A. Einleitung
Die rechtliche Durchdringung des Kryptowährungsmarkts steckt auch über einem Jahrzehnt nach seiner Etablierung gleichsam noch in den Kinderschuhen. Hinsichtlich der zivilrechtlichen Einordnung des Phänomens der blockchainbasierten Kryptowährungen fehlt es nach wie vor an einer einheitlichen Rechtsauffassung, lediglich steuerrechtliche und strafrechtliche Zusammenhänge werden seit längerem intensiver diskutiert. Mit der vorliegenden Entscheidung des LG Hamburg sind Kryptowerte in Form von Bitcoins im Bereicherungsrecht angelangt. Der Ausgangsfall betraf nicht nur das Zwei-Personen-Verhältnis zwischen Sender und Empfänger von Bitcoin-Einheiten, vielmehr war – horribile dictu – ein Drei-Personen-Verhältnis zu beurteilen, was die Rechtsfindung nicht einfacher machte.
B. Ein fehlgeschlagenes Kryptowährungsinvestment
Der Fall zeichnet ein aussagekräftiges Bild von dem schillernden Markt der Kryptowährungen. Der Kläger mit Wohnsitz in der Schweiz wurde im Jahr 2018 von Repräsentanten der schweizerischen G. S. GmbH (künftig: GmbH) für die Beteiligung an einem „Initial Coin Offering“ (ICO) geworben, mit dem eine neue Kryptowährung insbesondere zur Bezahlung von Wetteinsätzen im Zusammenhang mit Computerspielen am Markt platziert werden sollte. Der Geschäftsführer der GmbH räumte dem Kläger nicht nur einen „Discount“ von 80% des Investitionsbetrags ein, sondern versprach darüber hinaus, die auszugebenden Kryptowerte zu einem Festpreis binnen 30 Tagen nach Listung an einer Börse zurückzunehmen. Der Kläger nahm das Angebot an und verpflichtete sich, den Betrag von 100.000 US-Dollar zu investieren.
Die GmbH hatte die in Deutschland ansässige Beklagte am 04.09.2018 mit Dienstleistungen für den „Token Sale“ beauftragt und hierfür eine sofort fällige Vergütung i.H.v. 100.000 US-Dollar versprochen, die im Gegenwert von 60.000 und 40.000 gestückelt in Form von Bitcoins auf zwei Wallet-Adressen der Beklagten erfolgen sollte. Am selben Tag bat der Geschäftsführer der GmbH den Kläger, seine Einlage in Bitcoins in derselben Stückelung auf eben diese Wallets zu übertragen. Der Kläger kam dieser Aufforderung nach. Weder er noch die Beklagte wussten im Zeitpunkt der Transaktion voneinander. Zu der projektierten ICO kam es jedoch nicht, vielmehr wurde das über das Vermögen der GmbH eröffnete Konkursverfahren im Jahr 2022 wegen Masselosigkeit eingestellt.
Der Kläger fordert von der Beklagten Herausgabe bzw. Rückübertragung der Bitcoins aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Das LG Hamburg wies die Klage ab. Eine Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB gegen die Beklagte scheitere schon an dem Fehlen einer Leistung des Klägers an die Beklagte. Die Beklagte habe vielmehr nach ihrem Empfängerhorizont davon ausgehen dürfen, die Leistung ihres Vertragspartners (GmbH) zu erhalten, da aufgrund der „Anonymität“ der Bitcoin-Transfers für die Beklagte kein Anhaltspunkt für eine Leistung des Klägers sprach. Auch habe der Kläger nicht als Dritter gemäß § 267 BGB an die Beklagte geleistet.
Vielmehr liege ein „sog. Anweisungsfall“ vor, weil der Kläger mit dem Transfer der Werteinheiten eine eigene Einlageverpflichtung gegenüber der GmbH und diese wiederum ihre Zahlungsverpflichtung gegenüber der Beklagten erfüllen wollte. In einem solchen Fall vollziehe sich der Bereicherungsausgleich grundsätzlich innerhalb der jeweiligen fehlerhaften Leistungsbeziehung. Damit scheide eine Direktkondiktion des zur Übertragung angewiesenen Klägers bei der Beklagten nach dem Prinzip des Vorrangs der Leistungskondiktion aus. Besonderheiten des Einzelfalls, die ausnahmsweise eine Direktkondiktion rechtfertigen würden, lägen nicht vor.
