- 12.12.2023
- Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (wistra)
Ersparte Aufwendungen als „erlangtes Etwas“?
Mit der im Sommer 2017 in Kraft getretenen Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung haben Einziehungsanordnungen im Steuerstrafrecht eine erhebliche Bedeutung erlangt, da mit dem neuen Recht durch die Streichung von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB a.F. Abschöpfungsentscheidungen zu § 370 AO im Endurteil rechtlich möglich geworden sind. Die Rechtsprechung erlässt heute standardmäßig Einziehungsanordnungen nicht nur in Fällen der Vorteilserlangung, sondern auch in den Fällen der Steuerverkürzung und stützt ihre Entscheidungen insoweit auf das Vorliegen von „ersparten Aufwendungen“, die nach § 73 Abs. 1 StGB einzuziehen seien. Der Beitrag untersucht Herkunft und Grundlagen dieser Rechtsfigur und zeigt, dass sie strukturell nicht geeignet ist, Einziehungsentscheidungen im Steuerstrafrecht zu rechtfertigen. Vielmehr fehlt es im Fall der Abgabenverkürzung, d.h. bei einer schlichten Nicht-Festsetzung, an einem erlangten Etwas im Sinne des reformierten Einziehungsrechts, sodass die Anwendung von § 73 StGB in entsprechenden Fällen des § 370 AO ebenso wie bei der Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266a StGB ausscheiden muss. Systematisch folgerichtig sollte diese Erkenntnis dazu führen, die Anwendbarkeit des neuen Einziehungsrechts insgesamt zu überdenken.