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Anmerkung zu:BFH 5. Senat, Urteil vom 14.12.2023 - V R 28/21
Autor:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D., RA
Erscheinungsdatum:13.05.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 59 AO 1977, § 7 KHEntgG, § 10 BPflV 1994, § 116 SGB 5, § 120 SGB 5, § 3 GewStG, § 64 AO 1977, § 66 AO 1977, § 68 AO 1977, § 5 KStG 1977, § 2 KHG, § 107 SGB 5, § 67 AO 1977, § 57 AO 1977, § 65 AO 1977, § 3a UStG 1980, § 1 UStDV 1980, EGRL 112/2006
Fundstelle:jurisPR-SteuerR 19/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D.
Prof. Dr. Franz Dötsch, Vors. RiBFH a.D.
Zitiervorschlag:Fischer, jurisPR-SteuerR 19/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Zweckbetrieb „Krankenhaus“ i.S.d. § 67 der Abgabenordnung (AO)



Leitsätze

1. Einnahmen eines Krankenhauses aus der Personal- und Sachmittelgestellung an nach § 116 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ermächtigte Ärzte - und demgemäß die diesen Einnahmen zuzuordnenden Ausgaben - hängen nicht mit dem Zweckbetrieb „Krankenhaus“ (§ 67 Abs. 1 AO) zusammen, sondern gehören zu den Besteuerungsgrundlagen, die einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind (§ 64 Abs. 1 AO).
2. Zur Anwendung der §§ 64, 67 AO auf Mitarbeitercafeterien, die aus arbeitsrechtlichen Gründen defizitär betrieben werden.



A.
Problemstellung
Der BFH hatte über die Frage zu entscheiden, ob bei einem Betrieb gewerblicher Art (BgA) Gewinne aus der Personal- und Sachmittelgestellung an angestellte Krankenhausärzte, die zu ambulanten Behandlungen im Krankenhaus ermächtigt sind, als Teil des Zweckbetriebs „Krankenhaus“ von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit sind. Des Weiteren war streitig, ob Betriebsausgaben teilweise dem steuerfreien Zweckbetrieb „Krankenhaus“ zuzuordnen sind, soweit sie in Cafeterien der Klägerin auf die vergünstigte Abgabe von Speisen und Getränken an eigene Mitarbeiter des Krankenhauses entfallen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin, eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, betrieb in den Streitjahren 2007 bis 2011 mehrere Krankenhäuser, welche sie als gleichartige BgA zu einem einheitlichen BgA zusammenfasste, der in den Streitjahren über eine den Anforderungen der §§ 59 ff. AO genügende Satzung mit dem Satzungszweck der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege verfügte. Es entfielen jeweils über 80 v.H. der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 KHEntgG, § 10 BPflV) berechnet wurden.
Die Klägerin genehmigte den bei ihr angestellten Ärzten als Nebentätigkeit die ambulante Behandlung von Patienten, soweit die Ärzte nach § 116 SGB V oder nach § 31a der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten ermächtigt oder (teil-)zugelassen waren (ermächtigte Ärzte) und eine Zulassung für das Krankenhaus nicht bestand. Die Ermächtigungen waren beschränkt auf die Erbringung bestimmter Leistungen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die ermächtigten Ärzte nicht sichergestellt war. Die über eine (Teil-)Zulassung verfügenden Ärzte konnten Patienten ambulant auf Kosten der Klägerin behandeln, soweit die ärztlichen Leistungen zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörten. Für die genehmigte Nebentätigkeit stellte die Klägerin ihre Räumlichkeiten sowie Personal und sonstige Sachmittel gegen ein Nutzungsentgelt zur Verfügung. Das Nutzungsentgelt setzte sich aus einer pauschalen Kostenerstattung für die Kosten, die dem Krankenhaus durch die Nebentätigkeit entstanden, sowie aus einem daneben abzuführenden Vorteilsausgleich in Höhe eines pauschalen Satzes der Bruttohonorareinnahmen zusammen. Die Klägerin rechnete gemäß § 120 SGB V die Vergütung, die den ermächtigten Ärzten für die erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen zustand, für diese mit der Kassenärztlichen Vereinigung ab und leitete die Vergütung nach Abzug des Nutzungsentgelts für die genehmigte Nebentätigkeit und der Kosten für den Verwaltungsaufwand der Abrechnung an die ermächtigten Ärzte weiter. Aus der Personal- und Sachmittelgestellung an die ermächtigten Ärzte erzielte die Klägerin Gewinne.
Zudem betrieb die Klägerin in den Streitjahren in drei Krankenhäusern Cafeterien. In zwei der drei Cafeterien gab sie Speisen und Getränke ausschließlich an Mitarbeiter des Zweckbetriebs „Krankenhaus“ zu vergünstigten Preisen ab. Die vergünstigte Abgabe der Speisen und Getränke an die Mitarbeiter erfolgte aufgrund einer Betriebsvereinbarung, welche Bestandteil der Arbeitsverträge der Mitarbeiter war. In der dritten Cafeteria gab die Klägerin darüber hinaus Speisen und Getränke auch an Dritte zu marktüblichen Preisen ab. Buchhalterisch wurden sämtliche Cafeterien als Gesamtbetrieb geführt, so dass keine getrennten Aufzeichnungen über die erzielten Gewinne oder Verluste aus der Beköstigung von Dritten oder von Mitarbeitern vorhanden waren.
