juris PraxisReporte

Autoren:Dr. Marcel Michaelis, RA,
Philip Kroner, RA
Erscheinungsdatum:25.08.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 299 StGB, § 331 StGB, § 335 StGB, § 108e StGB, § 130 OWiG 1968, § 81 GWB, § 81d GWB, § 24 LkSG, § 30 OWiG 1968, jcg-31997F0625_01_
Fundstelle:jurisPR-Compl 4/2023 Anm. 4
Herausgeber:Prof. Dr. Norbert Nolte, RA
Zitiervorschlag:Michaelis/Kroner, jurisPR-Compl 4/2023 Anm. 4 Zitiervorschlag

Der neue Entwurf der EU-Antikorruptionsrichtlinie - Ein Meilenstein bei der Korruptionsbekämpfung?

A. Einleitung

Die Europäische Kommission hat das kürzlich vorgestellte Maßnahmenpaket zur Korruptionsbekämpfung1 als „Meilenstein bei der Korruptionsbekämpfung auf nationaler und EU-Ebene“2 bezeichnet. Eckpfeiler des Maßnahmenpakets ist ihr Entwurf für eine neue EU-Antikorruptionsrichtlinie3 (der Richtlinienentwurf), deren Bestimmungen erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen in den EU-Mitgliedstaaten haben könnten.

Der Richtlinienentwurf – obgleich schon längere Zeit in Vorbereitung – muss auch im Kontext der Korruptionsvorwürfe gegen die ehemalige Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Eva Kaili und mehrere andere EU-Parlamentarier gesehen werden. Er trägt zudem den Bedenken der EU-Bürger Rechnung: Laut einer Eurobarometer-Umfrage von 20224 sehen 69% der EU-Bürger Korruption als ernstzunehmendes Problem an und sind der Ansicht, nationale Behörden verfolgten schwerwiegende Korruptionsfälle innerhalb der EU unzureichend.

Angesichts dieser Entwicklungen hat die Kommission wiederholt eine entschiedene Haltung gegen Korruption eingenommen und sie nicht nur als „äußerst schädlich für die Gesellschaft, unsere Demokratien, die Wirtschaft und den Einzelnen“ bezeichnet, sondern auch als Untergrabung „der Institutionen, auf die wir angewiesen sind“ und Ermöglichung von „organisierter Kriminalität und feindlicher Einmischung von außen“.5 Die Vizepräsidentin der EU-Kommission für Werte und Transparenz Věra Jourová sprach in noch drastischeren Worten sogar von einem behandlungsbedürftigen „Krebsgeschwür“.6 Um Lösungen zur Bewältigung dieser Probleme zu finden, hat die EU-Kommission eine umfassende Bewertung des derzeitigen Rechtsrahmens in Auftrag gegeben. Den Ergebnissen der Studie, die im Januar 2023 vorgelegt wurden, zufolge kann die Korruptionsprävention durch eine weitere Harmonisierung des einschlägigen Rechtsrahmens und die Verbesserung der Ermittlungen und der Strafverfolgung gestärkt werden.7

Der vorliegende Beitrag stellt den Inhalt des EU-Maßnahmenpakets im Überblick dar. Dabei analysiert er ausgehend von dem bestehenden europäischen Rechtsrahmen die wichtigsten geplanten Änderungen auf EU-Ebene (B.). Im Anschluss werden die maßgeblichen Implikationen für das deutsche Recht aufgezeigt sowie übergreifende EU-weite Entwicklungen und Tendenzen herausgearbeitet (C.). Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsprozesses (D.).

B. Aktueller europäischer Rechtsrahmen und geplante Änderungen des Richtlinienentwurfs

Bis heute basieren die geltenden EU-Rechtsvorschriften zur Korruptionsbekämpfung auf dem Übereinkommen zur Bekämpfung der Bestechung von Amtsträgern von 19978 und dem Rahmenbeschluss des Rates zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor von 20039 (ergänzt durch einige Richtlinien).10 Der Geltungsbereich dieses Rechtsrahmens ist begrenzt und weist eine starke Zersplitterung und mangelnde Harmonisierung hinsichtlich der Straftattatbestände inklusive der Strafandrohung auf.

