Verstoß gegen Auflage beim GroßraumtransportLeitsatz Der Bußgeldtatbestand des § 49 Abs. 4 Nr. 4 StVO verlangt Feststellungen zur Vollziehbarkeit der Auflage. - A.
Problemstellung Das OLG Braunschweig musste sich als Rechtsbeschwerdegericht mit einem Einziehungsbescheid befassen, der dem Fahrer vorwarf, bei einem Großraumtransport entgegen den §§ 49 Abs. 4 Nr. 4, 46 Abs. 3 Satz 1 StVO eine vollziehbare Auflage der Ausnahmegenehmigung oder Erlaubnis nicht befolgt zu haben, und dabei auch den zugrunde liegenden Verstoß prüfen.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Einziehungsbeteiligte ist ein Speditionsunternehmen mit Sitz in Polen. Durch das angefochtene Urteil ordnete das AG Braunschweig im Verfahren gemäß § 29a Abs. 5 OWiG die Einziehung eines Geldbetrages i.H.v. 4.374 Euro an. Dem lag ein auf der BAB 2 in Fahrtrichtung Braunschweig (Kilometer 180,6) begangener Verstoß gegen § 24 Abs. 1 StVG, §§ 46 Abs. 3 Satz 1, 49 Abs. 4 Nr. 4 StVO (Großraumtransport ohne eine sach- und sprachkundige Person) zugrunde. Die Einziehungsbeteiligte sei kontrolliert worden, als sie drei Sattelzugmaschinen von den Niederlanden nach Polen und Litauen transportiert habe. Weil der Transport die gesetzlich zulässige Höhe von 4 Metern überschritten habe, habe die Einziehungsbeteiligte eine Ausnahmegenehmigung benötigt. Diese habe zwar vorgelegen, jedoch sei ihr zur Auflage gemacht worden, dass während des gesamten Transportes eine Person anwesend sein müsse, die sachkundig und der deutschen Sprache ausreichend mächtig sei. Bei der Kontrolle am Tattag sei indes nur der bei der Einziehungsbeteiligten angestellte Fahrer S. angetroffen worden, gegen den das Verfahren gemäß § 47 OWiG eingestellt worden sei. Der in Weißrussland geborene und in Polen wohnhafte Fahrer habe nicht über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügt. Er sei insbesondere nicht in der Lage gewesen, den kontrollierenden Beamten den Bescheid des Kreises Mettmann, auf dem die Auflage beruhte, in deutscher Sprache zu erläutern. Auf Anfragen habe er lediglich mit Kopfschütteln reagiert. Wann die Ausnahmegenehmigung erteilt wurde, ergebe sich aus dem angefochtenen Urteil nicht. Die Höhe des Einziehungsbetrags hatte das Amtsgericht geschätzt, weil trotz Nachfrage weder der Auftraggeber noch die Einziehungsbeteiligte Angaben zum konkret vereinbarten Frachtlohn gemacht haben. Im Rahmen der Schätzung hat das Gericht eine Tabelle „Grundlagen für die Berechnung des Einziehungsbetrages für Fahrzeugtransporte“ herangezogen. Es handelte sich um anerkannte Kostensätze aus der Richtlinie Einziehung Baden-Württemberg 11/2022. Das OLG Braunschweig hat auf die Rechtsbeschwerde der Einziehungsbeteiligten das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Die angefochtene Entscheidung leide bereits deshalb an einem Rechtsfehler, weil das Amtsgericht keine Feststellungen zur gemäß § 49 Abs. 4 Nr. 4 StVO notwendigen Vollziehbarkeit der grundsätzlich nicht zu beanstandenden Sprachauflage getroffen habe. Eine Auflage sei nur dann vollziehbar i.S.d. § 49 Abs. 4 Nr. 4 StVO, wenn der erteilte Bescheid entweder zum Zeitpunkt des Transportes in Bestandskraft erwachsen sei oder aber die zuständige Verwaltungsbehörde nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung besonders angeordnet habe. Die Rechtslage sei insoweit anders als bei einem Verkehrsschild, bei dem § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gelte. Dass ein Verwaltungsakt sogleich mit Bekanntgabe wirksam sei (vgl. § 43 VwVfG), ändere nichts. Entscheidend sei, dass die von der Wirksamkeit zu trennende Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes dem Suspensiveffekt (§ 80 Abs. 1 VwGO) unterliege, den der Adressat durch Widerspruch oder Klage herbeiführen könne. Die Zuwiderhandlung gegen einen Verwaltungsakt dürfe aber nur dann zu einer Geldbuße führen, wenn es nicht mehr dem Belieben des Adressaten überlassen sei, die verwaltungsrechtliche Durchsetzung zu verhindern. Ob der Verwaltungsakt des Kreises Mettmann, der die maßgebliche Auflage enthalte, zum Zeitpunkt des Transports bestandskräftig oder sofort vollziehbar gewesen sei, lasse sich den Gründen des angefochtenen Urteils indes nicht entnehmen. Die zum Wert der Taterträge i.S.d. § 29a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 OWiG getroffenen Feststellungen reichen darüber hinaus auch nicht aus, um die vorgenommene Schätzung eines Transportentgeltes i.H.v. zumindest 4.374 Euro in nachvollziehbarer Weise zu belegen. Bei einer Schätzung des Wertes der Taterträge i.S.d. § 29a Abs. 4 OWiG müssen jedoch die tragenden Grundlagen der Schätzung in einer für das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbaren Weise dargelegt werden. Hieran fehle es. Die Grundlagen der Schätzung gemäß § 29a Abs. 4 OWiG seien nicht ausreichend festgestellt worden. Das Amtsgericht habe sich im vorliegenden Fall zum Beleg seiner Schätzung allein auf eine Tabelle „Grundlagen für die Berechnung des Einziehungsbetrages für Fahrzeugtransporte“ berufen. Die genannte Tabelle sei nicht allgemeinkundig. Ob es sich tatsächlich, wovon das Amtsgericht ausgegangen sei, um „anerkannte Kostensätze“ handle, könne der Senat nicht überprüfen. Es fehlen insbesondere Angaben dazu, über welche Qualifikation die Verfasser der Tabelle verfügen und auf welcher Erkenntnisgrundlage sie die Werte, die bei der Einziehungsbeteiligten zugrunde gelegt wurden, ermittelt haben.
