Bestimmung der nicht geringen Menge THC i.S.v. § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanGOrientierungssatz zur Anmerkung Die nicht geringe Menge Cannabis bestimmt sich auch nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes am Wirkstoffgehalt und beträgt 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC). - A.
Problemstellung Wohl selten in der jüngeren Vergangenheit hat ein strafrechtspolitisches Thema die Gemüter derart erhitzt, wie es seit Ende des Jahres 2023 die Neuregelung des Umgangs mit Cannabis vermochte. In der oft ideologisch geführten Debatte zeigte sich beispielhaft, wie sachliche Argumente gelegentlich hinter politischen Erwägungen zurücktreten. Bedenken der Praxis wurden je nach Bedürfnis betont oder marginalisiert und von Landesjustizministern/innen in einigen Fällen unterstützt, ohne dass sich dies immer auch auf das Abstimmungsverhalten im Bundesrat auswirkte. Nun sind die Regelungen in Kraft und es zeigt sich, dass dem Grundsatz Gründlichkeit vor Schnelligkeit zumindest nicht durchgehend entsprochen wurde. Die Umsetzung der neuen Vorschriften, die zahlreiche offene Fragen bieten, obliegt nun der Praxis. Einen der Punkte von besonderer Bedeutung, den Grenzwert der nicht geringen Menge, hat der BGH in einer nur 18 Tage nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes ergangenen Entscheidung aufgegriffen und einer Klärung zugeführt. Die Bedeutung des Vorliegens einer nicht geringen Menge an BtM begründet sich in dem bis zum 31.03.2024 auch auf Cannabis anwendbaren BtMG. Dessen Systematik sieht neben dem Grunddelikt verschiedene Qualifikationen bei besonderen Tatumständen vor. Eine der praktisch relevantesten Konstellationen ist die Begehung des Grunddelikts bezogen auf eine nicht geringe Menge an BtM. Liegen die Voraussetzungen vor, ist die Tat ein Verbrechen gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Wann von einer nicht geringen Menge auszugehen ist, ergibt sich nicht aus dem BtMG. Den unbestimmten Rechtsbegriff hat die Rechtsprechung nach sachverständiger Beratung für die unterschiedlichen BtM jeweils bezogen auf den Wirkstoff, und nicht die absolute Menge an BtM, festgelegt. Solange Cannabis bis zum 31.03.2024 unter das BtMG fiel, war in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass eine nicht geringe Menge ab 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC), dem Wirkstoff in Cannabis, anzunehmen ist. Wie dies nach dem Inkrafttreten des KCanG zu bewerten ist, war Gegenstand der zu besprechenden Entscheidung des BGH.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Das Landgericht hatte zwei Angeklagte wegen des Besitzes von BtM in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit BtM in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Angeklagten hatte eine von unbekannt gebliebenen Tätern eingerichtete Marihuanaplantage bewirtschaftet. Sie versorgten die auf 690 Quadratmetern verteilten Pflanzen und ermöglichten Dritten An- und Abtransporte. Bei der Durchsuchung wurden über 1.700 Pflanzen mit mindestens 160 kg Marihuana und einer Gesamtmenge von 22.105 g THC aufgefunden. Auf die Revision des Angeklagten hat der BGH den Schuldspruch den neuen Regelungen angepasst und das Urteil im Strafausspruch aufgehoben. Gemäß § 2 Abs. 3 StGB war das zwischenzeitlich in Kraft getretene KCanG anzuwenden, weil es sich um das mildere Gesetz handelt. Anders als § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG ist die Tatbegehung in Bezug auf eine nicht geringe Menge in § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG nicht mehr als Verbrechen, sondern als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles ausgestaltet. Des Weiteren ist die Strafdrohung für das Grunddelikt