Der Kommissionsvorschlag zielt darauf ab, die bisherigen Defizite durch Schaffung zusätzlicher, einheitlicher Tatbestände und Förderung der grenzüberschreitenden Verfolgung durch die zuständigen nationalen Behörden zu beheben. Art. 1 des Richtlinienentwurfs sieht die Festlegung von „Mindestvorschriften für die Definition von Straftatbeständen und Sanktionen“ vor. Zugleich betont er die Umsetzung von Maßnahmen für eine bessere Korruptionsprävention und -bekämpfung. Im Einklang mit diesen Zielen enthält die Richtlinie harmonisierte Definitionen, wie z.B. für den Begriff des „öffentlichen Bediensteten“, der nun auch Personen umfassen soll, die in Drittstaaten, internationalen Organisationen sowie internationalen Gerichten tätig sind (Art. 2 Nr. 3 des Richtlinienentwurfs). Hierdurch wird der bisherige Anwendungsbereich ausgeweitet.11

Der Richtlinienentwurf verpflichtet die Mitgliedstaaten, „Informations- und Sensibilisierungskampagnen sowie Forschungs- und Bildungsprogramme“ (Art. 3) zu schaffen. Zugleich sollen diese Maßnahmen von der Einrichtung eines EU-Netzwerks gegen Korruption12 begleitet werden. In diesem Netzwerk sollen relevante Interessengruppen, Experten und Vertreter der Zivilgesellschaft sowie einschlägiger Organisationen zusammengebracht werden. Es hat die Aufgabe, bis 2024 die Bereiche mit besonders hohem Korruptionsrisiko zu identifizieren, um diese Risiken künftig gezielter zu bekämpfen. Im Einklang mit diesen Bestrebungen sehen die Art. 4 bis 6 des Richtlinienvorschlags die Einrichtung spezialisierter Stellen zur Korruptionsbekämpfung und -prävention, die Sicherstellung ausreichender personeller, finanzieller und technischer Ressourcen bei den zuständigen Behörden sowie die Bereitstellung angemessener Schulungen für Beamte vor.

Zur Harmonisierung der Straftatbestände wird in den Art. 7 bis 13 des Richtlinienentwurfs nicht nur der Katalog der strafbaren Handlungen erweitert, sondern es werden auch die Korruption im öffentlichen und privaten Sektor in einem einheitlichen Rechtsakt zusammengefasst. Die Vorschriften umfassen die Straftatbestände der Bestechung im öffentlichen Sektor (Art. 7) sowie im privaten Sektor (Art. 8), der Veruntreuung (Art. 9), der unerlaubten Einflussnahme (Art. 10) sowie des Amtsmissbrauchs (Art. 11), der Behinderung der Justiz (Art. 12) und der Bereicherung durch Korruptionsdelikte (Art. 13).

Schließlich sieht der EU-Vorschlag standardisierte Sanktionsniveaus (Art. 15 bis 19) in Verbindung mit klaren Überwachungs- und Berichterstattungsanforderungen für die Mitgliedstaaten vor, um ausreichende Konsequenzen für die Nichteinhaltung der neuen Maßnahmen zu gewährleisten (z.B. durch die Verpflichtung zur Erhebung statistischer Daten in Art. 26). Hinsichtlich der Sanktionierung juristischer Personen sieht der Vorschlag vor, dass die EU-Mitgliedstaaten die Haftung für die geregelten Straftaten sicherstellen müssen (Art. 16 Abs. 1). Die Maßnahmen weisen mehrere neue Aspekte auf, die erhebliche Folgen für die betroffenen Unternehmen haben, darunter eine Mindesthöhe für die Höchststrafe von 5% des weltweiten (Konzern-)Umsatzes der juristischen Person (Art. 17 Abs. 1 Buchst. a und b). Die Festlegung einer Mindesthöhe der Höchststrafe bedeutet auch, dass die Mitgliedstaaten diese individuell noch höher setzen können. Die Regelung in Art. 18 Abs. 2 Buchst. b und c des Richtlinienentwurfs soll zudem sicherstellen, dass Compliance-Programme sowie freiwillige Selbstauskünfte bei der Sanktionierung von Unternehmen als strafmildernde Faktoren berücksichtigt werden.