C. Leistungsvorgang bei einer Blockchain-Transaktion
Die Einordnung des technischen Transfers von Kryptowährungen wie Bitcoins als zivilrechtlicher Leistungsvorgang setzt jedenfalls ein Grundverständnis der Funktion und der Übertragung solcher Werteinheiten voraus (I.). Selbstverständlich kann die Übertragung von Bitcoins auch als Anweisungsgeschäft vorgenommen werden (II.). Allerdings erweist sich die vom LG Hamburg vorgenommene Einordnung als Anweisungsfall als nicht haltbar, weil der Drahtzieher der Transaktion die Beteiligten über die Person des Empfängers und des Senders nicht in Kenntnis gesetzt hat (III.).
I. Übertragung von Bitcoins als zivilrechtliche Leistung
Auch wenn Kryptowährungen als virtuelles Geld sich der staatlichen Reglementierung entziehen, unterliegt ihre Verwendung in der Geschäftspraxis selbstverständlich der staatlichen Rechtsordnung. Obwohl ihr Rechtsrahmen immer noch nicht definitiv geklärt ist1, kann ihr Transfer ohne Weiteres als zivilrechtliche Leistung verstanden werden.
1. Der Vorgang der Transaktion
Die privat erstellten Recheneinheiten, die als Ersatzwährung fungieren, werden in einer Reihe von nacheinander geschalteten Einträgen (sog. Blöcke) hinterlegt. Sie enthalten Informationen über ihren Bestand und ihre Zuordnung, die von jedem Teilnehmer in dem Nutzer-Netzwerk (Peer-to-Peer) einsehbar sind. Die elektronischen Werteinheiten sind dem Berechtigten durch einen öffentlichen kryptographischen Schlüssel (Inhaberkennung, ähnlich wie bei einer Kontonummer) in beliebiger Stückelung zugewiesen, sie können durch Autorisierung mit einem privaten kryptographischen Schlüssel (des Inhabers) übertragen werden. Die Eintragung funktioniert damit wie bei einem öffentlichen Register, in welchem der an den Kryptowährungseinheiten Berechtigte unter einem Pseudonym vermerkt ist2.
Die Übertragung an einen anderen öffentlichen Schlüssel erfolgt im Wege der Umbuchung durch Autorisierung des Inhabers mit dessen privatem Schlüssel, sie bedarf der Anerkennung und Bestätigung in einem Datenblock durch die anderen Teilnehmer des Bitcoin-Netzwerks und ist erst vollzogen, wenn ein Datenblock (zusammen mit anderen Transaktionen) den auf den Rechnern der Teilnehmer vorhandenen Datenblöcken von Transaktionen (Blockchain) hinzugefügt wird3.
Der öffentliche Schlüssel, welcher der Inhaberkennung dient, wird mit einer besonderen Software erstellt, ebenso auch der private Schlüssel, der den Inhaber der Recheneinheiten zur Transaktion autorisiert. Der Speicher des privaten Schlüssels heißt (Bitcoin-)Wallet. Er ermöglicht dem Nutzer nicht nur die Vornahme von Transfers, sondern auch eine (Konto-)Übersicht über sein eigenes Guthaben in Form der Token (Bitcoin-Einheiten). Bei den über die Währungseinheiten hinterlegten Informationen handelt es sich insbesondere nicht um Forderungen wie etwa beim Buchgeld der Kreditinstitute. Vielmehr wird nur eine technische Zuweisung (Berechtigung) dokumentiert.
2. Leistung und Leistungsgegenstand
Damit ist die Frage erreicht, ob und wie der Übertragungsvorgang mit dem zivilrechtlichen Tatbestandsmerkmal der Leistung zu erfassen ist, das nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung (immer noch) als bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens verstanden wird.
Mit dem Transfer ist die Übermittlung einer vermögenswerten Position verbunden, weil der Empfänger der Werteinheiten zwar anders als der Adressat einer Bankgutschrift keine Forderung, jedoch eine Berechtigung innerhalb des Netzwerks erwirbt, über die ihm nach Abschluss der Transaktion in der Blockchain zugewiesene Position zu disponieren4. Nach Bestätigung und Eintrag in die Blockchain erlangt der Empfänger mit den ihm zugewiesenen Bitcoin-Einheiten einen vermögenswerten Gegenstand, während der Übertragende (Sender der elektronischen Werteinheiten) seine Blockchain-Position verliert. Dieser gesamte technische Vorgang ist daher problemlos als Zuwendung zu identifizieren.
