juris PraxisReporte

Anmerkung zu:LSG Darmstadt 6. Senat, Urteil vom 05.02.2024 - L 6 AS 125/23
Autor:Claudia Theesfeld-Betten, Ass. jur.
Erscheinungsdatum:11.04.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 95 SGG, § 24 SGB 10, § 31 SGB 10, § 42a SGB 2, § 39 SGB 10, § 160 SGG, § 556 BGB, § 22 SGB 2
Fundstelle:jurisPR-MietR 7/2024 Anm. 1
Herausgeber:Norbert Eisenschmid, RA
Zitiervorschlag:Theesfeld-Betten, jurisPR-MietR 7/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Direktauszahlung der Kosten der Unterkunft und Heizung an den Vermieter



Leitsatz

Für die Benachrichtigung des Leistungsberechtigten, dass die Direktauszahlung der Kosten der Unterkunft und Heizung an den Vermieter nach § 22 Abs. 7 Satz 2 bis 4 SGB II wegen nicht zweckgebundener Mittelverwendung direkt erfolgt, ist ein informatorisches Schreiben der Behörde ausreichend. Es bedarf nicht des Erlasses eines Verwaltungsaktes.



A.
Problemstellung
Leistungen für Unterkunfts- und Heizkosten werden im Regelfall vom Leistungsträger an den Empfänger von Leistungen nach dem Bürgergeldgesetz gezahlt. Allerdings sieht § 22 Abs. 7 SGB II in bestimmten Fällen auch eine Direktüberweisung an den Vermieter vor. Das LSG Darmstadt hat sich im Rahmen eines Falles, in dem es u.a. um das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einer Direktzahlung ging, auch mit der bisher umstrittenen Rechtsfrage beschäftigt, ob es sich bei der Umstellung auf eine Direktzahlung durch das Jobcenter um einen Verwaltungsakt handelt. Diese Frage hat es im Ergebnis offengelassen und die Revision zugelassen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger steht im laufenden Bürgergeldbezug beim Beklagten. Die Parteien streiten um die Frage, an wen die dem Kläger im Zeitraum Oktober 2019 bis September 2020 bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung auszuzahlen sind.
Der Kläger bewohnt seit Januar 2019 eine Notunterkunft der Stadt. Für diese ist ein monatliches Nutzungsentgelt i.H.v. 180 Euro zu entrichten, welches sich aus einer Nutzungsgebühr von 48 Euro und einer Betriebskostenpauschale von 132 Euro zusammensetzt.
Zunächst zahlte der Leistungsträger die dem Kläger bewilligten Unterkunftskosten direkt an die Stadt. Im Mai 2019 beantragte der Kläger Zahlung der Unterkunftskosten an sich selbst. Er wolle zukünftig die Mietkosten selbst an die Stadt zahlen. In der Folge zahlte der Kläger nur 48 Euro an die Stadt. Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin im Juni 2019 mit, dass die Miete ab Juli 2019 wieder direkt an den Vermieter gezahlt werde. Entsprechend wurden Leistungen für den Folgezeitraum Oktober 2019 bis September 2020 bewilligt. Aus dem Weiterbewilligungsbescheid geht hervor, dass die Stadt Zahlungsempfänger der monatlichen Zahlung von 180 Euro für Unterkunfts- und Heizkosten ist. Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Widerspruch ein.
Im November 2019 wurde die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2018 von der Stadt erstellt. Für den Kläger ergab sich ein Guthaben i.H.v. 189,87 Euro. Gemäß § 22 Abs. 3 SGB II berücksichtigte der Beklagte im Dezember 2019 für Unterkunft und Heizung 0,00 Euro und im Januar 2020 i.H.v. 170,13 Euro. Im entsprechenden Bescheid vom 26.11.2019 wird ausgeführt: „Nach § 22 Abs. 3 SGB II wird die Nebenkostengutschrift i.H.v. 189,87 Euro mit der Mietzahlung im Dezember 2019 in voller Höhe und im Januar 2020 i.H.v. 9,87 Euro verrechnet. Bitte überwiesen Sie die Miete für Dezember und die Differenz i.H.v. 9,87 Euro“. Ab Februar 2019 wurden wie bisher 180 Euro für Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigt, welche weiterhin direkt an die Stadt überwiesen wurden. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein.