Die Klägerin beantragte ohne Erfolg, die Gewinne aus der Personal- und Sachmittelgestellung dem Zweckbetrieb „Krankenhaus“ zuzuordnen. Die Betriebsprüfer waren der Auffassung, dass die Gewinne aus den Cafeterien zum steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin gehörten. Sie verminderten den jeweiligen Verlust aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „Krankenhauscafeteria“ und erhöhten entsprechend den Gewinn des BgA.
Das Finanzgericht hat der Klage mit nicht veröffentlichtem Urteil überwiegend stattgegeben. Hinsichtlich der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide der Streitjahre und der Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2007 und 31.12.2008 sei die Klage teilweise begründet. Die Gewinne der Klägerin aus der Personal- und Sachmittelgestellung (einschließlich der Übernahme der Abrechnungstätigkeit und des Vorteilsausgleichs) seien ihrem Zweckbetrieb „Krankenhaus“ zuzuordnen. Die Cafeterien seien wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, auch wenn sie nur Mitarbeitern des Betriebs offenstünden. Betriebsausgaben, die bei dem Betrieb der Cafeterien anfielen, seien aber insoweit durch den steuerfreien Zweckbetrieb „Krankenhaus“ veranlasst, als sich die Klägerin gegenüber ihren im Zweckbetrieb beschäftigten Mitarbeitern arbeitsrechtlich zu einer vergünstigten Beköstigung verpflichtet habe.
I. Der BFH hat entschieden: Das FG habe zu Unrecht die Gewinne aus der Personal- und Sachmittelgestellung an ermächtigte Ärzte dem Zweckbetrieb „Krankenhaus“ i.S.d. § 67 AO zugeordnet. Die Gewinne seien nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG und § 3 Nr. 6 GewStG i.V. mit § 67 AO steuerbefreit. Die Steuerbefreiungen seien nur anwendbar auf Erträge, „die aus dem Betrieb des Krankenhauses selbst erzielt werden“. Dies sei hier nicht der Fall. § 67 AO knüpfe an § 2 Nr. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und § 107 SGB V an. Ausgehend von dem Zweck des § 67 AO, die Sozialversicherungsträger als Kostenträger für ihre Versicherten steuerlich zu entlasten, handle es sich jedenfalls solange um eine typischerweise gegenüber den Patienten erbrachte Leistung, als das Krankenhaus zur Sicherstellung seines Versorgungsauftrags von Gesetzes wegen zu dieser Leistung befugt sei und der Sozialversicherungsträger als Kostenträger für seine Versicherten deshalb grundsätzlich zahlen müsse (BFH, Urt. v. 06.06.2019 - V R 39/17 Rn. 17 - BStBl II 2019, 651). Die hier fraglichen Einnahmen gehörten zu den Besteuerungsgrundlagen, die einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind (§ 64 Abs. 1 AO). Es fehle bereits an einem hinreichenden Zusammenhang der Einnahmen aus der Personal- und Sachmittelgestellung mit einer Krankenhausbehandlung. Zudem würden die Sozialversicherungsträger im Rahmen der Krankenhausvergütung durch die Personal- und Sachmittelgestellung an die ermächtigten Ärzte nicht zusätzlich belastet. Abweichendes folge nicht aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH (Urt. v. 31.07.2013 - I R 82/12 Rn. 20 - BStBl II 2015, 123, Abgabe von Zytostatika durch eine Krankenhausapotheke) und des BSG (Urt. v. 27.11.2014 - B 3 KR 12/13 R - NZS 2015, 262, zur Unterscheidung einer in den Räumen eines Krankenhauses durchgeführten ambulanten Behandlung durch einen zur vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten Krankenhausarzt von einer vollstationären Krankenhausbehandlung; Anm. Wesser, jurisPR-MedizinR 2/2015 Anm. 2). Auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung komme es für die Frage, ob ein Zweckbetrieb oder ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegt, nicht an (vgl. BFH, Urt. v. 31.07.2013 - I R 82/12 Rn. 19 - BStBl II 2015, 123).
II. Zu der von der Klägerin gerügten Auffassung des FG, 15 v.H. der Betriebsausgaben aller Cafeterien seien dem Zweckbetrieb deshalb zuzuordnen, weil diese nach seiner Auffassung insoweit auf eine vergünstigte Abgabe von Speisen und Getränken an Mitarbeiter des Zweckbetriebs „Krankenhaus“ entfallen, tragen die tatsächlichen Feststellungen des FG seine Entscheidung nicht. Sie ermöglichen keine Prüfung, ob und in welchem Umfang Betriebsausgaben insoweit dem Zweckbetrieb „Krankenhaus“ i.S.d. § 67 AO zuzuordnen sind, als diese auf die vergünstigte Abgabe von Speisen und Getränken an Mitarbeiter des Zweckbetriebs „Krankenhaus“ entfallen könnten.