Als Leistung ist diese Zuwendung erst dann zu qualifizieren, wenn der Sender darüber eine Leistungszweckbestimmung trifft. Da bei einer Bitcoin-Zahlung als rein technischer Vorgang weder die Identität des Zuwendenden zu ermitteln ist noch eine Zweckbestimmung erklärt werden kann (vgl. Besprechungsentscheidung Rn. 56), kann sich die erforderliche Zweckerklärung nur aus den sonstigen Umständen im Zusammenhang mit der schuldrechtlichen Beziehung der Parteien des Übertragungsvorgangs ergeben, aus welcher der Empfänger sein Recht auf Eintragung in der Blockchain herleitet5. Diese Feststellung (Auslegung des Erklärungsverhaltens) bereitet jedoch im Zivilrechtssystem regelmäßig keine Schwierigkeit.
Wird der vom Leistenden verfolgte (Erfüllungs-)Zweck verfehlt, ist der Leistungsempfänger nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zur Rückgewähr des ungerechtfertigt Erlangten verpflichtet. Der Inhalt der Bereicherungsschuld bereitet allerdings Probleme, weil die übertragenen Bitcoin-Einheiten in der Blockchain, in welcher regelmäßig mehr als 500 Transaktionen abgelegt sind6, nicht identifiziert werden können, so dass eine gegenständliche Rückgewähr nicht möglich ist7. Der Bereicherungsschuldner ist aber verpflichtet, solange sein Token-Konto noch Werteinheiten in entsprechender Höhe ausweist, seine Berechtigung hieran zurückzutransferieren, anderenfalls schuldet er Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB8.
II. Bitcoin-Übertragung als Anweisungsgeschäft
Das LG Hamburg hat im Ergebnis zu Recht ein Leistungsverhältnis zwischen dem Sender (Kläger) und der Empfängerin (Beklagte) der Bitcoin-Einheiten verneint (1.). Es hat vielmehr angenommen, dass ein „sog. Anweisungsfall“ vorliegt, bei dem jeweils eine Leistungsbeziehung von Kläger und Beklagter zu der GmbH besteht (2.).
1. Keine Leistung im Zuwendungsverhältnis
Zunächst geht das Landgericht der Frage nach, ob der Kläger mit der Transaktion eine eigene Leistung an die Beklagte bewirkt hat. Da zwischen beiden jedoch kein Rechtsverhältnis bestand, kommt hier zunächst eine Drittleistung auf die Zahlungsverpflichtung der GmbH aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Beklagten in Betracht, § 267 BGB.
Das LG Hamburg (Besprechungsentscheidung Rn. 45) verlangt unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 27.06.2008 - V ZR 83/07 - WM 2008, 1703 Rn. 28 neben der Tilgungsbestimmung noch einen besonderen Fremdtilgungswillen des Leistenden, der jedoch in der zitierten BGH-Entscheidung nicht erwähnt wird und reichlich pleonastisch wirkt. Der Fremdtilgungswille ist ohnehin rechtlich nur relevant, wenn er in der entsprechenden (Erfüllungs-)Zweckbestimmung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Daran fehlt es im Streitfall, weil der Kläger als Sender der Token im Zeitpunkt der Datenübermittlung weder von dem tatsächlichen Empfänger noch von dessen Forderung gegen die GmbH Kenntnis hatte. Bei dieser Sachlage ist eine Drittleistung denknotwendig ausgeschlossen. Der Kläger hat den zur Übertragung der Bitcoins erforderlichen Realakt ohne rechtsgeschäftliche Erklärung gegenüber der Beklagten vorgenommen.
Für die weitere Überlegung des Landgerichts (Besprechungsentscheidung Rn. 47 f.), dem Kläger könnte ein Anspruch aus Leistungskondiktion zustehen, wenn er (als Putativschuldner) zur Erfüllung einer eigenen Forderung an die Beklagte geleistet hätte, besteht bei dem vorliegenden Sachverhalt jedoch ebenfalls von vornherein kein Grund. Nichts deutet auf eine solche Zweckbestimmung des Klägers hin, die nicht einmal er selbst behauptet. Für die Beklagte bestand kein Anhalt für eine Eigenleistung des ihr unbekannten Klägers. Sie konnte den Transfer der Bitcoins, wie von dem Geschäftsführer der GmbH beabsichtigt, nur als Leistung ihrer Vertragspartnerin (GmbH) verstehen.
