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Anmerkung zu:BFH 6. Senat, Urteil vom 14.12.2023 - VI R 1/21
Autor:Prof. Dr. Monika Jachmann-Michel, Vors. Ri’inBFH
Erscheinungsdatum:15.04.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 166 HGB, § 173 AO 1977, § 118 FGO, § 39 AO 1977, § 8 EStG, § 11 EStG, § 38a EStG, § 19 EStG, § 17 EStG, § 20 EStG, § 23 EStG
Fundstelle:jurisPR-SteuerR 15/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D.
Prof. Dr. Franz Dötsch, Vors. RiBFH a.D.
Zitiervorschlag:Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 15/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Gewinn aus der marktüblichen Veräußerung einer Mitarbeiterbeteiligung kein Arbeitslohn



Leitsätze

1. Der Gewinn (Differenz zwischen [Rück-]Kaufpreis und Anschaffungskosten) aus der marktüblichen Veräußerung einer Mitarbeiterbeteiligung ist kein lohnsteuerbarer Vorteil, auch wenn der Arbeitnehmer die Beteiligung an seinem Arbeitgeber zuvor verbilligt erworben hat.
2. Ein lohnsteuerbarer Vorteil kann nur insoweit vorliegen, als der Arbeitnehmer aus der Veräußerung der Mitarbeiterbeteiligung einen durch das Arbeitsverhältnis veranlassten marktunüblichen Überpreis erzielt.



A.
Problemstellung
Zu entscheiden war über die Zuordnung des Gewinns aus der Veräußerung einer Mitarbeiterbeteiligung zu den Einkünften gemäß § 19 EStG.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Der Kläger war von 2000 bis 2008 als leitender Angestellter bei einer GmbH beschäftigt. 2005 erwarb eine Investorengruppe (X) die GmbH mittelbar über mehrere Tochtergesellschaften, letztlich über die … S.à.r.l. (S), eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts. Die GmbH sollte umstrukturiert und anschließend wieder veräußert oder an die Börse gebracht werden. Vor diesem Hintergrund bot X 2006 ausgewählten Führungspersonen der GmbH, zu denen auch der Kläger gehörte, die Teilnahme an einem Managementbeteiligungsprogramm (MPP) an. Dieses sah vor, dass die Führungspersonen Kommanditisten einer vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten GmbH & Co. KG (Manager KG) werden sollten. Die Manager KG sollte Anteile an S erwerben. Hierfür waren von den Managern Kommanditeinlagen zu leisten und nachrangige verzinsliche Darlehen auszureichen. Ziel des Programms war die Teilhabe der Manager am Unternehmenserfolg. Das von ihnen eingesetzte Kapital sollte sich hierdurch spätestens in sechs Jahren vervielfachen. Auch sollten die Manager – gemessen an dem insgesamt eingesetzten Kapital – verhältnismäßig mehr Eigenkapital an S erwerben können als X.
Der Kläger trat dem MPP bei und wurde Kommanditist der Manager KG. Er leistete neben einer Hafteinlage eine Pflichteinlage sowie ein Agio. Überdies gewährte er S vereinbarungsgemäß ein Darlehen.
Mittels der Einlagen der Kommanditisten erwarb die Manager KG 2006 eine Beteiligung an S; der Kläger war hiernach – bei einer Bruchteilsbetrachtung – mittelbar an S beteiligt. Die weiteren Anteile an S hielt die von X beherrschte Holding Limited (H).
Den Kommanditisten und damit auch dem Kläger standen Stimmrechte und eine Beteiligung am Gewinn und Verlust der Manager KG entsprechend ihrer Pflichteinlagen zu. Gesellschafterbeschlüsse der Manager KG waren grundsätzlich mit der Mehrheit der Stimmen zu fassen. Ferner verfügten die Kommanditisten über die Kontrollrechte gemäß § 166 Abs. 1 und Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs in der im Streitjahr gültigen Fassung. Ausschüttungen der Manager KG sollten erst mit ihrer Auflösung erfolgen, die spätestens nach dem Laufzeitende zum 31.12.2020 vorgesehen war. Eine vorzeitige Auflösung der Manager KG war im Übrigen nur durch einstimmigen Beschluss aller Kommanditisten möglich. Die Veräußerung der Anteile an S war der Manager KG vertraglich nur unter bestimmten eingeschränkten Bedingungen gestattet.
