juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BVerwG 9. Senat, Urteil vom 21.11.2023 - 9 A 11/21
Autor:Rosanna Sieveking, Ri'inBVerwG
Erscheinungsdatum:08.04.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 42 VwGO, § 88 FlurbG, § 89 FlurbG, Art 14 GG, § 19 FStrG, § 87 FlurbG, § 100 VwGO, § 99 VwGO
Fundstelle:jurisPR-BVerwG 7/2024 Anm. 1
Herausgeber:Verein der Bundesrichter bei dem Bundesverwaltungsgericht e.V.
Zitiervorschlag:Sieveking, jurisPR-BVerwG 7/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss wegen Einbeziehung in die Unternehmensflurbereinigung



Leitsätze

1. Ein straßenrechtlicher Planfeststellungsbeschluss entfaltet nicht nur enteignungsrechtliche Vorwirkungen bezüglich der Grundstücke, die für die Trasse oder Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen unmittelbar in Anspruch genommen werden, sondern löst auch mittelbar eine eigentumsrechtliche Betroffenheit gegenüber denjenigen Personen aus, deren Grundstücke in das Unternehmensflurbereinigungsverfahren einbezogen sind (Flurbereinigungsbetroffene).
2. Die Rügebefugnis eines Flurbereinigungsbetroffenen unterliegt vergleichbaren Einschränkungen wie diejenige eines unmittelbar Grundstücksbetroffenen. Sie erstreckt sich auf alle Rügen, die geeignet sind, das konkrete Vorhaben als solches und seine Realisierbarkeit ernsthaft in Frage zu stellen; demgegenüber sind Fehler, die ggf. in einem ergänzenden Verfahren beseitigt werden können, nicht kausal für den drohenden Zugriff auf das konkrete Eigentum und somit nicht rügefähig.



A.
Problemstellung
Des einen Freud, des anderen Leid – was für so viele Bereiche des Lebens gilt, taugt auch zur Beschreibung des vielfältigen Interessengeflechts, wenn es um den Neu- und Ausbau von Straßen, insbesondere von Bundes(fern)straßen geht. Während die einen auf mehr Mobilität, bessere Erreichbarkeit, Zeitgewinn und die Entlastung untergeordneter Straßennetze hoffen, sorgen sich andere um Natur- und Klimaschutz oder haben Angst vor steigendem Verkehrslärm oder einer drohenden Enteignung. Das Spektrum potenzieller Kläger gegen einen straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluss ist vielfältig und reicht von denjenigen, denen zur Ermöglichung des Trassenbaus oder begleitender Maßnahmen der Verlust von Grundstücken droht, über mittelbar insbesondere durch Lärm, Erschütterung oder sonstige Immissionen Betroffene und über Kommunen, die ihre Planungen und Entwicklungsmöglichkeiten beeinträchtigt sehen, bis zu Umwelt- und Naturschutzverbänden. Einen Verlust von Grundeigentum müssen aber nicht nur diejenigen Eigentümer befürchten, deren Grundstücke unmittelbar durch das Vorhaben in Anspruch genommen werden sollen, sondern mittelbar auch diejenigen, deren Grundstücke in ein zugunsten des Vorhabens angeordnetes Unternehmensflurbereinigungsverfahren einbezogen worden sind. Mit dem Umfang der Klage- und insbesondere Rügebefugnis dieser „Flurbereinigungsbetroffenen“ hat sich nun das BVerwG erstmals ausführlich beschäftigt.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Streitgegenstand ist der Planfeststellungsbeschluss für einen Teilabschnitt des Neubaus der Bundesautobahn A 49. Der Planfeststellungsbeschluss wurde am 30.05.2012 erlassen und in der Folgezeit mehrfach geändert und ergänzt, zuletzt im November 2022 durch einen wasserrechtlichen Bescheid, mit dem die anlässlich des Planfeststellungsbeschlusses erteilten wasserrechtlichen Erlaubnisse mit Nebenbestimmungen versehen wurden. Im Jahr 2017 wurde das Unternehmensflurbereinigungsverfahren Homberg (Ohm) A 49 angeordnet, um den durch die Realisierung des Vorhabens entstehenden Landverlust auf einen größeren Kreis von Eigentümern zu verteilen. Der Kläger ist Eigentümer landwirtschaftlicher Nutzflächen, die von dem planfestgestellten Vorhaben zwar nicht in Anspruch genommen werden, aber in das Flurbereinigungsverfahren einbezogen worden sind. Mit seiner Klage will er die vollständige bzw. teilweise Rücknahme oder Außervollzugsetzung des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses einschließlich der begleitenden wasserrechtlichen Entscheidungen erreichen. Er beruft sich auf die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses insbesondere aus wasserrechtlichen und denkmalschutzrechtlichen Gründen und macht geltend, er habe als Teilnehmer der Unternehmensflurbereinigung eine Enteignung insbesondere in Gestalt eines Landabzugs nach § 88 Nr. 4 FlurbG zu tragen und müsse dafür nur eine in jeder Hinsicht rechtlich zulässige Enteignung dulden.