in § 34 Abs. 1 KCanG gegenüber § 29 BtMG reduziert worden. Schließlich sind die nach neuem Recht straffrei zu besitzenden Mengen an BtM in die Tatbestandsvariante des Besitzes aufgenommen worden. Eine Straftat gemäß § 34 Abs. 1 Nr. KCanG liegt nur vor, wenn diese Mengen, die sich auf die Gesamtmenge und nicht den Wirkstoff beziehen, überschritten werden. Der Schuldspruch war daher dieser neuen Gesetzeslage anzupassen. Entscheidend sind dann die Ausführungen des 1. Strafsenats zur Frage, ob denn eine nicht geringe Menge an Cannabis Gegenstand der Verurteilung war. Dies bejaht der BGH und führt dazu aus, dass auch nach der neuen Rechtslage keine Veranlassung besteht, von der bisherigen Festsetzung durch die Rechtsprechung mit 7,5 g THC abzuweichen. Der Senat begründet dies unter Hinweis auf die bisher in der Rechtsprechung geübte Vorgehensweise zur Bestimmung einer nicht geringen Menge an BtM. Entscheidend ist zunächst nur die in einer Menge BtM enthaltene Wirkstoffmenge, bei Cannabis also das THC. Abhängig von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität ist dann der konkrete Grenzwert festzulegen. Als Orientierung hierfür dienen äußerst gefährliche oder tödliche Dosen. Sind derartige Werte nicht zu bestimmen, ist die nicht geringe Menge mit einem Vielfachen der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an das BtM gewöhnten Konsumenten zu bestimmen. Wie hoch dieses Vielfache ist, bemisst sich wiederum nach der Gefährlichkeit des konkreten BtM, orientiert an den Gesundheitsgefahren und dem Abhängigkeitspotenzial. Zu berücksichtigen ist nach der Rechtsprechung dabei neben den pharmakologischen Gefahren auch das Umfeld, in dem der Konsum typischerweise erfolgt. Entscheidend sind also ein objektiv zu ermittelnder Wert – die Konsumeinheit – und ein durch Bewertung der – sich anhand objektiver Kriterien bestimmenden – Gefährlichkeit dominierter Multiplikator. Auf Grundlage sachverständiger Bewertungen hatte die Rechtsprechung schon in den 1980er Jahren der Ermittlung der nicht geringen Menge eine durchschnittliche Konsumeinheit von 15 mg THC zugrunde gelegt. Bei der Bemessung des hiermit zu multiplizierenden Vielfachen war berücksichtigt worden, dass THC nicht zu einer physischen, und nur zu milder psychischer Abhängigkeit führt. Einzustellen waren aber auch die Gefahren des Konsums, etwa Denk- und Wahrnehmungsstörungen, Lethargie, Realitätsverlust, Depression, zuweilen auch Psychosen und eine erhöhte Gefahr des Umsteigens auf harte Drogen. Der Grenzwert wurde daher, auch um einen angemessenen Abstand etwa zu Heroin als harte Droge zu wahren, auf 500 Konsumeinheiten festgelegt. So ergab sich rechnerisch die nicht geringe Menge von 7,5 g. Da der Gesetzgeber im KCanG einen Wert der nicht geringen Menge nicht vorgegeben hat, überprüft der BGH nun, ob sich aus dem Gesetz oder aus anderen Gründen eine Abweichung von der bisherigen Einschätzung ergibt und lehnt dies im Ergebnis ab. Die der bisherigen Rechtsprechung zugrunde liegenden wissenschaftlichen Eckdaten haben sich nicht verändert. Daran ändert auch die in der Straflosigkeit des Besitzes bestimmter Mengen Cannabis nach dem KCanG manifestierte, geringere Gefährlichkeit von Cannabis gegenüber harten Drogen nichts. Dieser Umstand ist bei der Bemessung des Grenzwertes durch die Rechtsprechung bereits berücksichtigt worden. Anlass für eine abweichende Bewertung geben auch weder der – insoweit unergiebige – Wortlaut oder Sinn und Zweck des KCanG. Nach dessen Regelungen sind zwar bestimmte Verhaltensweisen nicht mehr strafbar, die gesundheitlichen Risiken von Cannabis werden aber in der Gesetzesbegründung an mehreren Stellen betont. In systematischer Hinsicht steht die Erlaubnis bestimmter Besitzmengen