- C.
Kontext der Entscheidung Erst kürzlich hatte sich das BayObLG mit Beschluss vom 07.05.2025 (201 ObOWi 279/25) zur Problematik einer Auflage und deren Vollziehbarkeit geäußert. Das Tatgericht muss ausdrücklich feststellen, ob der erlassene Bescheid zur sofortigen Vollziehbarkeit Ausführungen enthält oder gar schon in Bestandskraft erwachsen ist (BayObLG, Beschl. v. 14.11.2024 - 201 ObOWi 1072/24). Eine Auflage ist nicht schon deshalb sofort vollziehbar, weil der Adressat von dem ihr zugrunde liegenden begünstigenden Verwaltungsakt vor Eintritt der Bestandskraft Gebrauch macht, so das BayObLG. Hier wurde dem Betrieb die Auflage eines sprachkundigen Mitfahrers erteilt. Eine solche „Sprachauflage“ ist möglich und rechtlich belastbar (VGH Mannheim, Urt. v. 15.05.2018 - 10 S 1801/17 - NZV 2018, 522). Ungeachtet dessen hat das Tatgericht auch den Einziehungsbetrag nicht in genügender Form ermittelt und festgelegt. Zur Vereinfachung räumt § 29a Abs. 4 OWiG dem Tatrichter zwar ausdrücklich die Möglichkeit ein, den der Einziehung unterliegenden Betrag zu schätzen (Krenberger/Krumm, OWiG, § 29a Rn. 12). Die Schätzung kann an verfahrensmäßig festgestellte Tatsachen anknüpfen (Krenberger/Krumm, OWiG, § 17 Rn. 18). Sind jedoch wie hier keine Tatsachen feststellbar, da keine Einlassung erfolgt und entsprechende Frachtpapiere nicht sichergestellt oder wenigstens vor Ort eingesehen worden sind, können im Bereich der Einziehung Kostentabellen zum Einsatz kommen (OLG Braunschweig, Beschl. v. 06.08.2013 - 1 Ss (OWi) 107/13 - ZfSch 2014, 230). Dies gilt aber dann nicht, wenn der zur Entscheidung anstehende (Transport-)Fall Anlass gibt, die Anwendbarkeit der Tabellen in Zweifel zu ziehen, was insbesondere bei grenzüberschreitenden Transporten der Fall wäre. Daher müssen die tragenden Grundlagen der Schätzung in einer für das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbaren Weise dargelegt werden (OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.10.2013 - 2 Ss 238/13; OLG Celle, Beschl. v. 23.09.2015 - 2 Ss (OWi) 296/15), was mindestens Angaben dazu erfordert, über welche Qualifikation die Verfasser der bezogenen Tabelle verfügen und auf welcher Erkenntnisgrundlage sie die Werte, die bei der Einziehungsbeteiligten zugrunde gelegt wurden, ermittelt haben. Alternativ hätte das Gericht zur Schätzung auf Kalkulationsgrundsätze eines für den betroffenen Bereich maßgeblichen Bundesverbandes zurückgreifen können (Meyberg in: BeckOK OWiG, § 29a OWiG Rn. 58).
- D.
Auswirkungen für die Praxis Hinsichtlich der Einziehungsanordnung hätte die hier angefochtene Entscheidung wohl auch noch vermissen lassen, dass es sich bei jeder Anordnung um eine Ermessensentscheidung handelt und sich dies aus dem Urteil auch klar ergeben muss (Mitsch in: Karlsruher Kommentar OWiG, § 29a Rn. 42). Das Tatgericht muss sich des ihm eingeräumten Ermessens bewusst gewesen sein und darf sich nicht nur auf die Überprüfung der Ermessensentscheidung der Verwaltung beschränken (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 18.11.2009 - 1 SsBs 13/09, 1 Ss Bs 13/09 - SVR 2011, 71). Denkbar wäre auch, das Opportunitätsprinzip anzuwenden, um eine unbillige Härte für den Einziehungsbeteiligten zu vermeiden (BayObLG, Beschl. v. 19.06.1997 - 3 ObOWi 60/97 - NStZ-RR 1997, 339).
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