II. Das BVerwG hat eine Klagebefugnis des Klägers nach § 42 Abs. 2 VwGO bejaht, die Klage aber wegen fehlender Rügebefugnis als unbegründet abgewiesen.
1. In Bezug auf die Klagebefugnis hat das Gericht auf die Rechtsprechung des Senats verwiesen, wonach derjenige, dessen Grundstück in ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren einbezogen worden ist, grundsätzlich Einwendungen gegen den Planfeststellungsbeschluss erheben und gegen diesen klagen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.06.2017 - 9 C 4/16 Rn. 27 - BVerwGE 159, 104; BVerwG, Urt. v. 02.07.2020 - 9 A 8/19 Rn. 29 m.w.N. - BVerwGE 169, 78). Damit ist es nicht offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass dem Kläger als Teilnehmer des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens Homberg (Ohm) A 49 auch ein Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses oder jedenfalls auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Rücknahmeantrag zustehen kann.
2. Den auf § 48 HVwVfG gestützten Anspruch des Klägers auf (vollständige oder teilweise) Rücknahme oder Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses hat das BVerwG mangels Rechtsverletzung des Klägers verneint. Es hat insoweit betont, dass der Anspruch eines Dritten auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber nicht weiter gehen kann als der Aufhebungsanspruch bei fristgerechter Anfechtung und daher neben der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses voraussetzt, dass dadurch gerade ein Recht des Dritten verletzt wird (BVerwG, Urt. v. 28.04.2016 - 4 A 2/15 Rn. 26 - BVerwGE 155, 81; BVerwG, Urt. v. 23.06.2020 - 9 A 23/19 Rn. 37 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr 77). Vorliegend lässt sich jedoch weder aus der geltend gemachten Verletzung von Vorschriften des Wasserrechts oder des Denkmalschutzrechts noch aus der eigentumsrechtlichen Betroffenheit infolge der Einbeziehung in das Unternehmensflurbereinigungsverfahren eine Rechtsverletzung des Klägers und damit seine Rügebefugnis ableiten.
a) In Bezug auf das Wasserrecht hat der Senat an seiner Rechtsprechung festgehalten, wonach sich auf objektive Verstöße gegen die Ziele des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots und Verbesserungsgebots – neben Umweltverbänden – nur der Kreis der unmittelbar Betroffenen berufen kann, zu dem diejenigen Personen zählen, deren rechtmäßige Nutzung des Gewässers durch die gerügte Verletzung beeinträchtigt werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.11.2020 - 9 A 5/20 Rn. 43 ff. - BVerwGE 170, 378 unter Bezugnahme auf EuGH, Urt. v. 28.05.2020 - C-535/18 Rn. 123 ff.); dies trifft auf den Kläger nicht zu.
b) Zur gerügten Nichtberücksichtigung der Denkmaleigenschaft eines Kulturdenkmals hat das Gericht darauf verwiesen, dass das Hessische Denkmalschutzgesetz keine drittschützende Wirkung hat und die Wahrung der Belange des Denkmalsschutzes als eine öffentliche Aufgabe der zuständigen Denkmalschutzbehörde obliegt, weshalb die Denkmalschutzwürdigkeit nicht als eigener berücksichtigungsfähiger Privatbelang im Rahmen der fachplanerischen Abwägung eines Planfeststellungsbeschlusses geltend gemacht werden kann (vgl. BVerwG, Gerichtsbesch. v. 03.06.2003 - 9 A 60/02 Rn. 17; zum hessischen Landesrecht auch VGH Kassel, Urt. v. 07.01.1986 - 2 UE 2855/84 - NVwZ 1986, 680, 682).