2. Anweisungsleistung
Fehlt es danach an einer Zweckbestimmung des Klägers im Zuwendungsverhältnis zur Beklagten, scheidet mangels einer Leistung eine Leistungskondiktion aus. Die zweckneutrale („abstrakte“) Zuwendung könnte aber als Grundlage einer Leistung kraft Anweisung auf die jeweilige Schuldrechtsbeziehung der Parteien zu der GmbH dienen, was das Landgericht im Streitfall bejaht. Die hierfür gegebene Begründung ist im Folgenden zu würdigen.
a) Insuffizienz des bloßen Leistungswillens
Das LG Hamburg lässt es unter Hinweis auf die Entscheidung BGH, Urt. v. 05.11.2020 - I ZR 193/19 - BKR 2021, 516 = WM 2021, 383 Rn. 22 und 26 für das Vorliegen einer Anweisung genügen, dass der Kläger auf „Zuruf“ der GmbH der Beklagten eine Vermögensposition in der Blockchain zugewendet hat und diese Zuwendung der Erfüllung zweier Verbindlichkeiten dient. Allein der Leistungswille des Angewiesenen und des Anweisenden sei hierfür nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung entscheidend: Der Angewiesene wolle eine eigene Verbindlichkeit gegenüber dem Anweisenden im Deckungsverhältnis erfüllen, während der Anweisende seine Leistungsverpflichtung gegenüber dem Zuwendungsempfänger im Valutaverhältnis erfüllen wolle, während im Zuwendungsverhältnis des Angewiesenen zum Empfänger „kein Rechtsverhältnis“ bestehe.
Diese konstitutiven Voraussetzungen bejaht das Landgericht im Streitfall, nachdem der Kläger nur seine eigene Einlageverpflichtung gegenüber der GmbH erfüllen wollte und ein anderer Leistungswille schon mangels Kenntnis des Klägers von weiteren Rechtsverhältnissen ausscheide. Die GmbH wiederum habe durch die Anweisung ihre Zahlungsverpflichtung gegenüber der Beklagten erfüllen wollen, was sich insbesondere daraus ergebe, dass die Zahlungsanweisung an den Kläger mit der schuldrechtlichen Zahlungsverpflichtung der GmbH in zwei unterschiedlichen Tranchen korrespondiere.
Damit verlangt das Landgericht für ein wirksames Anweisungsgeschäft nicht mehr als das Vorliegen von zwei Leistungsverpflichtungen, die nach dem Willen der Schuldner durch eine einzige Zuwendung getilgt werden sollen. Das greift jedoch zu kurz, weil damit das Wesen und die rechtsgeschäftliche Dimension der Anweisung verfehlt werden (vgl. dazu unter III.). Der bloße Leistungswille vermag weder den Leistungsempfänger zu bestimmen noch ein Leistungsverhältnis zu begründen. Vielmehr setzt das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Leistung voraus, dass im Deckungs- und Valutaverhältnis der Leistungswille nicht nur erklärt wird (Leistungszweckbestimmung), sondern dass der Leistende (Schuldner) das Vermögen seines Gläubigers auch tatsächlich vermehrt.
Das Landgericht fragt jedoch nicht mehr nach dem Gegenstand der Leistung des Klägers im Deckungsverhältnis und nach dem Leistungsinhalt im Valutaverhältnis. Damit befindet es sich im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die dieser Frage bei Anweisungslagen auch nicht weiter nachgeht, sondern im Deckungs- und Valutaverhältnis eine Leistung im Rechtssinne durch bloße Zurechnung annimmt. So lässt der BGH (in anderem Zusammenhang) für eine Leistungsbeziehung die bloße „Zweckbestimmung“ genügen, in das Vermögen des Empfängers „leisten zu wollen“9.
Der mögliche Leistungsempfang in beiden Schuldrechtsverhältnissen spielt auch im Schrifttum allenfalls eine untergeordnete Rolle, wo man sich regelmäßig damit begnügt, die Zuwendung des Angewiesenen als Leistung im Rechtssinne den Schuldrechtsbeziehungen der Beteiligten lediglich „gedanklich“ zuzuordnen10.
b) Das Tatbestandsmerkmal der Leistung im Anweisungsrecht
Auch der normativ verstandene Leistungsbegriff (vgl. Besprechungsentscheidung Rn. 48) erlaubt es nicht, im Wege der freien Wertung festzulegen, zwischen welchen Personen eine Zuwendung als Leistung zu gelten hat. Das objektive Tatbestandsmerkmal des Leistungsbegriffs stellt den Richter nicht von der Feststellung frei, ob und wie das Vermögen des Leistungsempfängers konkret vermehrt worden ist. Daher ist auch bei Anweisungslagen der Frage nachzugehen, was der Leistungsempfänger empfangen hat.
