- 18.04.2024
- Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht (ZESAR)
Der „europäische“ Mindestlohn
Ein „europäischer Mindestlohn“ – ein gewagtes Vorhaben der Europäischen Union, wenn man bedenkt, dass sie für die Regelung der Arbeitsentgelte gem. Art. 153 Abs. 5 AEUV keine Regelungskompetenz besitzt. Und doch ist die Richtlinie (EU) 2022/2041 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. 10. 2022 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union1 (im Folgenden: ML-RL) in Kraft und soll bis zum 15. 11. 2024 in nationales Recht umgesetzt werden. Die ML-RL zielt auf die Ausweitung des Mindestlohnschutzes durch zwei Kernmaßnahmen: Neben Art. 5 ML-RL, der Vorgaben zur Festlegung eines angemessenen gesetzlichen Mindestlohns enthält, soll mit Art. 4 ML-RL tarifvertraglicher Mindestlohnschutz gefördert werden. Die unionsrechtliche Befugnis, Regeln zum Mindestlohn zu setzen, ist nach wie vor umstritten. Darüber hinaus lässt die ML-RL die weitere Frage nach dem Handlungsbedarf für die Mitgliedstaaten bei der Festsetzung der Mindestlohnhöhe offen. Zweierlei ist somit genauer zu betrachten: Ist Art. 5 ML-RL kompetenzwidrig (unter II.) und welche Umsetzungsproblematiken und welcher Umsetzungsbedarf ergeben sich für Deutschland (unter III.)?
1) ABl. 2022, L 275, S. 33.