der Fortgeltung bisheriger Grenzwerte nicht entgegen, da sich aus den Freigrenzen eine Aussage zur Gefährlichkeit des Wirkstoffs nicht ableiten lässt. Hier verweist der BGH auf das Problem, dass angesichts der in der Praxis festzustellenden Wirkstoffanteile bei Überschreiten der Grenze zur Strafbarkeit, also dem Besitz von mehr als 60 g Cannabis, das Regelbeispiel bereits erfüllt sein kann. Angesichts der Varianz an Wirkstoffanteilen sieht der Senat allerdings auch einen unterhalb des Regelbeispiels verbleibenden Anwendungsbereich. Zudem ergibt sich aus dem Gesetz kein Hinweis auf eine Art Abstandsgebot, nachdem die nicht geringe Menge erst ab einer bestimmten Besitzmenge Cannabis – und nicht THC-Anteil – einschlägig sein soll. Zum Schluss seiner Argumentation befasst sich der BGH dann auch mit der in der Begründung des KCanG ausdrücklich formulierten Erwartung des Gesetzgebers, der Grenzwert der nicht geringen Menge müsse deutlich höher als in der Vergangenheit liegen. Diesem Ansinnen fehlt es an Verbindlichkeit, da der Gesetzesbegründung keine tatsachenbasierten Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, welche der für die bisherige Rechtsprechung maßgeblichen Umstände sich geändert haben sollen. Das Absenken der Strafdrohung in § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG für sich genommen reicht dem BGH als Grund nicht aus. Inwieweit sich die geringere Strafdrohung trotz des in etwa 3.000fachen Überschreitens des Grenzwertes auf die Strafzumessung im konkreten Fall auswirkt, wird nun durch das Landgericht festzustellen sein.
- C.
Kontext der Entscheidung Die Entscheidung hat in den Tagen nach ihrer Veröffentlichung aus verschiedenen Gründen für rege Diskussionen gesorgt. Für Irritationen sorgte, dass in der schon wenige Tage nach Ergehen des Beschlusses im Volltext veröffentlichten Entscheidung zunächst die Grenze der Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis mit 50 g und nicht mit 60 g angegeben worden war. Zwar erlaubt § 3 Abs. 2 Nr. 1 KCanG nur den Besitz von bis zu 50 g am Wohnsitz. Der Besitz von über 50 g bis zu 60 g Cannabis stellt jedoch gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1b) KCanG eine Ordnungswidrigkeit dar. Eine Strafbarkeit sieht § 34 Abs. 1 Nr. 1b) KCanG erst ab mehr als 60 g Cannabis vor. Diese Version des BGH-Beschlusses wurde in der Folgezeit von dem Internetauftritt des BGH entfernt und einige Tage später durch eine Fassung mit zutreffenden Mengenangaben ersetzt. Der BGH teilte hierzu mit, versehentlich sei kurzzeitig eine nicht dem Senatsbeschluss entsprechende Textdatei abrufbar gewesen (vgl. hierzu und zu den Reaktionen den Beitrag von Suliak, abrufbar bei www.lto.de). Wenig überraschend ist in der Sache das Abweichen des BGH von der in der Gesetzesbegründung ( BT-Drs. 20/8704, S. 132) geäußerten Erwartung einer Anhebung des Grenzwertes auf Kritik gestoßen. Grubwinkler, abrufbar bei www.lto.de, wirft dem BGH sogar einen Verstoß gegen die Verfassung vor, da die Rechtsprechung nicht die Voraussetzungen der Strafbarkeit gegen den Willen des Gesetzgebers festlegen könne und mutmaßt, ein anderer Senat könne sich gegen die Wertung des 1. Senats stellen. Bei genauerer Betrachtung ist dem BGH jedoch wenig vorzuwerfen. Die Befassung mit dem § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG zugrunde zu legenden Wert einer nicht geringen Menge war erforderlich, auch wenn im konkreten Fall angesichts der festgestellten Wirkstoffmenge des Cannabis von über 22 kg THC kein Zweifel an dem Vorliegen des Regelbeispiels begründet sein dürfte. Maßgeblich für die Strafzumessung ist aber, wie deutlich der Grenzwert überschritten wurde. Die Ausführungen des Senats waren daher veranlasst und nicht