c) Auch eine Rügebefugnis des Klägers aus seiner eigentumsrechtlichen Betroffenheit infolge der Einbeziehung seiner Grundstücke in das Unternehmensflurbereinigungsverfahren hat das BVerwG verneint.
aa) Das Gericht hat sich zunächst mit der Qualität der eigentumsrechtlichen Betroffenheit von Teilnehmern eines Flurbereinigungsverfahrens im Zusammenhang mit einem Planfeststellungsbeschluss befasst: Die Unternehmensflurbereinigung nach § 87 FlurbG ist eine Maßnahme der Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG, die darauf gerichtet ist, dem Unternehmensträger die Grundstücke zu beschaffen, die zur Verwirklichung eines im öffentlichen Interesse liegenden Vorhabens benötigt werden. Sie führt zum Entzug von Eigentumspositionen, weil die Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens ihre Grundstücke ganz oder teilweise verlieren und – nach Abzug der für das Unternehmen benötigten Flächen – eine Landabfindung gleichen Werts oder eine Entschädigung erhalten (§§ 88 Nr. 4 und 5, 89 FlurbG). Aus dem fremdnützigen Zugriff auf das einzelne Grundstück folgt die enteignungsrechtliche Qualität der Maßnahme, denn die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sichert den konkreten Bestand in der Hand des einzelnen Eigentümers; ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, ob und in welchem Umfang eine Landabfindung stattfindet und ob ggf. eine gleichwertige Landabfindung ohne Flächenabzug erfolgt (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.03.1987 - 1 BvR 1046/85 - BVerfGE 74, 264, 279 ff. zur städtebaulichen Unternehmensflurbereinigung; BVerwG, Urt. v. 29.01.2009 - 9 C 3/08 Rn. 17 - BVerwGE 133, 118). Bereits die Einleitung der Unternehmensflurbereinigung entfaltet eine enteignungsrechtliche Vorwirkung, weil damit abschließend und für das weitere Verfahren verbindlich über die Verwirklichung des Vorhabens unter Inanspruchnahme fremden Eigentums entschieden wird (BVerfG, Urt. v. 24.03.1987 - 1 BvR 1046/85 - BVerfGE 74, 264, 282; BVerwG, Urt. v. 01.06.2017 - 9 C 4/16 Rn. 21 - BVerwGE 159, 104).
Maßgebend für die (zukünftige) Enteignung ist der Planfeststellungsbeschluss, mit dessen Unanfechtbarkeit oder Vollziehbarkeit die Enteignung im Unternehmensflurbereinigungsverfahren zulässig wird (§ 19 Abs. 1 Satz 2 FStrG, vgl. Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 87 Rn. 4; Dünchheim in: Marschall, FStrG, 6. Aufl. 2012, § 19 Rn. 9) und der gemäß § 19 Abs. 2 FStrG dem Enteignungsverfahren zugrunde zu legen und für die Enteignungsbehörde bindend ist. Der Planfeststellungsbeschluss stellt damit auch die Grundlage für die enteignungsrechtlichen (Vor-)Wirkungen des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens dar. Er entfaltet nicht nur selbst enteignungsrechtliche Vorwirkungen bezüglich der Grundstücke, die für die Trasse oder Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen unmittelbar in Anspruch genommen werden, sondern löst auch mittelbar eine eigentumsrechtliche Betroffenheit gegenüber denjenigen Personen aus, deren Grundstücke in das Unternehmensflurbereinigungsverfahren einbezogen sind (vom BVerwG bezeichnet als Flurbereinigungsbetroffene).
bb) Aus der – mittelbaren – eigentumsrechtlichen Betroffenheit folgt allerdings nicht, dass der Kläger als Flurbereinigungsbetroffener die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses uneingeschränkt als Verletzung eigener Rechte geltend machen kann. Entscheidend für das BVerwG ist dabei die Überlegung, dass die Rügebefugnis des Flurbereinigungsbetroffenen nicht weiter gehen kann als die der unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümer.