C. Auswirkungen auf den Rechtsrahmen in Deutschland und anderen EU-Staaten

I. Sollte der Richtlinienentwurf in der vorgeschlagenen Fassung in Kraft treten, müsste der deutsche Gesetzgeber die derzeitigen Bestimmungen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts anpassen. In erster Linie müssten bestimmte Freiheitsstrafen im Strafgesetzbuch (StGB) erhöht sowie in einigen Fällen neue Straftatbestände eingeführt werden. Außerdem müsste der deutsche Gesetzgeber weitere Strafmilderungsgründe schaffen.

Art. 8 des Richtlinienentwurfs betrifft die Bestechung im privaten Sektor. Gemäß Art. 15 Abs. 2 Buchst. b ist diese Straftat mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens fünf Jahren zu ahnden. Das deutsche Strafgesetzbuch sieht derzeit für Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr eine Höchststrafe von drei Jahren vor, § 299 Abs. 1, 2 StGB. Der Richtlinienentwurf sieht ebenfalls eine Mindeststrafe von sechs Jahren als Höchststrafe für Bestechung im öffentlichen Sektor vor (Art. 7 und Art. 15 Abs. 2 Buchst. a), während im deutschen Strafrecht die Bestechung bzw. Bestechlichkeit im öffentlichen Dienst derzeit lediglich mit bis zu drei Jahren bestraft wird, §§ 331 ff. StGB (wobei besonders schwere Fälle mit einer höheren Strafe geahndet werden können, § 335 StGB).

Der Richtlinienvorschlag stellt ferner die „unerlaubte Einflussnahme“13 unter Strafe, d.h. die Gewährung eines ungerechtfertigten Vorteils an einen Dritten, „damit diese Person ihren […] Einfluss ausübt, um von einem öffentlichen Bediensteten einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen“ (Art. 10 Abs. 1 Buchst. a). Gleichfalls ist nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. b das spiegelbildliche Verhalten strafbar, wenn jemand für die Ausübung seines (vermeintlichen) Einflusses auf einen öffentlichen Bediensteten einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, annimmt oder sich versprechen lässt. Gemäß Art. 10 Abs. 2 ist für die Strafbarkeit dabei unerheblich, ob der Einfluss auch tatsächlich ausgeübt wird bzw. ob der vermeintliche Einfluss zu den angestrebten Ergebnissen führt oder nicht. Im Ergebnis sind damit künftig nicht nur die Fälle der aktiven und passiven Bestechung im privaten und öffentlichen Sektor zu sanktionieren (Art. 7 und 8), sondern auch die (mittelbare) Einflussnahme über Dritte, um einen Vorteil von einem öffentlichen Bediensteten14 zu erlangen. Eine solcher Straftatbestand stellt aus deutscher Sicht ein Novum dar und müsste im StGB erst noch aufgenommen werden.15 Nicht erfasst sind jedoch Fälle legaler Einflussnahmen, wie z.B. (transparenter) Lobbyarbeit.16

Darüber hinaus bräuchte der Straftatbestand der „Behinderung der Justiz“ (Art. 12)17 ein deutsches Äquivalent, das die unmittelbare oder über einen Mittelsmann erfolgte Anwendung von „körperlicher Gewalt, Drohungen oder Einschüchterung“ sowie das „Versprechen, Anbieten oder Gewähren eines Vorteils“ unter Strafe stellt, um in einem Verfahren, das eine der im EU-Vorschlag geregelten Straftaten betrifft, eine Falschaussage herbeizuführen oder eine Aussage oder die Vorlage von Beweismaterial zu beeinflussen (Art. 12 Abs. 1). Weiterhin ist künftig auch die Anwendung von körperlicher Gewalt, Drohungen oder Einschüchterung unter Strafe zu stellen, die im Zusammenhang mit einer der genannten Straftaten zum Ziel hat, eine Person, die ein Amt im Bereich der Justiz innehat, oder ein Mitglied einer Strafverfolgungsbehörde an der Ausübung der Dienstpflichten zu hindern (Art. 12 Abs. 2).

