juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BAG 6. Senat, Urteil vom 31.07.2025 - 6 AZR 18/25
Autor:Dr. Kai-Oliver Burmann, RA und FA für Arbeitsrecht
Erscheinungsdatum:17.12.2025
Quelle:juris Logo
Normen:Art 3 GG, § 4 TzBfG, § 15 TzBfG, 12016P020
Fundstelle:jurisPR-ArbR 50/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.
Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D.
Zitiervorschlag:Burmann, jurisPR-ArbR 50/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Befristung auf Regelaltersgrenze



Leitsatz

Der Schutz des Diskriminierungsverbots für befristet beschäftigte Arbeitnehmer gemäß § 4 Abs. 2 TzBfG erstreckt sich nach Sinn und Zweck nicht auf Arbeitsverhältnisse, die mit Erreichen der Regelaltersgrenze enden.



Orientierungssatz zur Anmerkung

Auf das Erreichen der Regelaltersgrenze befristete Arbeitsverhältnisse stellen sich der Sache nach als unbefristete Normalarbeitsverhältnisse dar.



A.
Problemstellung
Ein eher abseitiger Begründungsversuch einer Klägerin gibt dem BAG Gelegenheit, auf das Erreichen der Regelaltersgrenze befristete Arbeitsverhältnisse grundlegend zu bewerten.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Erschwerniszulage. Die Klägerin ist bei dem beklagten Land beschäftigt und in einer Observationsgruppe des Nachrichtendienstes eingesetzt. Diese Gruppe besteht sowohl aus Arbeitnehmern wie auch aus Beamten. Die Beamten erhalten aufgrund einer Verordnung eine Erschwerniszulage, die Arbeitnehmer für die inhaltsgleiche Arbeit hingegen nicht.
Die Klägerin ist der Auffassung, sie werde durch die Nichtgewährung der Erschwerniszulage unter Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG als befristet Beschäftigte benachteiligt. Denn ihr Arbeitsverhältnis sei aufgrund der geltenden tariflichen Regelung auf die Regelaltersgrenze befristet, wohingegen die Beamten auf Lebenszeit eingestellt seien. Die Ungleichbehandlung sei sachlich nicht gerechtfertigt und das Land daher nach Art. 20 GRCh verpflichtet, die befristet Beschäftigten in die Gewährung der Zulage einzubeziehen.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das BAG hat die Revision für unbegründet erachtet.
Die Klägerin werde durch die Nichteinbeziehung in die Erschwerniszulagenverordnung weder i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 TzBfG diskriminiert noch sei dadurch Art. 20 GRCh oder Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
Das Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 2 TzBfG erstrecke sich nach Sinn und Zweck nicht auf Arbeitsverhältnisse, die mit Erreichen der Regelaltersgrenze enden. Befristet Beschäftigte hätten eine besonders schwache Verhandlungsposition und seien deshalb für ein Diktat der Arbeitsbedingungen durch einen überlegenen Vertragspartner besonders anfällig. Das solle durch das Diskriminierungsverbot verhindert werden. Eines solchen Schutzes bedürfe es bei einem auf das Erreichen der Altersgrenze für den Bezug einer Regelaltersrente befristeten Arbeitsvertrag nicht. Entsprechende Arbeitsverhältnisse könnten mehrere Jahrzehnte Bestand haben und brächten den Arbeitnehmer ungeachtet der formal vorliegenden Befristung der Sache nach in den Genuss eines festen Beschäftigungsverhältnisses. Stellen sich diese Arbeitsverhältnisse der Sache nach als unbefristete Normalarbeitsverhältnisse dar, bedürften sie eines Schutzes vor einer Vorenthaltung von Rechten, welche „Dauerbeschäftigten“ zuerkannt werden, nicht.
Das von der Klägerin herangezogene Diskriminierungsverbot des Art. 20 GRCh führe zu keinem anderen Ergebnis, da es sich bei § 4 Abs. 2 TzBfG bereits um die Konkretisierung handle.


C.
Kontext der Entscheidung
Es ist schon mehrfach mit guten Gründen verlangt worden, Befristungen auf das Erreichen der Regelaltersgrenze ganz oder teilweise vom Anwendungsbereich des TzBfG auszunehmen (etwa zur Schriftform: Lingemann, NZA 2018, 889; zum Kündigungsvorbehalt Meinel in: MHH, § 14 TzBfG Rn. 225). Eine (Regel-)Altersgrenzenbefristung lässt das Arbeitsverhältnis nicht zu einem atypischen Arbeitsverhältnis werden, vor und in dem Arbeitnehmer geschützt werden müssen. Vielmehr handelt es sich um den Normaltypus des Arbeitsvertrags. In diesem Sinne hat der EuGH bereits 2018 entschieden, dass eine Befristung auf die Regelaltersgrenze keine Befristung im Sinne der Rahmenvereinbarung darstellt (vgl. EuGH, Urt. v. 28.02.2018 - C-46/17 „John“).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Diese Bewertung der Altersgrenzenbefristung wird vom BAG nunmehr ausdrücklich geteilt: Auf das Erreichen der Regelaltersgrenze befristete Arbeitsverhältnisse stellen sich der Sache nach als unbefristete Normalarbeitsverhältnisse dar. Der Streitfall wird damit nicht erst auf der Prüfungsebene „Rechtfertigung der Ungleichbehandlung“ gelöst, sondern die Altersgrenzenbefristung vom Geltungsbereich des Benachteiligungsverbots ausgenommen. Das ist überzeugend. Abzuwarten bleibt, ob diese Bewertungen weitere Auswirkungen im Befristungsrecht haben werden, etwa im Hinblick auf § 15 Abs. 3 oder Abs. 4 TzBfG.



Immer auf dem aktuellen Rechtsstand sein!

IHRE VORTEILE:

  • Unverzichtbare Literatur, Rechtsprechung und Vorschriften
  • Alle Rechtsinformationen sind untereinander intelligent vernetzt
  • Deutliche Zeitersparnis dank der juris Wissensmanagement-Technologie
  • Online-First-Konzept

Testen Sie das juris Portal 30 Tage kostenfrei!

Produkt auswählen

Sie benötigen Unterstützung?
Mit unserem kostenfreien Online-Beratungstool finden Sie das passende Produkt!