juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BGH 2. Zivilsenat, Urteil vom 09.01.2024 - II ZR 65/23
Autor:Prof. Dr. Michael Hippeli, LL.M., MBA, Ministerialrat
Erscheinungsdatum:30.04.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 3 EGGmbHG, § 188 BGB, § 195 BGB, § 199 BGB, § 19 GmbHG, § 24 GmbHG, § 21 GmbHG
Fundstelle:jurisPR-HaGesR 4/2024 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Jörn-Christian Schulze, RA und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
Zitiervorschlag:Hippeli, jurisPR-HaGesR 4/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Verjährter Anspruch auf Leistung der Stammeinlage und Relevanz für die Ausfallhaftung i.S.d. § 24 Satz 1 GmbHG



Leitsätze

1. Die Verjährung des Anspruchs der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen vor Beginn des Kaduzierungsverfahrens schließt die Säumnis des Gesellschafters i.S.d. § 21 GmbHG aus, ohne dass dieser die Verjährungseinrede erheben muss.
2. Eine Einlageforderung, auf die das Kaduzierungsverfahren nicht gestützt werden kann, weil sie bereits vor Einleitung des Kaduzierungsverfahrens verjährt war, wird von der Ausfallhaftung nach § 24 Satz 1 GmbHG nicht erfasst.



A.
Problemstellung
Nach § 24 Satz 1 GmbHG haben die übrigen Gesellschafter, soweit eine Stammeinlage weder von den Zahlungspflichtigen eingezogen noch durch Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann, den Fehlbetrag nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile aufzubringen.
Fraglich war vorliegend nun, ob Mitgesellschafter im Rahmen dieser Ausfallhaftung auch für solche Einlageverpflichtungen haften, die gegenüber dem säumigen Gesellschafter bereits i.S.d. § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG verjährt sind.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Kläger war der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. 90% der Geschäftsanteile an der GmbH im Nennbetrag von insgesamt 25.000 Euro wurden bei der Gründung der GmbH im Jahr 2007 von einer Holding GmbH übernommen, die übrigen 10% von der Beklagten. Laut dem Gesellschaftsvertrag der GmbH waren die Stammeinlagen in Geld zu erbringen, dabei die Hälfte sofort. Die Holding GmbH überwies sodann zweimal 11.250 Euro, wobei einen Monat später 25.000 Euro zurücküberwiesen wurden. 2012 übernahm die Holding GmbH auch den vollen Geschäftsanteil der Beklagten. 2016 wurde die Holding GmbH allerdings insolvenzbedingt aus dem Handelsregister gelöscht.
Der Kläger führte nun 2017 ein Kaduzierungsverfahren i.S.d. § 21 GmbHG gegen die Holding GmbH (vermittels eines bestellten Nachtragsliquidators) durch. Dieses wurde letztlich – auch wenn die Bestellung eines Nachtragsliquidators zum Zwecke der Durchführung des Kaduzierungsverfahrens bereits im Februar 2017 beantragt wurde – erst mit einer Zahlungsforderung vom 20.07.2017 eingeleitet. Die rückständige Stammeinlage der Holding GmbH konnte aber im Ergebnis nicht beigetrieben werden.
Im Anschluss forderte der Kläger noch in 2017 nunmehr die Beklagte außergerichtlich zur Zahlung der hälftigen Stammeinlage der Holding GmbH auf. Nach Vergeblichkeit dieses Unterfangens verlangte der Kläger von der Beklagten auf dem Klagewege nach § 24 Satz 1 GmbHG die Zahlung von 11.250 Euro nebst Zinsen. Die Beklagte berief sich allerdings auf die eingetretene Verjährung der Einlageforderung gegenüber der Holding GmbH.
Das Landgericht gab der Klage statt. Das Kammergericht wies die Klage dagegen ab.
Der BGH hat die Revision des Klägers für unbegründet erachtet. Das Kammergericht habe in Form der Klageabweisung zutreffend entschieden.
Zu unterstellen sei als Causa Prima der begehrten Ausfallhaftung der Beklagten zunächst, dass die Holding GmbH 2007 ihre Einlageverpflichtung wegen eines Hin- und Herzahlens ohne Einhaltung der Voraussetzungen der § 19 Abs. 5 GmbHG, § 3 Abs. 4 Satz 1 EGGmbHG nicht erfüllt hat.
In der Folge lägen aber jedenfalls die Voraussetzungen der Ausfallhaftung i.S.d. § 24 Satz 1 GmbHG nicht vor. Zwar hafte die Beklagte grundsätzlich nach § 24 Satz 1 GmbHG, weil sie im relevanten Zeitpunkt der noch in 2007 sofort fälligen hälftigen Einlageforderung i.H.v. 11.250 Euro gegen die Holding GmbH noch Gesellschafterin der GmbH und damit Mitgesellschafterin der Holding GmbH war. Bei Einleitung des Kaduzierungsverfahrens 2017 sei diese Einlageforderung gegenüber der Holding GmbH i.H.v. 11.250 Euro aber bereits verjährt gewesen. Die eingetretene Verjährung schließe sodann eine Säumnis i.S.d. § 21 Abs. 1 GmbHG aus. Wenn aber schon Einlageforderungen gegen einen Gesellschafter im Rahmen des Kaduzierungsverfahrens i.S.d. § 21 Abs. 1 GmbHG verjährt seien, könnten diese Forderungen auch nicht der Ausfallhaftung der Mitgesellschafter i.S.d. § 24 Satz 1 GmbHG unterliegen.
Die zehnjährige Verjährungsfrist i.S.d. § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG habe vorliegend mithin am 14.07.2007 zu laufen begonnen und nach Maßgabe von § 188 Abs. 2 BGB am 13.07.2017 geendet. Dabei habe die Verjährung auch weder erneut zu laufen begonnen noch sei sie durch irgendein Ereignis zeitweilig gehemmt worden. Die relevanten Handlungen zum Zwecke der Kaduzierung i.S.d. § 21 GmbHG lägen jedenfalls sämtlich nach dem 13.07.2017.