In Bezug auf Kläger, deren Grundeigentum durch eine straßenrechtliche Planfeststellung unmittelbar in Anspruch genommen wird, ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt, dass sie zwar grundsätzlich einen Anspruch auf umfassende gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses haben, dieser sogenannte Vollüberprüfungsanspruch aber Beschränkungen unterliegt, die den Umfang der Begründetheitsprüfung eingrenzen. Danach hat eine Anfechtungsklage keinen Erfolg, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für die Eigentumsbetroffenheit des Klägers nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein als verletzt geltend gemachter öffentlicher Belang nur von örtlicher Bedeutung ist und auch seine fehlerfreie Beachtung nicht zu einer Veränderung der Planung im Bereich des klägerischen Grundstücks führen würde oder wenn behauptete Mängel des Beschlusses durch schlichte Planergänzung – etwa durch Schutzmaßnahmen oder kleinräumige Trassenverschiebungen ohne Auswirkungen auf den Trassenverlauf in Höhe der enteignungsbetroffenen Grundstücke – behoben werden können. Auch umfasst das Recht des Enteignungsbetroffenen, sich gegen eine vermeintlich nicht dem Allgemeinwohl dienende Inanspruchnahme seines Eigentums zu wenden, grundsätzlich nicht die Befugnis, sich zum Sachwalter von Rechten zu machen, die nach der Rechtsordnung bestimmten anderen Rechtsinhabern zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung und Konkretisierung zugewiesen sind (st.Rspr., vgl. nur BVerwG, Urt. v. 03.11.2020 - 9 A 12/19 Rn. 27 m.w.N. - BVerwGE 170, 33). In Bezug auf die Rücknahme eines Planfeststellungsbeschlusses bedeutet dies, dass nur solche Rechtsfehler, die von der Rügebefugnis umfasst sind, auch geeignet sind, einen Anspruch auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses zu begründen.
Nach den Überlegungen des BVerwG müssen vergleichbare Einschränkungen auch – und erst recht – dann gelten, wenn die Eigentumsbetroffenheit nicht unmittelbar durch die enteignungsrechtlichen Vorwirkungen des Planfeststellungsbeschlusses selbst, sondern mittelbar durch die Einbeziehung von Grundstücken in ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren ausgelöst wird; die bloße Flurbereinigungsbetroffenheit kann insoweit keine umfassenderen Rechte gegenüber dem Planfeststellungsbeschluss eröffnen. Auch in diesem Fall kann die Klage keinen Erfolg haben, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für die Betroffenheit des Klägers nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist.
Ausgangspunkt für die Bestimmung, was in diesem Sinne „kausal“ ist, ist für das Gericht die oben beschriebene Qualität der eigentumsrechtlichen Betroffenheit der Teilnehmer eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens. Diese Betroffenheit besteht unabhängig vom Umfang einer etwaigen Landabfindung darin, dass der jeweilige Teilnehmer das Eigentum an den konkret in das Verfahren eingebrachten Grundstücken verlieren wird. Diese drohende Enteignung kann er nur abwenden, wenn er den Planfeststellungsbeschluss als Grundlage und Zulässigkeitsvoraussetzung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens beseitigt. Wird das Planfeststellungsverfahren eingestellt, soll nach § 87 Abs. 3 Satz 1 FlurbG auch das Unternehmensflurbereinigungsverfahren eingestellt werden.
Erheblich für die Eigentumsbetroffenheit wegen der Einbeziehung in das Flurbereinigungsverfahren sind daher alle Einwendungen, die den Planfeststellungsbeschluss insgesamt zu Fall bringen können. Die Rügebefugnis des Flurbereinigungsbetroffenen erstreckt sich mithin auf alle Einwände, die geeignet sind, das konkrete Vorhaben als solches und seine Realisierbarkeit ernsthaft in Frage zu stellen. Demgegenüber sind Fehler, die (ggf. in einem ergänzenden Verfahren) beseitigt werden können, nicht kausal für den drohenden Zugriff auf das konkrete Eigentum und somit nicht rügefähig. Dies gilt selbst dann, wenn sie eine Umplanung erforderlich machen sollten. Denn auch in diesem Fall ändert sich nichts daran, dass der Betroffene im Ergebnis mit der Ausführung des Vorhabens und der Durchführung des begleitenden Unternehmensflurbereinigungsverfahrens und damit auch mit dem Entzug seiner Eigentumsposition rechnen muss. Die Eröffnung einer Rechtsschutzmöglichkeit gegen den Planfeststellungsbeschluss soll dem von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung der Unternehmensflurbereinigung Betroffenen die Möglichkeit geben, den künftig drohenden Zugriff auf sein Eigentum endgültig abzuwehren, und ihm nicht lediglich einen Zeitaufschub einräumen.