Bei Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mussten die Kommanditisten aus der Manager KG ausscheiden und ihre Beteiligung an der Manager KG sowie die Darlehen – bewehrt mit sogenannten Bad- und Good-Leaver-Klauseln – übertragen.
2007 wurde die Tochtergesellschaft der S, die unmittelbar die Anteile an der GmbH hielt, in eine Aktiengesellschaft (Y AG) umgewandelt. Daraufhin schlossen die Beteiligten des MPP eine Zusatzvereinbarung unter anderem über die konkrete Verteilung der Aktien der Y AG, dem wesentlichen Vermögenswert der S. Die Aktien sollten hiernach zunächst für die Rückzahlung bestehender Verbindlichkeiten der S und die Begleichung aller ausstehenden Kosten verwendet werden. Das verbleibende „Nettovermögen“ sollte den Gesellschaftern der S – mithin auch der Manager KG – anteilig im Verhältnis ihrer jeweiligen Kapitaleinlagen zugeordnet werden. Nach dem Börsengang der Y AG und den Rückzahlungen sollte sich die Manager KG aus S zurückziehen. Dies sollte durch Rückkauf der von der Manager KG an S gehaltenen Anteile geschehen. Als Gegenleistung für den Rückkauf sollte S der Manager KG eine deren Kapitalanteil entsprechende Anzahl an Aktien der Y AG übertragen.
Der Börsengang der Y AG erfolgte 2007. Die Gesellschafterversammlung der S beschloss den Rückkauf und die Einziehung aller von der Manager KG gehaltenen Anteile an S gegen Übertragung von Aktien der Y AG. Die Übertragung erfolgte mit dinglicher und wirtschaftlicher Wirkung ebenfalls 2007.
Die Aktien der Y AG wurden entsprechend der Beteiligung der Führungspersonen an der Manager KG in Unterdepots übertragen, die namentlich auf die einzelnen Manager lauteten. Dem Kläger wurden entsprechend seiner Beteiligung an der Manager KG Aktien der Y AG zugeteilt.
2011 prüfte eine Landesfinanzbehörde die Manager KG. Aufgrund dieser Prüfung erhöhte der Beklagte und Revisionskläger (FA) den Arbeitslohn des Klägers für 2006. Der Kläger habe die Kommanditbeteiligung und damit die über die Manager KG gehaltenen Anteile an S verbilligt erworben. Das FA setzte deshalb die Einkommensteuer der Kläger für 2006 – nach einer Verständigung über die Höhe des geldwerten Vorteils – entsprechend höher fest.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr gaben die Kläger den Erlös aus der Veräußerung der über die Manager KG gehaltenen Anteile an S nicht an. 2013 – nach Eintritt der Bestandskraft des insoweit erklärungsgemäß ergangenen Einkommensteuerbescheids für 2007 – leitete die Steuerfahndung gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren ein und gelangte dabei zu der Auffassung, dass der Kläger aus der vorgenannten Veräußerung – das heißt aus dem Rückkauf und der Einziehung aller von der Manager KG gehaltenen Anteile durch S gegen Übertragung von wertgleichen Aktien der Y AG – im Streitjahr einen Gewinn erzielt habe, der als Arbeitslohn von dritter Seite zu versteuern sei.
Das FA schloss sich dieser Auffassung an und erließ für das Streitjahr einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid. Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG statt (EFG 2020, 1424).
II. Der BFH hat die Revision des FA zurückgewiesen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Erlös aus der Veräußerung der über die Manager KG gehaltenen Anteile an S keinen geldwerten Vorteil bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit darstellt und der Veräußerungserlös auch nach keiner anderen Einkunftsart steuerbar ist.
1. Der Kläger hat durch die Veräußerung der über die Manager KG gehaltenen Anteile an S im Streitjahr keinen Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 EStG) bezogen.
a) Der Kläger hat mit seiner Beteiligung an der vermögensverwaltenden Manager KG, aufgrund derer ihm die von der Manager KG gehaltenen Anteile an S gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO entsprechend seiner Kommanditbeteiligung anteilig zuzurechnen waren, ein zivilrechtlich wirksames Sonderrechtsverhältnis begründet, das neben seinem Arbeitsverhältnis zu der GmbH bestand. Anhaltspunkte dafür, dass die Kommanditbeteiligung – und damit auch die dem Kläger anteilig zuzurechnende Kapitalbeteiligung an S – abweichend von ihrer zivilrechtlichen und mithin grundsätzlich steuerrechtlich maßgeblichen Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO einem anderen (wirtschaftlichen) Eigentümer zuzurechnen sein könnte, hat das FG nicht festgestellt und wurden von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht. Der Senat sieht daher insoweit von weiteren Ausführungen ab.