C.
Kontext der Entscheidung
§ 24 GmbHG steht im Regelungszusammenhang der §§ 21 ff. GmbHG und soll als abschließendes Institut die Aufbringung des Stammkapitals nochmals sichern (Verse in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 24 GmbHG Rn. 1; Altmeppen in: Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 24 Rn. 1). Damit die subsidiäre Ausfallhaftung i.S.d. § 24 GmbHG mit Erfolg geltend gemacht werden kann, muss der Kläger (die GmbH oder der Insolvenzverwalter über ihr Vermögen) außer der Nichterfüllung der Einlagepflicht darlegen, dass die für eine auf diese Vorschrift gestützte Ausfallhaftung erforderlichen Voraussetzungen nach den §§ 21 ff. GmbHG erfüllt sind, insbesondere also, dass auch das Kaduzierungsverfahren i.S.d. § 21 GmbHG betrieben worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.02.2003 - II ZR 281/00 - NZI 2003, 679, 680; Leuschner in: Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. 2019, § 24 Rn. 18). Insofern überrascht vorliegend die unmittelbare Bezugnahme des Senats in der Prüfung nach § 24 Satz 1 GmbHG auf § 21 Abs. 1 GmbHG nicht wirklich.
Umstritten war bislang, ob die Ausfallhaftung i.S.d. § 24 GmbHG wie die Einlageforderung selbst in zehn Jahren verjährt, § 24 GmbHG also unmittelbar an § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG anknüpft und hierin fortwirkt, oder aber ob für § 24 GmbHG unabhängig von § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG die dreijährige Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB gilt (vgl. im Überblick und m.w.N. Schütz in: MünchKomm GmbHG, 4. Aufl. 2022, § 24 Rn. 86 ff.; Altmeppen in: Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 24 Rn. 20). Hier hatte der Senat zuletzt ausdrücklich entschieden, dass für die Verjährung der allgemeinen Ausfallhaftung i.S.d. § 24 GmbHG mangels gesetzlich geregelter Sonderverjährung die dreijährige Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB anwendbar ist, für eine analoge Geltung des § 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG sei jedenfalls kein Raum (BGH, Urt. v. 18.09.2018 - II ZR 312/16 - NZG 2018, 1344, 1348 f.).
Auf den ersten Blick nimmt der Senat nun von seiner Entscheidung aus 2018 zur Frage der Verjährung der Ausfallhaftung i.S.d. § 24 GmbHG wieder Abstand. Auf dem zweiten Blick wird allerdings deutlich, dass dies doch nicht der Fall ist. Tatsächlich geht es vorliegend bei Lichte besehen – was allerdings in den Entscheidungsgründen nicht vollstens verdeutlicht wird – darum, dass eben schon vorrangig zu § 24 GmbHG die Voraussetzungen des § 21 GmbHG nicht vollständig erfüllt sind, so dass sich der Blick auf § 21 Abs. 1 GmbHG verlagert. Die exakte Verlinkung nimmt der Senat in Rn. 11 vor, wonach die Verjährung der Einlageforderung der GmbH dazu führt, dass diese Verjährung „die Säumnis des Gesellschafters i.S.d. § 21 GmbHG ausschließt“.
Säumnis i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 GmbHG tritt ein, wenn der Gesellschafter die Einlageleistung nicht erbringt, sofern die Einlageschuld besteht, fällig und durchsetzbar ist (Schütz in: MünchKomm GmbHG, 4. Aufl. 2022, § 21 Rn. 26; Ebbing in: Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl. 2023, § 21 Rn. 30). Verjährung wird dabei die Durchsetzbarkeit betreffen, denn die Verjährung berechtigt zur Leistungsverweigerung, so dass der entsprechende Anspruch nicht mehr durchsetzbar ist. Dies wird vom Senat allerdings ausdrücklich bestritten (Rn. 23), ohne dass eine anderweitige dogmatische Zuordnung erfolgt. An dieser Stelle besteht argumentatives Verbesserungspotenzial.
Insgesamt ist die Entscheidung in Bezug auf ihr Ergebnis absolut zutreffend. Allerdings sind die Entscheidungsgründe in Teilen derart unscharf formuliert und untergliedert, dass die zentralen Aussagen regelrecht verschwimmen und wohl erst bei mehrfachem Lesen deutlich werden, was dann doch etwas überrascht.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Auswirkungen für die Praxis bestehen durchaus. In der Praxis ist es nicht selten, dass Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH erst das Kaduzierungsverfahren durchlaufen, um nach dessen Erfolglosigkeit noch gegen die Mitgesellschafter die Ausfallhaftung geltend zu machen. Nun ist klar, dass Eile Not tut. Spätestens zehn Jahre nach Entstehen der Einlageverpflichtung muss zwingend das Kaduzierungsverfahren eingeleitet worden sein, um später überhaupt noch die Ausfallhaftung bemühen zu können.



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