerfG erhebt sich ohne Not zur dritten Instanz im einstweiligen Verfügungsverfahren. Dieses Beispiel könnte zu seinem eigenen (Belastungs-)Nachteil Schule machen. Das Gebot zu Gleichbehandlung der Fälle kann nicht immer mit dem Hinweis auf den Einzelfall ausgeräumt werden. Vielleicht stößt der Fall eine Gesetzesinitiative an, den BGH als Revisionsgericht auch im einstweiligen Rechtsschutz der §§ 916 ff ZPO einzubinden, was bislang nicht möglich ist, wie der I. Zivilsenat jüngst zum wiederholten Mal unter Hinweis auf die §§ 574 Abs. 1 Satz 2, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausgeführt hat, BGH, Beschl. v. 21.12.2023 - I ZB 42/23.



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