Antworten hierauf finden sich in der Rechtsprechung nicht und im Schrifttum auch nur vereinzelt. Die Frage nach dem Leistungsgegenstand ist für das Deckungsverhältnis dahin zu beantworten, dass dem Anweisenden vom Angewiesenen die Dispositionsbefugnis über dessen Zuwendung an den Anweisungsbegünstigten eingeräumt wird, was ihn in die Lage versetzt, im Valutaverhältnis gegenüber seinem Gläubiger den Erfüllungszweck zu verfolgen. Damit erhält der Anweisende eine vermögenswerte Position, weil er die Zuwendung aus fremdem Vermögen wie eine eigene Zuwendung gegenüber dem Anweisungsempfänger nutzen und damit als der eigentlich Leistende auftreten kann11.
Das setzt aber in jedem Fall voraus, dass der Angewiesene seine Zuwendung der Zweckbestimmung des Anweisenden im Valutaverhältnis unterordnet12 und nicht selbst eine Leistungszweckbestimmung gegenüber dem Empfänger trifft. Die „abstrakte“, das heißt die zweckneutrale Rechtsbeziehung zwischen dem Angewiesenen und dem Anweisungsempfänger ist notwendige Voraussetzung der Umleitung der Leistung auf das Deckungs- und das Valutaverhältnis13.
Der Vermögenswert der dem Anweisenden zur Zwecksetzung zugeleiteten Zuwendung deckt sich mit dem Gegenstandswert der Güterbewegung selbst. Deshalb lässt sich der Anweisende im Verhältnis zum Angewiesenen auch so behandeln, als sei ihm der Anweisungsgegenstand selbst zugewendet worden14.
Aus der mit der rechtsgeschäftlichen Anweisung vom Anweisenden intendierten Doppelwirkung der anweisungsgemäßen Zuwendung erklärt sich auch der Leistungsgegenstand im Valutaverhältnis. Der Anweisende steht hier gegenüber dem Empfänger so, als ob er die Vermögensverschiebung unmittelbar selbst bewirkt hätte. Es liegt daher nicht anders als bei der Geheißübergabe im Mobiliarsachenrecht, wo die bloße Dispositionsbefugnis des Veräußerers über den Besitz dem realen Besitz im Übertragungstatbestand des § 929 Satz 1 BGB gleichgewertet wird15.
III. Keine Anweisung im Streitfall
Hätte sich das Landgericht an dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal der Leistung orientiert und sich die Frage nach dem Leistungsgegenstand in den prospektiven Leistungsbeziehungen vorgelegt, wäre es unmittelbar zur Erkenntnis gelangt, dass ein Anweisungsfall nicht vorliegt.
Denn aufgrund der Besonderheit des Sachverhalts kann von einer Anweisungsleistung nicht die Rede sein. Der Geschäftsführer der GmbH hat vielmehr die Transaktion raffiniert hinter dem Rücken von Kläger und Beklagter durch Aufteilung des Zahlungsbetrags in zwei Tranchen eingefädelt. Über den Grund für diese Vorgehensweise mag man spekulieren, es dürfte jedoch kein seriöser gewesen sein. Im Klägervortrag war die Rede von Steuerhinterziehung.
In jedem Fall spielte der Vertreter der „Anweisenden“ (GmbH) nicht mit offenen Karten, was zur Folge hat, dass es völlig außerhalb der Vorstellung und des Erklärungsbewusstseins des Klägers lag, die Bitcoin-Zahlung der GmbH zur Zweckbestimmung gegenüber der Beklagten zu überlassen, das heißt zuzuleiten. Der anweisungstypische Zusammenhang einer doppelten Güterbewegung im Deckungs- und Valutaverhältnis ist dem Kläger jedenfalls nicht bewusst gewesen. Auch die Beklagte war (nach den Feststellungen des Landgerichts) nicht eingeweiht, so dass es für die spezifische Doppelwirkung einer anweisungsgemäßen Leistung bereits an einem übereinstimmend erklärten rechtsgeschäftlichen Willen aller Beteiligten mangelt. Daher fehlt es an der für eine Anweisung erforderlichen Umleitung der Leistung, die eine Willensübereinstimmung aller am Anweisungsvorgang Beteiligten voraussetzt.