Schließlich wird der Vorschlag Auswirkungen auf die – weiterhin intensiv diskutierte – Grundsatzfrage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen (bislang v.a. in den §§ 30, 130 OWiG) haben.18 Das gilt insbesondere hinsichtlich der strafmildernden Berücksichtigung von Compliance-Programmen sowie der unternehmensseitigen Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung, die in Deutschland bisher nur fragmentarisch normiert ist.19 Eine solche Berücksichtigung bei der Sanktionszumessung findet sich bisher nur in bestimmten – meist europarechtlich geprägten – Rechtsgebieten (z.B. § 81d Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GWB20 sowie § 24 Abs. 4 und Abs. 7 LkSG21). In Art. 18 Abs. 2 des Richtlinienentwurfs sind nunmehr die Lieferung von Informationen durch den Betroffenen im Ermittlungsverfahren (Buchst. a), die Durchführung „wirksamer Programme für interne Kontrollen“, von „Ethiksensibilisierungsprogrammen“ und „Compliance-Programmen“ (Buchst. b) sowie die Durchführung von Abhilfemaßnahmen nach einer freiwilligen Offenlegung (Buchst. c) als mildernde Umstände vorgesehen.

Weiterhin könnte sich auch der Kreis der Personen, die eine Unternehmenshaftung auslösen können, nach dem Richtlinienentwurf erweitern (vgl. Art. 16 des Richtlinienentwurfs einerseits22 und § 30 Abs. 1 OWiG andererseits), da die neue Richtlinie die erfassten Funktionsträger nicht genauer benennt oder beschreibt, sondern nur sehr allgemeine Begriffe zur Vertretung23 einer juristischen Person verwendet.

II. In anderen EU-Staaten würden in vergleichbarer Weise Änderungen an der jeweiligen Gesetzeslage erforderlich, während manche Regelung bereits vorhanden ist:24 Änderungsbedarf besteht insbesondere in den Niederlanden, da einige im Richtlinienentwurf vorgesehene Straftatbestände im niederländischen StGB (Wetboek van Strafrecht) nicht gesondert geregelt sind (etwa die Veruntreuung gemäß Art. 9 des Richtlinienentwurfs), sondern von allgemeineren Strafbestimmungen erfasst sind, deren Strafrahmen nicht angehoben werden soll. Auch maßgebliche Veränderungen des materiellen Strafrechts gingen mit der Umsetzung einher, so ist etwa der Tatbestand der „zweckwidrigen Zueignung“ in Art. 9 des Richtlinienentwurfs weiter gefasst als in Art. 322 des niederländischen StGB, da der neue Tatbestand daneben auch die zweckwidrige Bindung, Auszahlung und Nutzung von Vermögensgegenständen erfassen würde. Weitere Änderungen sind auch mit Blick auf den Tatbestand der Behinderung der Justiz (Art. 12) notwendig. Hingegen decken die Strafgesetze in Belgien, Frankreich und Italien die (aus deutscher und niederländischer Sicht neuen) Tatbestände bereits weitgehend ab. Dasselbe gilt für Österreich, das zwar nicht über einen speziellen Straftatbestand für die Behinderung der Justiz verfügt. Dieser wird jedoch bereits durch andere Bestimmungen (Nötigung zur Falschaussage gemäß den §§ 12, 288 und 105 sowie die Behinderung einer Amtshandlung durch Androhung von Gewalt gemäß § 269 österreichisches StGB) erfasst.