b) Die (Kommandit-)Beteiligung an der Manager KG stellte eine eigenständige, vom Arbeitsverhältnis des Klägers unabhängige Erwerbsgrundlage/Einkunftsquelle dar.
aa) Ihr lag nicht lediglich die Nutzung der Arbeitskraft des Klägers als Arbeitnehmer der GmbH zugrunde. Der Beteiligung kam vielmehr ein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zu. Die Beteiligung an der Manager KG – und ebenso deren Beteiligung an S – waren ernsthaft vereinbart und wurden entsprechend den getroffenen Vereinbarungen auch tatsächlich durchgeführt. Dies steht für die Beteiligung der Manager KG an S zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit. Gleiches gilt aber auch für die Beteiligung des Klägers an der Manager KG. So hat sich der Kläger unstreitig durch eine Kapitaleinlage an der Manager KG als Kommanditist beteiligt und hat S zur Rückführung von deren Verbindlichkeiten ein Darlehen eingeräumt. Die Kapitaleinlage war zudem – ausgehend von dem vereinbarten Gesellschaftszweck – ausschließlich zum Erwerb der Kapitalbeteiligung an S bestimmt und wurde auch entsprechend verwendet. Die Kommanditbeteiligung war zivilrechtlich wirksam vereinbart, insbesondere standen dem Kläger nach dem vom FG bindend festgestellten Inhalt der (Gesellschafts-)Verträge (§ 118 Abs. 2 FGO) die wesentlichen Kontroll-, Stimm-, Mitwirkungs- und Gewinnbezugsrechte als Kommanditist zu. Der Streitfall ist damit nicht mit dem Sachverhalt vergleichbar, über den der Senat in seinem Urteil vom 03.07.2019 (VI R 12/16) zu entscheiden hatte. In jenem Fall wurde dem dortigen Kläger lediglich das schuldrechtliche Versprechen auf Teilhabe an einem künftigen Erlös aus einer späteren Veräußerung der einem Dritten gehörenden Geschäftsanteile gegeben, ohne dass ihm eine echte (Unter-)Beteiligung eingeräumt worden war.
bb) Der steuerlichen Anerkennung der Kommanditbeteiligung als selbstständiges Sonderrechtsverhältnis stehen im Streitfall auch die vertraglich vereinbarten sog. Leaver-Klauseln nicht entgegen. Solche Klauseln sind im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen üblich. Zwar verknüpfen Leaver-Klauseln den Fortbestand des Beteiligungsverhältnisses mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Sie sind aber nicht geeignet, einer bestehenden Beteiligung ihren eigenständigen Rechtscharakter zu nehmen. Die Beteiligung verliert allein durch solche Klauseln nicht ihren wirtschaftlichen Gehalt. Denn sogenannte Leaver-Klauseln stellen die mit der Mitarbeiterbeteiligung regelmäßig und so auch im Streitfall verfolgten Zwecke, die Mitarbeiter durch ihre Beteiligung als Gesellschafter an das Unternehmen zu binden und ihnen durch die Beteiligung die Teilhabe an der Gewinn- beziehungsweise Wertentwicklung des Unternehmens zu ermöglichen, nicht in Frage.
c) Soweit der Kläger aus der Veräußerung der Anteile der Manager KG an S gegen Übertragung der Aktien der Y AG einen Veräußerungsgewinn als Differenz zwischen dem (Rück-)Kaufpreis (Wert der Aktien am Übertragungsstichtag) und den Anschaffungskosten der Beteiligung (Kapitaleinlage in die Manager KG) erzielt hat, stellt dieser weder einen Vorteil in dem oben dargelegten Sinne dar noch ist er durch das Arbeitsverhältnis des Klägers zur GmbH veranlasst.