Auf dieser Grundlage hat das BVerwG die einzelnen Einwendungen des Klägers geprüft und eine Rügebefugnis im konkreten Fall verneint. Denn die Klage stützte sich ausschließlich auf Gründe für die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses, die keinen Bezug zu der Betroffenheit des Klägers durch das Flurbereinigungsverfahren hatten und den drohenden Zugriff auf sein Eigentum nicht beeinflussen konnten, weshalb das BVerwG die Frage, ob der Planfeststellungsbeschluss aus den geltend gemachten Gründen tatsächlich rechtswidrig war, im Ergebnis dahinstehen lassen konnte.


C.
Kontext der Entscheidung
Das Urteil fügt sich ein in eine Reihe von Entscheidungen, die den – auch hier wieder streitgegenständlichen – südlichen Abschnitt der A 49 mit dem Anschluss an die A 5 betreffen. Die von zwei Umweltvereinigungen gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 30.05.2012 erhobene Klage wurde vom BVerwG bereits im Jahr 2014 als unbegründet abgewiesen (BVerwG, Urt. v. 23.04.2014 - 9 A 25/12 - BVerwGE 149, 289). Im Jahr 2019 klagten eine der Umweltvereinigungen sowie eine Privatperson auf Außervollzugsetzung des Planfeststellungsbeschlusses im Wege der Rücknahme bzw. des Widerrufs und machten eine unzureichende wasserrechtliche Prüfung geltend. Diese Klagen wies das BVerwG im Juni 2020 ab (BVerwG, Urt. v. 23.06.2020 - 9 A 22/19 - BVerwGE 168, 368 und BVerwG, Urt. v. 23.06.2020 - 9 A 23/19 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr 77; vgl. dazu Sieveking, jurisPR-BVerwG 1/2021 Anm. 4). Der Senat stellte damals fest, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 30.05.2012 rechtswidrig war, weil er den Anforderungen an die Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots und Verbesserungsgebots nicht gerecht wurde. Eine Aussetzung der Vollziehung zur Durchführung eines ergänzenden Verfahrens wurde aber wegen der rechtlichen Selbstständigkeit der wasserrechtlichen Entscheidungen und der Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung der erteilten wasserrechtlichen Erlaubnisse für nicht erforderlich gehalten. Ebenfalls im Jahr 2019 erhob auch der hiesige Kläger zusammen mit weiteren Familienangehörigen eine Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss und berief sich auf seine Betroffenheit wegen der Einbeziehung in das Unternehmensflurbereinigungsverfahren. Diese Klage wurde im Sommer 2020 als unzulässig abgewiesen unter Hinweis auf den Zeitpunkt der Klageerhebung und den Ablauf etwaiger Klagefristen (BVerwG, Urt. v. 02.07.2020 - 9 A 8/19 - BVerwGE 169, 78; vgl. dazu auch Bick, jurisPR-BVerwG 24/2020 Anm. 4). Die vorliegende Entscheidung knüpft hinsichtlich der Rücknahmekonstellation an die Urteile des Senats vom 23.06.2020 und in Bezug auf die Geltendmachung einer Flurbereinigungsbetroffenheit an das Urteil vom 02.07.2020 an und führt die Rechtsprechung des Senats zu beiden Konstellationen zusammen.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil erweitert und konkretisiert die bisher diskutierten Rechtschutzmöglichkeiten von Flurbereinigungsbetroffenen. Seit einigen Entscheidungen des VGH Mannheim aus den 1980er- und frühen 1990er-Jahren, die 2017 vom BVerwG aufgegriffen wurden, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Teilnehmern eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens eine Klagemöglichkeit gegen den dem Unternehmen zugrunde liegenden Planfeststellungsbeschluss zusteht, ohne dass deren Inhalt und Umfang näher konkretisiert worden wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.06.2017 - 9 C 4/16 Rn. 27 - BVerwGE 159, 104; VGH Mannheim, Urt. v. 16.07.1980 - 5 S 1004/80 - DÖV 1981, 925; VGH Mannheim, Urt. v. 05.11.1985 - 5 S 1440/85; VGH Mannheim, Urt. v. 03.12.1986 - 5 S 2114/86 - VBlBW 1987, 225, 226 und VGH Mannheim, Urt. v. 26.02.1991 - 5 S 1271/90 Rn. 18; vgl. auch Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 87 Rn. 4). Entwickelt wurde diese Rechtsprechung in Fallkonstellationen, in