Den Widerspruch gegen den Weiterbewilligungsbescheid ab September 2019 wies der Beklagte mit der Begründung zurück, dass die Direktzahlung der Miete an die Stadt zu Recht erfolge. Vorliegend seien die Voraussetzungen des § 22 Abs. 7 SGB II für eine direkte Zahlung an den Vermieter gegeben, da die zweckentsprechende Verwendung der Nutzungsgebühr durch den Kläger nicht sichergestellt sei. Im Juni 2019 sei ein einziges Mal die Nutzungsgebühr an den Kläger direkt überwiesen worden. Prompt habe dieser anstatt 180 Euro nur 48 Euro an seine Vermieterin überwiesen. Für dieses Verhalten habe er keinen nachvollziehbaren Grund angegeben. Es bestehe die Gefahr, dass der Kläger im Falle einer Zahlung an ihn weiterhin nicht die volle Nutzungsgebühr abführen werde. Die Kosten der Unterkunft und Heizung würden jedoch vom Grundsicherungsträger geleistet, damit der Hilfebedürftige seine diesbezüglichen Zahlungsverpflichtungen erfüllen könne. Sie würden nicht geleistet, damit er anderweitige Schulden zahlen könne. Die zweckentsprechende Verwendung der Zahlungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung sei nicht sichergestellt. Es gebe keine Gesichtspunkte, die gegen eine direkte Überweisung der Miete sprechen. Insgesamt überwiege daher das Interesse der öffentlichen Hand an der bestimmungsgemäßen Verwendung der Leistungen der Unterkunft und Heizung die entgegenstehenden Interessen des Klägers. Umstritten sei, ob es sich bei der schriftlichen Unterrichtung über die Direktzahlung der Miete um einen Verwaltungsakt handle. Auch eine Ermessensentscheidung komme zum Ergebnis, dass eine Direktzahlung erfolgt sei. Da beim Vorliegen der Voraussetzungen die Direktüberweisung erfolgen solle, sei hier das Ermessen reduziert.
Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.11.2019 (Anrechnung des Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung) wies der Beklagte ebenfalls zurück. Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf Heizung zuzuordnen seien, minderten die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift gemäß § 22 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB II. Da die Rückzahlung i.H.v. 189,87 Euro im November 2019 ausgezahlt worden sei, habe die Anrechnung ab dem Folgemonat zu erfolgen gehabt, weshalb die Leistungen für Unterkunft und Heizung im Dezember 2020 um 180 Euro auf 0,00 Euro und im Januar 2020 um die restlichen 9,87 Euro auf 170,13 Euro gemindert worden seien.
Im Dezember 2019 erhob der Kläger Klage beim SG Darmstadt. Das Sozialgericht wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 03.03.2023 ab. Der Beklagte habe zu Recht die Leistungen für Unterkunft und Heizung im streitgegenständlichen Zeitraum direkt an die Stadt als Vermieterin des Klägers angewiesen. Ein Anspruch des Klägers auf Erbringung der Leistungen an sich bestehe nicht. Die Minderung der Kosten für Unterkunft und Heizung in den Monaten Dezember 2019 und Januar 2020 sei in Übereinstimmung mit § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II erfolgt und damit ebenfalls rechtmäßig.