bloßes obiter dictum. Die ausführlich begründete Klarstellung war auch im Interesse der Rechtssicherheit aller Verfahrensbeteiligter in ähnlichen Verfahren. Instanzgerichte hatten die nicht geringe Menge seit dem 01.04.2024 unterschiedlich bewertet. Auch bei den Obergerichten gab es abweichende Ansichten. Das OLG Hamburg hatte sich in einem Beschluss vom 09.04.2024 (5 Ws 19/24) – entgegen dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die von einer Verdoppelung des Grenzwerts ausging – für das Fortgelten der bisherigen Werte entschieden. Das BayObLG hatte in einem Beschl. v. 12.04.2024 (206 StRR 129/24) hingegen die Frage zwar letztlich aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls offengelassen, sich dabei aber mit Blick auf die gesetzgeberische Wertung im KCanG gegen einen Rückgriff auf die bisherige Rechtsprechung ausgesprochen. Uneinheitlich waren auch die ersten Stimmen in der Literatur. Unter Hinweis auf den Ansatz der verschärften Strafdrohungen, gezielt die Organisierte Kriminalität zu bekämpfen, stellt Sobota (NJW 2024, 1217, 1219 f.) auf das Bruttogewicht und dann eine Grenze von 1 kg ab. Eine Anhebung der Wirkstoffmenge auf 100 g oder alternativ ein Abstellen auch auf Pflanzen- oder Bruttomengen schlägt Krumm vor (NJ 2024, 151, 153). Für ein Heranziehen der Bruttomengen spricht sich mit Blick auf die Verwendung als Bezugsgröße im KCanG auch im Übrigen Ferner (jurisPR-StrafR 8/2024 Anm. 2) aus. Da sich die Eckdaten der Grundlagen für die bisherige Rechtsprechung nicht verändert haben, votiert Patzak (abrufbar bei www.community.beck.de) für ein Beibehalten der auf den Wirkstoff bezogenen nicht geringen Menge von 7,5 g THC. Um der gesetzgeberischen Wertung eines erlaubten Besitzes von bis zu 50 g Rechnung zu tragen, spricht er sich allerdings dafür aus, diese Menge bei der Ermittlung der nicht geringen Menge unberücksichtigt zu lassen. Angesichts dieser Bandbreite an vertretenen Ansichten erleichtert die mit der BGH-Entscheidung erreichte Klarheit die Rechtsanwendung. Zudem hat der Senat letztlich das getan, was man von ihm erwarten konnte. Die gefestigte Rechtsprechung wurde überprüft und mangels Anlasses für abweichende Bewertung fortgeführt. Unbestritten dürfte dabei sein, dass es keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse etwa aus dem Bereich der Pharmakologie gibt, die zu einer veränderten Bewertung von Cannabis führen. Damit bleibt die Frage, ob die veränderte gesetzgeberische Wertung, ausgedrückt in der Straflosigkeit bestimmter Besitzmengen und der Absenkung der Strafhöhe, der bisherigen Rechtsprechung die Grundlage entzieht. Dies hat der BGH zutreffend abgelehnt. Der Gesetzgeber hat sich nicht die Mühe gemacht, eine nachvollziehbare Begründung dafür anzugeben, weshalb sich die Straflosigkeit bestimmter Verhaltensweisen auf die konkrete Ermittlung der nicht geringen Menge auswirken soll. Hier hätte es entweder der Darstellung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse oder anderer besonderer, für die Risikobewertung maßgeblicher Umstände bedurft. Der bloße Wunsch des Gesetzgebers genügt ohne fundierte Begründung oder klare gesetzliche Regelung nicht. Beide Lösungswege hätten dem Gesetzgeber zur Verfügung gestanden, gewählt wurden sie jedoch nicht. Vielmehr betont die Gesetzesbegründung an mehreren Stellen, etwa zur Definition der Tathandlungen, die Kontinuität zu der Handhabung nach dem BtMG. Auch wurde im KCanG die nicht geringe Menge als Begrifflichkeit aus dem BtMG ohne Bezug zu einer Bruttomenge übernommen. Das Argument einer veränderten, im KCanG zum Ausdruck gebrachten gesellschaftlichen Wertung ist demgegenüber zwar nicht von der Hand zu weisen, diese hat der Gesetzgeber aber nicht auf die