Es ist diese rechtliche Natur des Anweisungsgeschäfts, die der beliebigen Konstruktion von anweisungsgemäßen Leistungen entgegensteht. Der Lehre von der Anweisung liegt die grundsätzliche Entscheidung des BGB-Gesetzgebers von der Doppelermächtigung zugrunde, wonach der Anweisungsempfänger ermächtigt ist, die Leistung bei dem Angewiesenen zu erheben, während dieser ermächtigt wird, die Leistung für Rechnung des Anweisenden an den Empfänger zu bewirken16. Schon deshalb kann der Annahme des Landgerichts, es liege im Streitfall eine Leistung kraft Anweisung vor, nicht gefolgt werden. Das verkennen die Rezensenten der Entscheidung, die einen – vom Landgericht zutreffend beurteilten – juristischen Schulfall des Anweisungsrechts erkennen17.
Gleichwohl kann der Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis zugestimmt werden. Eine Durchgriffskondiktion findet nicht statt. Die GmbH hat sich die Dispositionsbefugnis über die Zuwendung des Klägers gegenüber der Beklagten selbst verschafft und sich gleichsam selbst ermächtigt, die Vermögensverschiebung als eigene Tilgungsleistung zu nutzen. Deshalb gilt auch hier analog zu Überweisungsvorgängen: Wer einen anderen zu einer Umbuchung innerhalb einer Blockchain an eine bestimmte Wallet-Adresse auffordert, über die er keine Berechtigung hat, muss die Vermögensverschiebung so gegen sich gelten lassen, als wäre er der Empfänger des Bitcoin-Transfers. Die angegebene Zieladresse fungiert in diesem Fall gleichsam als bloße Zahlstelle18.
Allerdings ist ein Anspruch des Klägers gegen die GmbH aus Leistungskondiktion ohnehin ausgeschlossen, da die Leistung mit Rechtsgrund erfolgt ist. Der vom Kläger verfolgte Erfüllungszweck wird erreicht, weil und solange seine Einlageverpflichtung gegenüber der GmbH besteht. In dem Scheitern des ICO-Projekts hat sich lediglich das Risiko des Investments verwirklicht. Das ist jedoch noch kein Grund für eine Bereicherungshaftung der GmbH.
D. Anweisungsfigur als Instrument der Zurechnung
Ob sich der Ausgangsfall als Prüfungsaufgabe für Examenskandidaten eignet (Stichwort: Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis)19, darf bezweifelt werden, weil die GmbH die Vermögensverschiebung ohne Wissen der Beteiligten im Hintergrund gesteuert hat, so dass ein Sonderfall vorliegt, der eine differenzierte rechtliche Bewertung erfordert.
Es vermag aber nicht zu überraschen, dass die Zivilrechtsordnung Bitcoin-Zahlungen auch im Fall einer Anweisung auf Schuld ohne Schwierigkeiten erfassen kann. Vielmehr erstaunt nur der unreflektierte Rückgriff des LG Hamburg auf das Rechtsinstitut der Anweisung, das als fungibles Zurechnungsinstrument verstanden und eingesetzt wird. Kritik daran verdient weniger das Landgericht als vielmehr der BGH, auf dessen Rechtsprechung sich das Landgericht bezieht. Der BGH meinte seinerzeit, mit Einführung des zweckbestimmten Leistungsbegriffs die Freiheit zur Beurteilung von Leistungsvorgängen mit Drittbeziehungen gewonnen zu haben, ohne auf das objektive Merkmal des Leistungsbegriffs (Vermögensvermehrung) Rücksicht nehmen zu müssen. Diese Auffassung wurde seitdem nicht mehr korrigiert20.
Damit lässt die Rechtsprechung, wie zu Recht beklagt wird, eine normengeleitete Rechtsanwendung vermissen21. Das Anweisungsrecht erscheint als beliebige Rechtsfigur, die bei Scheitern einer Leistungsbeziehung zur bereicherungsrechtlichen Lösung bemüht wird. So soll etwa die Forderungsabtretung zugleich im „bereicherungsrechtlichen Sinne“ als Anweisung des Zedenten an seinen Schuldner gelten, die Leistung an den Zessionar zu erbringen22. Selbst die Barabhebung am Bankschalter hat der BGH unter Anweisungsregeln gebracht23. Weshalb die Anweisungsfigur auf die Rechtsprechung eine solche Anziehungskraft ausübt, ist und bleibt rätselhaft.