Der Kläger legte gegen den Gerichtsbescheid Berufung zum Landessozialgericht ein.
Das LSG Darmstadt hat die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Die Bescheide des Beklagten seien nicht zu beanstanden und in rechtmäßiger Weise ergangen.
Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet werde, sei gemäß § 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll nach § 22 Abs. 7 Satz 2 SGB II an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt sei. Der kommunale Träger habe die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten (§ 22 Abs. 7 Satz 4 SGB II). Die Voraussetzungen nach § 22 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 SGB II liegen im Fall des Klägers vor, da die zweckentsprechende Verwendung der Nebenkosten nicht sichergestellt gewesen sei. Der Kläger habe nicht nur die Absicht geäußert, die bewilligten Mittel nicht im vollen Umfang an den Vermieter weiterzuleiten. Er habe dies auch im Juni 2019 entsprechend umgesetzt und nur einen Teil der Miete an die Stadt gezahlt. Damit fehle es an dem Willen des Klägers, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden. Der Kläger sei über die zukünftige Direktzahlung an den Vermieter sowohl im abgelaufenen Bewilligungszeitraum am 12.06.2019 als auch im hier angegriffenen Bescheid informiert worden. Daher liegen auch die Voraussetzungen nach § 22 Abs. 7 Satz 4 SGB II vor.
Ob die Entscheidung über die Direktzahlung als Verwaltungsakt ergehen müsse oder ein informatorisches Schreiben an den Leistungsempfänger ausreiche, sei in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Dies könne im Fall des Klägers allerdings dahinstehen. Da der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Direktzahlung in der Sache beschieden habe, gehe der Senat davon aus, dass er jedenfalls in der nach § 95 SGG maßgeblichen Fassung des Widerspruchsbescheides über die Frage der Direktzahlung im Wege des (Form-)Verwaltungsaktes entschieden habe.
Auch für den Fall, dass es eines solchen im Rahmen von § 22 Abs. 7 SGB II nicht bedürfe und es daher möglicherweise diesbezüglich an der Verwaltungsaktsbefugnis fehle, besteht nach Auffassung des Landessozialgerichts keine zwingende Notwendigkeit, ihn aufzuheben: Der Kläger sei durch ihn nicht beschwert, nachdem jedenfalls in der Sache die Entscheidung des Beklagten über die Direktzahlung nicht zu beanstanden sei und diese daher auf jeden Fall Bestand haben müsse. Gehe man – entgegen der Auffassung des Senats – davon aus, die Direktzahlung müsse durch Verwaltungsakt beschieden werden, wäre zumindest aufgrund des Widerspruchsbescheides davon auszugehen, dass ein solcher vorliege. Dieser wäre formell rechtmäßig. Die fehlende Anhörung nach § 24 SGB X wäre durch die Stellungnahme des Klägers im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geheilt. Die Voraussetzungen für die Direktzahlung nach § 22 Abs. 7 Satz 2 bis 3 SGB II lägen, wie bereits dargestellt, vor. Im Rahmen des Widerspruchsbescheides habe der Beklagte zudem sein Ermessen ausgeübt und dargelegt, warum das öffentliche Interesse das Interesse des Klägers überwiege.
Von der Darstellung der Entscheidungsgründe hinsichtlich der Anrechnung des Guthabens i.H.v. 189,87 Euro auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Monate Dezember 2019 und Januar 2020 hat das LSG Darmstadt abgesehen, da es insoweit auf die Begründung des Gerichtsbescheides Bezug genommen hat.