In Österreich müsste das österreichische StGB stattdessen aber vor allem im Hinblick auf die Höchststrafen und Verjährungsfristen geändert werden. Die Höchststrafen entsprechen dort zwar teilweise den neuen Vorgaben des Richtlinienentwurfs. Das österreichische StGB koppelt bei vielen dieser Delikte das Strafmaß aber an den durch die Straftat verursachten Vermögensschaden (sog. „Wertqualifikation“) und beginnt dadurch mit einer niedrigeren Höchststrafe. Zugleich müsste das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) auch hinsichtlich der Mindesthöhe der Höchststrafe, die derzeit für Unternehmensgeldbußen bei lediglich bei 1,8 Mio. Euro liegt, angepasst werden. Änderungen hinsichtlich des Mindestmaßes von Höchststrafen wären ebenfalls in Belgien, Frankreich und Italien und den Niederlanden erforderlich.

Dasselbe gilt für das Erfordernis der Berücksichtigung von Compliance als Strafmilderungsgrund. Diese Maßgabe ist in Österreich im VbVG bisher nicht enthalten und müsste neu aufgenommen werden. Ebenfalls neu einzuführen wäre eine solche Regelung in Belgien, wo die Strafgerichte derzeit nicht verpflichtet sind, solche Umstände strafmildernd zu berücksichtigen. In Frankreich ist gemäß dem sog. „Sapin II-Gesetz“ von 2016, das auf den Vorbildern des britischen UK Bribery Acts und des US-amerikanischen Foreign Corrupt Practices Act (FCPA) basiert, zwar bereits eine Pflicht zur Umsetzung eines Compliance-Programms für bestimmte juristische Personen vorgesehen. Eine gesetzliche Regelung als Strafmilderungsgrund ist jedoch ebenfalls noch nicht geschaffen worden. Die Ablehnung war (bisher) damit begründet worden, dass diese Möglichkeit bereits von der Zuständigkeit der Strafgerichte aufgrund des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Individualisierung der Strafe erfasst sei.

D. Ausblick

Der von der Kommission vorgelegte Richtlinienentwurf muss das Gesetzgebungsverfahren unter Beteiligung des Europäischen Parlamentes und des Rates noch weiter durchlaufen. Umfangreiche Änderungen sind daher möglich. Insbesondere stehen im Mai 2024 Europawahlen an, die das politische Kräfteverhältnis und damit gesetzgeberische Prioritäten verändern können.

Die EU-Kommission geht mit ihrem Richtlinienentwurf bei der Korruptionsbekämpfung jedenfalls entschlossen voran und widmet sich Korruptionsrisiken auf nationaler Ebene und in den EU-eigenen Institutionen, nicht zuletzt, indem sie den Kreis der Adressaten durch eine Vereinheitlichung von Definitionen und Straftatbeständen erweitert. Zugleich zielt sie darauf ab, Sanktionen unmittelbar gegen juristische Personen zu verhängen, was sich als effektives Mittel gegen Korruption im geschäftlichen Verkehr und verstärkte Compliance-Maßnahmen erweisen dürfte.

In Bezug auf die anhaltende Diskussion um eine zunehmende Ausweitung der straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verantwortung von Unternehmen dürfte der Richtlinienentwurf zur Korruptionsbekämpfung dem aktuell auch in anderen europäischen Gesetzgebungsprojekten erkennbar zunehmenden Sanktionswillen25 weiteren Nachdruck verleihen. Damit wird immer häufiger eine präventive Unternehmensstrategie von Vorteil sein, die durch die Stärkung ihres Compliance Management Systems nicht nur mögliches Fehlverhalten im frühen Stadium verhindert, sondern auch bei Verstößen auf Strafmilderungen hoffen lassen kann.

Während die neuen Sanktionen einzelne empfindlich treffen würden, sind die aktuellen Entwicklungen aber nicht zum Nachteil der Unternehmenslandschaft insgesamt: Wenn Maßnahmen gegen die „schwarzen Schafe“ ergriffen werden, profitieren die regelkonform wirtschaftenden Unternehmen. Zudem können international agierende Unternehmen von den EU-weit harmonisierten Standards profitieren und ihre Compliance Management Systeme effizienter gestalten.


