• 24.01.2024
  • Zeitschrift für Verbraucher-, Privat- und Nachlassinsolvenz (ZVI)

Der selbstbestimmte Schuldner im Insolvenzverfahren

Das gesellschaftliche Verständnis von Geschlechtsidentität hat sich fortentwickelt. Bislang regelt das Transsexuellengesetz (TSG) die Voraussetzungen, unter denen Menschen ihre Geschlechtsidentität anpassen und dokumentieren lassen können. Das Bundesverfassungsgericht hat Teile des TSG allerdings schon vor geraumer Zeit für verfassungswidrig erklärt.

Deshalb haben die Koalitionsparteien im Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode vereinbart, das TSG abzuschaffen und es durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Jetzt liegt der Entwurf der Bundesregierung für ein „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften“ vom 23. 8. 2023 vor (BMFSFJ – Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezugauf den Geschlechtseintrag (SBGG); im Folgenden SBGG-E). Damit sollen auch Namensänderungen im Verhältnis zum geltenden Recht vereinfacht werden.

Aus Namensänderungen können sich Implikationen für ein Insolvenzverfahren ergeben. Der Name ist ein wesentliches identitätsbestimmendes Merkmal, das sowohl für die Gläubiger eines Schuldners als auch für das insolvenzrechtliche Verfahren entscheidende Bedeutung hat. Mit einer Namensänderung wird ein Schuldner für seine Gläubiger ein Stück unsichtbarer. Andererseits ist das Selbstbestimmungsrecht für die Betroffenen ein hohes, schützenswertes Recht. Diejenigen, die Änderungen vollzogen haben, können beanspruchen, dass diese im Rechtsverkehr auch beachtet werden. Die Regelungen zum Selbstbestimmungsrecht stehen deshalb in einem Spannungsverhältnis zu den Gläubigerrechten und insolvenzrechtlichen Verfahrensgrundsätzen. Ähnliche Problemlagen sind aus Fällen bekannt, in denen sich Schuldner im Zeugenschutzprogramm befinden oder obdachlos sind und über keine Wohnanschrift verfügen, so dass sie deshalb für Gläubiger schwierig identifizierbar sind.

Ganz neu sind die Probleme bei Vornamensänderungen und Anpassungen zu Geschlechtsangaben nicht. Auch unter der Geltung des TSG sind Änderungen des Vornamens möglich. Durch das geplante niedrigschwelligere Verfahren vor dem Standesamt, vielleicht aber auch allgemein durch die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber geschlechtsidentitätsstiftenden Ansprüchen, die den Betroffenen die Wahrnehmung ihrer Rechte erleichtert, könnten sich künftig aber mehr Berührungspunkte zwischen dem Selbstbestimmungs- und dem Insolvenzrecht ergeben. Ein Massenphänomen wird es nicht werden. Im Einzelfall stellen sich aber zahlreiche Fragen.

Zeitschrift für Verbraucher-, Privat- und Nachlassinsolvenz (ZVI)

Quelle:
Zeitschrift für Verbraucher-, Privat- und Nachlassinsolvenz (ZVI)

Fundstelle:
ZVI 2024, 3-11

Autoren:
Hans-Ulrich Heyer