C.
Kontext der Entscheidung
Der Fall des LSG Darmstadt beinhaltet zwei praktische Probleme im Zusammenhang mit der Gewährung und Auszahlung von Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen des Bürgergeldgesetzes:
I. Zum einen ging es um die Direktzahlung der dem Leistungsberechtigten gewährten Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung an den Vermieter. Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist gemäß § 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll nach § 22 Abs. 7 Satz 2 SGB II an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist.
Das ist laut § 22 Abs. 7 Satz 3 SGB II insbesondere der Fall, wenn
1. Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2. Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3. konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4. konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Selbst wenn keines der in § 22 Abs. 7 Satz 3 SGB II genannten Regelbeispiele erfüllt ist, steht dies der Rechtmäßigkeit einer Direktzahlung nicht entgegen. Aus dem Wortlaut von § 22 Abs. 7 Satz 3 SGB II geht hervor, dass es sich nicht um einen abschließenden Katalog handelt (Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, 1. Ergänzungslieferung 2024, § 22 Rn. 382). Ist die zweckentsprechende Verwendung der bewilligten Mittel nicht sichergestellt, folgt aus § 22 Abs. 7 Satz 2 SGB II, dass die Zahlung der Leistung an Dritte erfolgen darf (Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, 1. Ergänzungslieferung 2024, § 22 Rn. 385).
Werden die Leistungen für Kosten der Unterkunft direkt an die Vermieterin bzw. den Vermieter oder andere empfangsberechtigte natürliche oder juristische Personen (z.B. Energieversorgungsunternehmen) gezahlt, wirkt dies als Anspruchserfüllung gegenüber den Leistungsberechtigten. Die Leistungsgewährung an Dritte führt jedoch nicht dazu, dass diese (z.B. bei einer Abtretung) Anspruchsinhaberinnen bzw. -inhaber des Leistungsanspruchs werden (BT-Drs. 17/3404, S. 98). Begründet wird lediglich eine Empfangsberechtigung. Der eigentliche Charakter der Leistung als Geldleistung für hilfeberechtigte Anspruchsinhaberinnen bzw. -inhaber wird durch die Direktzahlung nicht verändert. Der Leistungsträger wird auch nicht zum Erfüllungsgehilfen der Leistungsberechtigten, das sich damit ein etwaiges Verschulden auch nicht zurechnen lassen muss. Es werden auch keine Rechte oder Pflichten von Vermieterinnen bzw. Vermietern oder anderen Empfangsberechtigten gegenüber dem Jobcenter begründet. Sie haben auch keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gegen das Jobcenter (vgl. LSG Celle-Bremen, Urt. v. 03.02.2022 - L 11 AS 578/20).
In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob die Entscheidung über die Direktzahlung im Wege des Erlasses eines Verwaltungsaktes erfolgen muss oder ob es nur eines informatorischen Schreibens bedarf (für den VA: Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, 1. Ergänzungslieferung 2024, § 22 Rn. 387; Piepenstock in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl. § 22, Stand: 06.02.2023, Rn. 260; a.A. SG Darmstadt, Beschl. v. 17.01.2014 - S 19 AS 6/14 ER Rn. 10; Berlit in: Münder, LPK-SGB II, 8. Aufl. 2024, § 22 Rn. 294; Kallert in: BeckOGK, Stand 01.12.2019, Vorbemerkung vor § 39 SGB II Einstweiliger Rechtsschutz im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Rn. 22; offenlassend: BSG, Urt. v. 09.08.2018 - B 14 AS 38/17 R Rn. 30).
Für den Erlass eines Verwaltungsaktes spricht der Umstand, dass es sich – unabhängig von der Darstellungsweise im Bescheid – bei der Zahlung an einen Dritten (hier den Vermieter) um einen Eingriff in das Verfügungsrecht des Hilfebedürftigen über die ihm gewährten Leistungen und damit um eine belastende Regelung des Einzelfalls handelt, die die Qualität eines (eigenen) Verwaltungsakts i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X haben dürfte.
Der Wortlaut der Regelung, wonach die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen […] an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten ist, als auch die Gesetzesbegründung und die Systematik des SGB II und SGB X sprechen andererseits jedoch dafür, dass ein informatorisches Schreiben an den Betroffenen ausreicht und es des Erlasses eines Verwaltungsaktes nicht bedarf.
In der Gesetzesbegründung wird zu § 22 Abs. 7 Satz 4 SGB II Folgendes ausgeführt: „Satz 4 regelt, dass der kommunale Träger die leistungsberechtigte Person von der Direktzahlung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich benachrichtigt. Die Informationspflicht stärkt die Rechte der leistungsberechtigten Person und dient der Vermeidung von Wohnungslosigkeit sowie der Wohnungssicherung. Die leistungsberechtigte Person wird hierdurch darüber informiert, ab welchem Zeitpunkt die Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses vom kommunalen Träger erfüllt wird“ (BT-Drs. 17/3404, S. 99). Auch die Systematik des SGB II spricht für eine solche Auslegung. So ist z.B. in § 42a Abs. 2 Satz 3 SGB II formuliert: „Die Aufrechnung ist gegenüber den Darlehensnehmern schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären.“ Eine entsprechende Formulierung findet sich in § 22 Abs. 7 Satz 4 SGB II gerade nicht. Zutreffend weist Berlit (a.a.O.) darauf hin, dass es bei einer Einordnung als Verwaltungsakt der Benachrichtigungspflicht nicht bedürfe, da ein Verwaltungsakt zwingend nach § 39 Abs. 1 SGB X bekannt zu geben ist.