denen das Unternehmensflurbereinigungsverfahren vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses angeordnet worden war, so dass es auf den Eintritt einer etwaigen Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses nicht ankam. In seinem o.g. Urteil vom. 02.07.2020 hat sich das BVerwG mit dem Problem einer nachträglich lange nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses angeordneten Unternehmensflurbereinigung und deren Bedeutung für die Klagebefugnis und die ggf. einzuhaltende Klagefrist beschäftigt und insoweit verschiedene Lösungsansätze erwogen. Diese reichten von einer schon vor der Einleitung der Unternehmensflurbereinigung bestehenden Anfechtungsmöglichkeit potenziell Flurbereinigungsbetroffener über eine mit der Bekanntgabe des Flurbereinigungsbeschlusses nachträglich begründete, zeitlich begrenzte Klagebefugnis bis zum völligen Ausschluss einer nachträglichen Klagemöglichkeit (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 02.07.2020 - 9 A 8/19 Rn. 32 ff. - BVerwGE 169, 78). Eine Entscheidung darüber war auch im vorliegenden Verfahren nicht veranlasst, das Urteil erweitert aber die bisher erörterten Möglichkeiten von Flurbereinigungsbetroffenen und macht deutlich, dass diesen auch bei Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses jedenfalls die Möglichkeit verbleibt, auf dessen Aufhebung oder Außervollzugsetzung im Wege der Rücknahme zu klagen und auf diese Weise die verfassungsrechtlich geforderte gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses als Grundlage der drohenden Enteignung zu bewirken.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Im Zusammenhang mit verfahrensrechtlichen Rügen des Klägers zu seinen Ansprüchen auf rechtliches Gehör und effektiven Rechtsschutz hat sich das BVerwG auch mit der Einreichung teilweise geschwärzter Verwaltungsvorgänge beschäftigt. Der Kläger hatte beanstandet, dass die vom Beklagten zunächst übersandten Vorgänge vom Gericht zurückgesandt und anschließend nicht vollständig erneut eingereicht worden seien, und insoweit Vervollständigung der Akten und Akteneinsicht beantragt. Dem Gesuch ist das BVerwG nicht nachgekommen. Denn bei den ursprünglich übermittelten Akten handelte es sich nicht um dem Gericht nach § 99 VwGO vorgelegte – und ihm nunmehr vorliegende – Verwaltungsvorgänge, die der Akteneinsicht nach § 100 VwGO unterliegen würden. Die damalige Übersendung hatte der Beklagte mit der Bitte verbunden, dass das Gericht bei Gewährung von Akteneinsicht die datenschutzrechtlichen Belange von Dritten berücksichtigen solle. Die dem Senat damit überantwortete Vorprüfung der Verwaltungsvorgänge ist allerdings nicht zulässig, weshalb die mit einer solchen Einschränkung verbundene Aktenvorlage nicht den Vorgaben des § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprach. Die Vorgänge wurden aus diesem Grund unbesehen zurückgesandt, verbunden mit der Aufforderung, sie – soweit erforderlich – (selbst) zu anonymisieren und sodann erneut vorzulegen. Die in der Folgezeit vom Beklagten vorgelegten Unterlagen, die vereinzelte Schwärzungen und Fehlblätter enthielten, genügen der vom Gericht angeforderten Aktenvorlage (zur Zulässigkeit von Schwärzungen aus Gründen des Datenschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen verwies das Gericht dabei auf BVerwG, Beschl. v. 03.08.2021 - 9 B 48/20 Rn. 36 m.w.N. - Buchholz 424.01 § 8 FlurbG Nr 8; zur Vorlage geschwärzter Unterlagen auf BVerwG, Beschl. v. 11.03.2004 - 6 B 71/03 Rn. 10 f.).



Immer auf dem aktuellen Rechtsstand sein!

IHRE VORTEILE:

  • Unverzichtbare Literatur, Rechtsprechung und Vorschriften
  • Alle Rechtsinformationen sind untereinander intelligent vernetzt
  • Deutliche Zeitersparnis dank der juris Wissensmanagement-Technologie
  • Online-First-Konzept

Testen Sie das juris Portal 30 Tage kostenfrei!

Produkt auswählen

Sie benötigen Unterstützung?
Mit unserem kostenfreien Online-Beratungstool finden Sie das passende Produkt!