bekannten Anforderungen der Rechtsprechung zur Bestimmung einer nicht geringen Menge umgesetzt. Mit Blick auf diese Umstände verweist das OLG Hamburg in seiner Entscheidung vom 09.04.2024 darauf, jede Neufestsetzung des Grenzwertes unter Ansatz eines höheren Multiplikators erschiene willkürlich. Letztlich gebietet auch die – angesichts der aktuell festzustellenden Wirkstoffmengen durchaus realistische – Einschätzung, eine Vielzahl der Fälle des Besitzes von über 60 g Cannabis werde künftig das Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG erfüllen, eine andere Bewertung nicht. So hätte es auch hier dem Gesetzgeber freigestanden, die nicht geringe Menge wie auch die straflose Menge am Bruttogewicht zu orientieren, um ein Abstandsgebot gesetzlich zu verankern. Im Übrigen ermöglicht aber gerade die gewählte Deliktstruktur eine angemessene Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls. Allein das Verwirklichen der Voraussetzungen eines Regelbeispiels führt nicht zwingend zur Anwendung des erhöhten Strafrahmens. Ist das Regelbeispiel erfüllt, besteht – anders als bei der Qualifikation nach altem Recht – lediglich die widerlegbare Vermutung eines besonders schweren Falles. Besonderheiten kann im Rahmen der bei Regelbeispielen stets erforderlichen Abwägung im Einzelfall Rechnung getragen werden. Daher erscheint es auch nicht angezeigt, eine bestimmte Teilmenge von der Ermittlung der nicht geringen Menge auszunehmen. So nachvollziehbar die Entscheidung des BGH in der Sache ist, systemische Brüche im – vielleicht nicht ganz durchdachten – Konzept des KCanG vermag sie nicht zu vermeiden (zu den Wertungswidersprüchen vgl. auch Ferner, jurisPR-StrafR 8/2024 Anm. 2). Bei Überschreiten der Besitzmenge von 60 g Cannabis liegt eine Strafbarkeit nach dem Grundtatbestand des § 34 Abs. 1 Nr. 1b) KCanG vor. Die spät ins Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Norm des § 35a KCanG sieht aber für diesen Bereich u.a. des Besitzes einer geringen Menge Cannabis eine spezielle Einstellungsvorschrift nach dem Opportunitätsprinzip vor. Der Hintergrund erschließt sich nicht zwingend, denn – anders als bei der vergleichbaren Situation des § 31a BtMG – der Eigenbesitz bestimmter Mengen ist durch das KCanG bereits straflos gestellt. Nach der in § 35a KCanG zum Ausdruck gebrachten Wertung stellen 61 g Cannabis nun eine geringe Menge dar. Weisen diese 61 g Cannabis aber einen Wirkstoffanteil von mehr als 13% auf, was nicht selten der Fall sein dürfte, wäre die geringe Menge von 61 g Cannabis mit ca. 8 g THC zugleich eine nicht geringe Menge. Diesen Widerspruch hat der BGH nicht in seine Überlegungen einbezogen. Eine Lösung dieser in einem wenig stringenten Gesetzgebungsverfahren eingebauten Probleme dürfte aber auch nicht von der Rechtsprechung, sondern vom Gesetzgeber zu erwarten sein.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Da das KCanG als milderes Gesetz auf alle anhängigen Verfahren mit Cannabisbezug anwendbar ist, hat die Entscheidung des BGH hohe praktische Relevanz. Eine der zentralen Fragen des § 34 KCanG ist geklärt, was der Praxis die Anwendung der neuen Regelungen erleichtert. Ob sich andere Senate des BGH der Bewertung des 1. Senats anschließen, bleibt abzuwarten, für die Rechtssicherheit ist die Entscheidung aber ohne Zweifel sehr hilfreich. Da das KCanG noch zahlreiche weitere ungeklärte Fragen bereithält, etwa die Verwertbarkeit von bestimmten Ermittlungserkenntnissen wie Encrochat-Protokolle oder die Umsetzung der Amnestie- und Tilgungsvorschriften, und die Umsetzung der erforderlichen Regelungen noch nicht in allen Ländern abgeschlossen ist, bleibt reichlich Raum für weitere Debatten.
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