aa) An einem geldwerten Vorteil fehlt es bereits deshalb, weil der Kläger die Anteile an der Y AG nicht verbilligt erlangt hat. Denn im Streitfall hat S nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG ihre Gesellschaftsanteile von der Manager KG zum Marktpreis zurückgekauft, indem sie als Gegenleistung für ihre Anteile eine solche Anzahl an Aktien der Y AG übertragen hat, die der kapitalmäßigen Beteiligung der Manager KG an ihr entsprach. Die der Manager KG für die Übertragung der Beteiligung gewährte Gegenleistung (Aktien der Y AG) entsprach dabei verhältnismäßig auch der Anzahl der Aktien der Y AG, die der anderen Gesellschafterin (H) entsprechend ihrer Kapitalbeteiligung zugeordnet worden waren. Leistung und Gegenleistung standen sich bei der Veräußerung der Gesellschaftsanteile gegen die Übertragung der Aktien der Y AG daher ausgeglichen gegenüber, so dass es insoweit an einem Überpreis fehlt. Ein solcher kann auch nicht darin gesehen werden, dass die Manager – gemessen an dem insgesamt eingesetzten Kapital – im Streitfall verhältnismäßig mehr Eigenkapital an S erwerben konnten als die Investorengruppe X und damit beim Rückkauf auch verhältnismäßig mehr Anteile an der Y AG erhielten. Denn dieser Umstand vermag nichts daran zu ändern, dass S ihre Anteile von der Manager KG im Streitjahr nicht verbilligt, sondern zum Marktpreis zurückgekauft hat.
bb) Der dem Kläger aufgrund seiner Kommanditbeteiligung an der Manager KG zuzurechnende Gewinn aus der Veräußerung der Gesellschaftsanteile an S beruhte zudem auf einem selbstständig neben dem Arbeitsverhältnis bestehenden Sonderrechtsverhältnis. Dadurch veranlasste Erwerbseinnahmen werden nicht „für“ eine Beschäftigung gewährt und stellen folglich keinen Arbeitslohn dar. Erträge (zum Beispiel in Form von Gewinnausschüttungen oder Veräußerungsgewinnen), die der Steuerpflichtige aus einer solchen Beteiligung erzielt, sind daher – selbst wenn die Beteiligung am Unternehmen seines Arbeitgebers besteht – nicht nach § 19 EStG, sondern allein nach den insoweit einschlägigen Tatbeständen des Einkommensteuergesetzes (insbesondere §§ 17, 20, 23 EStG) steuerbar.
Dies gilt selbst dann, wenn der Kläger die (Kapital-)Beteiligung zuvor verbilligt erworben haben sollte. Ist der verbilligte Erwerb durch das Arbeitsverhältnis veranlasst, führt dies – wie ausgeführt – zu einem lohnsteuerbaren Vorteil, der bei Zufluss als Arbeitslohn zu versteuern ist. Damit ist der Erwerbsvorgang steuerlich abgeschlossen. Denn Erwerb und Veräußerung einer (Kapital-)Beteiligung (am Arbeitgeber) sind zwei unterschiedliche – steuerlich voneinander getrennt und unabhängig zu betrachtende – Sachverhalte. Deshalb wirkt ein ggf. bei Erwerb der Beteiligung bestehender arbeitslohnbegründender Veranlassungszusammenhang nicht im Rahmen eines späteren Veräußerungsvorgangs fort.
d) Nach dem Erwerb eintretende Wertänderungen, aber auch (Veräußerungs-)Gewinne wie Verluste sind regelmäßig nicht (mehr) durch das Arbeitsverhältnis veranlasst, sondern durch das Sonderrechtsverhältnis „Beteiligung“. Sie werden dem Arbeitnehmer nicht durch den Arbeitgeber vermittelt, sondern sind dem Marktgeschehen geschuldet.
Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn der Steuerpflichtige bei der Veräußerung seiner Beteiligung einen marktunüblichen Überpreis erzielt. Denn ein bei der Veräußerung erzielter, über das Marktübliche hinausgehender geldwerter Vorteil kann auch bei Bestehen eines Sonderrechtsverhältnisses durch das Arbeitsverhältnis des Steuerpflichtigen veranlasst sein und deshalb zu Arbeitslohn führen. Ob ein zu einem solchen geldwerten Vorteil führender Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist nach den allgemeinen Grundsätzen und damit nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Im Streitfall hat der Kläger bei der Veräußerung der Beteiligung der Manager KG an S – wie dargelegt – indessen keinen dahin gehenden geldwerten Vorteil erzielt.