Da die Rechtsfrage, ob über die Direktzahlung an einen Vermieter oder Dritten durch Verwaltungsakt zu entscheiden ist, höchstrichterlich nicht geklärt ist und vom BSG bisher offengelassen wurde (vgl. BSG, Urt. v. 09.08.2018 - B 14 AS 38/17 R Rn. 30), hat das LSG Darmstadt die Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
II. In der Entscheidung des LSG Darmstadt ging es zum anderen aber auch um die Anwendung des § 22 Abs. 3 SGB II. Nach der Sonderregelung des § 22 Abs. 3 SGB II mindern Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Es erfolgt also eine bedarfsmindernde Direktanrechnung der Gutschrift auf die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Erfasst werden nur solche Rückzahlungen und Guthaben, die unmittelbar dem Bereich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind.
Im Fall des LSG Darmstadt wurde die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2018 im November 2019 und damit im Rahmen der Frist des § 556 Abs. 3 BGB erstellt. Das Guthaben wurde dem Kläger im November 2019 ausgezahlt. Demnach kam hier auch § 22 Abs. 3 SGB II zur Anwendung. Folglich minderte diese an den Kläger ausgezahlte Rückzahlung die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Dezember 2019, also dem Monat nach der Rückzahlung. Da die Rückzahlung höher war als die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für den Monat Dezember 2019, minderten sich die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Monat Januar 2020 um den restlichen Betrag. In Übereinstimmung mit der gesetzlichen Vorschrift hatte das Jobcenter die Leistung für Unterkunft und Heizung entsprechend abgesenkt. § 22 Abs. 3 SGB II differenziert nicht zwischen Miete und Nebenkosten, sondern der Begriff des „Bedarfs für Unterkunft und Heizung“ umfasst sowohl die Miete als auch die Nebenkosten. Deshalb durfte das Jobcenter die an den Kläger ausgezahlte Gutschrift auch hinsichtlich des gesamten Bedarfs für Unterkunft und Heizung berücksichtigen und nicht nur – wie vom Kläger behauptet - hinsichtlich der 132 Euro Nebenkostenvorauszahlung.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil des LSG Darmstadt beleuchtet anschaulich und lesenswert zwei „klassische“ Probleme, die im Rahmen der Gewährung der Kosten der Unterkunft und Heizung in der Praxis, insbesondere im Verwaltungsverfahren, immer wieder auftauchen. Dass sie den Weg bis hin zum Landessozialgericht finden, ist eher selten. Beide vom LSG Darmstadt bearbeiteten Fragestellungen führen in der Verwaltungspraxis häufig zu Missverständnissen und werden in dem Urteil noch einmal deutlich und beinahe lehrbuchartig klargestellt: Wenn Leistungsempfänger durch besonders sparsames Verhalten geringere Neben- oder Heizkosten verbrauchen und sich daraus in der Jahresabrechnung ein Guthaben ergibt, sieht das Gesetz nicht vor, dass sie den entsprechenden Rückzahlungsbetrag behalten dürfen. § 22 Abs. 3 SGB II sieht eine Anrechnung der Rückzahlung auf die Unterkunftsbedarfe des Folgemonats vor. Dies gilt unabhängig davon, ob Kosten der Unterkunft und Heizung im Wege der Direktzahlung an den Vermieter bzw. Energieversorger geleistet wurden oder nicht. Das Guthaben steht dem Leistungsträger zu, da dieser auch die monatlichen Vorauszahlungen aus staatlichen Mitteln (vor-)geleistet hat.
Zum anderen ist eine Direktzahlung der laufenden Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung i.S.v. § 22 Abs. 7 SGB II auch gegen den Willen des Leistungsberechtigten möglich, wenn zu befürchten steht, dass dieser die im Rahmen von § 22 Abs. 1 SGB II gewährten Leistungen nicht zweckentsprechend verwendet. Eine Direktzahlung an den Vermieter oder auch an den Energieversorger macht diesen jedoch nicht zum Anspruchsinhaber.
Da in Rechtsprechung und Literatur streitig ist, ob die Entscheidung über die Direktzahlung nach § 22 Abs. 7 SGB II im Wege des Erlasses eines Verwaltungsaktes erfolgen muss oder ob es nur eines informatorischen Schreibens bedarf, hatte das LSG Darmstadt die Revision zugelassen, die aber – soweit bisher ersichtlich – nicht eingelegt wurde.



Immer auf dem aktuellen Rechtsstand sein!

IHRE VORTEILE:

  • Unverzichtbare Literatur, Rechtsprechung und Vorschriften
  • Alle Rechtsinformationen sind untereinander intelligent vernetzt
  • Deutliche Zeitersparnis dank der juris Wissensmanagement-Technologie
  • Online-First-Konzept

Testen Sie das juris Portal 30 Tage kostenfrei!

Produkt auswählen

Sie benötigen Unterstützung?
Mit unserem kostenfreien Online-Beratungstool finden Sie das passende Produkt!