Fußnoten


1)

Vgl. EU-Kommission, Gemeinsame Mitteilung („Joint Communication to the European Parliament, the Council and the European Economic and Social Committee on the fight against corruption“) v. 03.05.2023; abrufbar unter: https://commission.europa.eu/system/files/2023-05/JOIN_2023_12_1_EN.pdf, abgerufen am 23.08.2023.

4)

Die Umfrage ist abrufbar unter: https://europa.eu/eurobarometer/surveys/detail/2658.

5)

EU-Kommission, Gemeinsame Mitteilung v. 03.05.2023, S. 1, abgerufen am 23.08.2023.

6)

Vgl. dazu die Zusammenfassung der Pressekonferenz v. 03.05.2023, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_23_2516, abgerufen am 23.08.2023.

7)

Die Studie „Strengthening the fight against corruption: Assessing the EU legislative and policy framework“ (Dezember 2022) ist abrufbar unter: https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/d7a6cfdb-8fcb-11ed-b508-01aa75ed71a1.

9)

Rahmenbeschluss 2003/568/JI des Rates v. 22.07.2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor; abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32003F0568, abgerufen am 23.08.2023.

10)

Näher zu den Hintergründen der früheren Entwicklungen auf EU-Ebene Hetzer, NJW 2004, 3746; vgl.a. Kalb, in: Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, 6. Aufl. 2022 – Korruptionsbekämpfung m.w.N.

11)

Eine Änderung ist insofern etwa in Belgien erforderlich, dessen Strafgesetzbuch (Strafwetboek/Code Pénal (Sw/CP)) dahingehend geändert werden müsste, dass der Begriff des ausländischen Amtsträgers (Art. 250 Sw/CP) künftig auch ausdrücklich Amtsträger von EU-Institutionen, EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten sowie internationale Organisationen und Gerichte erfasst.

12)

Vgl. EU-Kommission, Gemeinsame Mitteilung v. 03.05.2023, S. 3 f.

13)

Der Begriff der unerlaubten Einflussnahme bezieht sich auf die international u.a. als „trading in influence“ (so auch die engl. Entwurfsfassung; gebräuchlich auch „influence peddling“ oder „traffic of influence“) bezeichnete Konstellation (vgl. etwa die Regelungen in Art. 18 des UN-Übereinkommens gegen Korruption von 2003 (abrufbar unter: https://www.unodc.org/documents/brussels/UN_Convention_Against_Corruption.pdf, abgerufen am 23.08.2023) sowie Art. 12 des Strafrechtsübereinkommens des Europarates gegen Korruption (abrufbar unter: https://rm.coe.int/168007f589, abgerufen am 23.08.2023)).

14)

Nicht unter Art. 10 fällt nach dem Wortlaut hingegen die (mittelbare) Einflussnahme auf Dritte im privaten Sektor.

15)

Dies hat jüngst auch nochmals der BGH in seiner Entscheidung zur Strafbarkeit von Vermittlungsprovisionen für Politiker bei der Maskenbeschaffung im Zuge der Covid-19-Pandemie gem. § 108e StGB klargestellt (vgl. BGH, Beschl. v. 05.07.2022 - StB 7/22 Rn. 59 f. - CB 2023, 189, 195; näher dazu Busch, wistra 2023, R9, R10, auch mit Verweis auf die Erwägungen des deutschen Gesetzgebers zur bisherigen Nichteinführung, vgl. BT-Drs. 18/2138, S. 82).

16)

Vgl. ErwG 12 des Richtlinienentwurfs, COM (2023) 234 final, S. 27.

17)

Der Tatbestand der „Behinderung der Justiz“ entspricht dem engl. Begriff der „obstruction of justice“ (vgl. etwa bereits Art. 25 des UN-Übereinkommens gegen Korruption).

25)

Jüngst vor allem der unionsrechtliche Entwurf einer sog. „Lieferkettenrichtlinie“ (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, COM(2022) 71 final; abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:bc4dcea4-9584-11ec-b4e4-01aa75ed71a1.0007.02/DOC_1&format=PDF, abgerufen am 23.08.2023), der in Art. 20 ebenfalls die Möglichkeit einer Verhängung von finanziellen Sanktionen bei Verstößen vorsieht.


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