2. Ob dem Kläger im Zeitpunkt der Anschaffung/des Erwerbs der Kommanditbeteiligung, aufgrund der ihm auch die von der Manager KG an S gehaltenen Anteile gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zuzurechnen waren, im Jahr 2006 ein geldwerter Vorteil entstanden sein kann, ist für die Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres ohne Bedeutung. Der Kläger hat die Beteiligung an der Manager KG nicht im Streitjahr, sondern bereits im Vorjahr 2006 erworben. Ein etwaiger geldwerter Vorteil aus diesem – möglicherweise verbilligten – Beteiligungserwerb wäre dem Kläger folglich nicht im Streitjahr, sondern im Jahr 2006 zugeflossen. Denn der Kläger ist bereits 2006 zivilrechtlich und unter den im Streitfall vorliegenden Umständen auch wirtschaftlich Inhaber der Kommanditbeteiligung geworden. Die vereinbarten Verfügungsbeschränkungen stehen dem vorliegend nicht entgegen.
3. Das FG hat ferner zutreffend entschieden, dass der Erlös des Klägers aus dem Rückkauf der Gesellschaftsanteile der S im Streitjahr auch keiner anderen Einkunftsart zuzurechnen ist. Da dies zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit steht, sieht der Senat insoweit von einer weiteren Begründung ab.


C.
Kontext der Entscheidung
Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile in Geld oder Geldeswert (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EStG), die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG).
I. Der hiernach für das Vorliegen von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zunächst erforderliche geldwerte Vorteil liegt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats insbesondere im Falle der Übertragung einer Beteiligung nicht in der übertragenen Beteiligung selbst. Er besteht – soweit der Erwerb einer Mitarbeiterbeteiligung in Rede steht – vielmehr in der Verbilligung, also in dem Preisnachlass. Der Erwerb einer solchen Beteiligung zum marktüblichen Preis kann hingegen keinen geldwerten Vorteil in diesem Sinne bewirken (u.a. BFH, Urt. v. 15.03.2018 - VI R 8/16). Dementsprechend begründet auch die marktübliche Veräußerung einer Beteiligung durch den Arbeitnehmer keinen geldwerten Vorteil. Ein solcher kann nur insoweit vorliegen, als der Arbeitnehmer bei der Veräußerung einen marktunüblichen Überpreis erzielt.
II. Arbeitslohn setzt des Weiteren voraus, dass der betreffende geldwerte Vorteil für eine Beschäftigung gewährt wird, also durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist, ohne dass ihm eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist zu bejahen, wenn der Vorteil dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließt und sich als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit darstellt. Arbeitslohn kann dabei auch in der Zuwendung eines Dritten bestehen, wenn diese ein Entgelt „für“ eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Dagegen liegt kein Arbeitslohn vor, wenn eine Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird.
III. Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit unterliegen der Einkommensteuer (erst) im Zeitpunkt ihres Zuflusses. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Vereinnahmung von Arbeitslohn gelten gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG die Vorschriften des § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG. Laufender Arbeitslohn gilt hiernach in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum endet, für den der Arbeitslohn gezahlt wird. Arbeitslohn, der – wie die Verbilligung eines Beteiligungserwerbs – nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt. Arbeitslohn ist mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zugeflossen. Zuflusszeitpunkt ist nach ständiger Rechtsprechung der Tag der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers, also der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt.


D.
Auswirkungen für die Praxis
I. Eine Kommanditbeteiligung kann auch dann als vom Arbeitsverhältnis zu unterscheidendes selbstständiges Sonderrechtsverhältnis steuerlich anzuerkennen sein, wenn sog. Leaver-Klauseln – z.B. Bad-Leaver-Klausel und Good-Leaver-Klausel wie im Streitfall – vereinbart sind, die den Fortbestand des Beteiligungsverhältnisses mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses verknüpfen. Dann sind Erträge (insbesondere Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinne) aus dem Sonderrechtsverhältnis „Beteiligung“ am Unternehmen des Arbeitgebers nicht nach § 19 EStG, sondern nach den insoweit einschlägigen Tatbeständen des EStG (insbesondere §§ 17, 20, 23 EStG) steuerbar.
II. Erwerb und Veräußerung einer (Kapital-)Beteiligung (am Arbeitgeber) sind steuerlich voneinander getrennt und unabhängig zu betrachten. Ein ggf. bei Erwerb der Beteiligung bestehender arbeitslohnbegründender Veranlassungszusammenhang wirkt nicht im Rahmen eines späteren Veräußerungsvorgangs fort.



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