III. Der BFH hat das angefochtene Urteil im Hinblick auf die Revisionen des FA und der Klägerin aufgehoben und die Sache – mangels Spruchreife an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Liegen für die Personal- und Sachmittelgestellung an ermächtigte Ärzte die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs i.S.d. §§ 66 bis 68 AO nicht vor, ist zu prüfen, ob ein allgemeiner Zweckbetrieb nach § 65 AO – und damit eine Steuerfreiheit nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG und § 3 Nr. 6 GewStG – gegeben ist, wozu nach der Rechtsauffassung des FG keine Veranlassung bestand. Sofern das FG im zweiten Rechtsgang zu der Auffassung gelangt, die in allen Streitjahren defizitären Mitarbeitercafeterien oder der ebenfalls in allen Streitjahren defizitäre Mitarbeiterbereich der „gemischten“ Cafeteria stellten in vollem Umfang einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar, wird es die gemeinnützigkeitsrechtlichen Folgen eines Verlustausgleichs durch andere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zu prüfen haben. Das FG wird im zweiten Rechtsgang ggf. zu prüfen haben, ob ein Zweckbetrieb i.S.d. § 65 AO insoweit vorliegt, als eine Cafeteria einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bilden sollte und ob diesem Geschäftsbetrieb bestimmte Einnahmen und Aufwendungen (im Ergebnis nach Veranlassungsgesichtspunkten im Vergleich zur steuerbefreiten Tätigkeit) zuzuordnen wären.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Der BFH hat mit zutreffender Begründung entschieden, dass die Leistungen der Klägerin an die „ermächtigten Ärzte“ keine Krankenhausleistungen sind. Der Begriff des Krankenhauses ist in § 2 Nr. 1 KHG festgelegt. Danach sind Krankenhäuser „Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können“. Die Rechtsprechung geht von dieser Definition aus (BFH, Urt. v. 18.10.1990 - V R 35/85 - BStBl II 1991, 157, zu Leistungen der Wäscherei eines Krankenhauses; vgl. auch (BVerwG, Urt. v. 26.02.2020 - 3 C 14/18 Rn. 25 - BVerwGE 168, 1). Unter „Krankenhaus“ ist die Einrichtung des Krankenhausbetriebes in seiner Gesamtheit zu verstehen. Zu dem Krankenhausbetrieb gehören die Krankenhausgrundstücke, die Krankenhausgebäude, die Krankenhauseinrichtung und alle anderen Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb des Krankenhauses dienen. Die Definition des Krankenhauses im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 107 Abs. 1 SGB V knüpft an diese Begriffsbestimmung an, konkretisiert sie jedoch durch organisatorische und fachliche Anforderungen (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen – Gesundheits-Reformgesetz – GRG – v. 03.05.1988, BT-Drs. 11/2237, S. 196). § 107 Abs. 1 SGB V enthält neben weiteren Voraussetzungen eine ähnliche Definition: Krankenhäuser sind Einrichtungen, die „mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichem Pflege-, Funktions- und medizinisch-technischem Personal darauf eingerichtet sind, vorwiegend durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten der Patienten zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten, Krankheitsbeschwerden zu lindern oder Geburtshilfe zu leisten, und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden.“ Zum Zweckbetrieb Krankenhaus gehören alle Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen (vgl. BFH, Urt. v. 31.07.2013 - I R 82/12 Rn. 17 m.w.N. - BStBl II 2015, 123; FG Münster, Urt. v. 23.03.2023 - 5 K 2867/20 U Rn. 58 - EFG 2023, 1099). § 107 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 SGB V verlangen unter anderem, dass ein Krankenhaus fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung steht und darauf eingerichtet ist, mit jederzeit verfügbarem ärztlichem Personal seinem Versorgungsauftrag entsprechende Krankenhausleistungen zu erbringen.
II. Zum Zweckbetrieb Krankenhaus gehören damit alle Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen (BFH, Urt. v. 18.10.1990 - V R 35/85 - BStBl II 1991, 157). Eine wirtschaftliche Betätigung mit anderem Gegenstand führt als eigenständiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb insoweit zur Steuerpflicht (BFH, Urt. v. 18.10.1990 - V R 35/85 - BStBl II 1991, 157, Leistungen der Wäscherei eines Krankenhauses). Daher stellt die entgeltliche (Mit-)Überlassung eines medizinischen Großgerätes und nichtärztlichen medizinisch-technischen Personals an eine ärztliche Gemeinschaftspraxis durch ein Krankenhaus i.S.d. § 67 Abs. 1 AO 1977 einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar (BFH, Urt. v. 06.04.2005 - I R 85/04 Rn. 22 - BStBl II 2005, 545; Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 28/2005 Anm. 1; bundeseinheitlich FinMin NRW v. 09.03.2005 – juris – Annahme wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe bei Krankenhäusern i.S.d. § 67 AO; FinMin Sachsen-Anhalt, Schreiben v. 11.06.2020 - 42-S 0186-4). Maßgebend ist, welche Leistungen typischerweise von einem Krankenhaus gegenüber seinen Patienten erbracht werden (BFH, Urt. v. 06.06.2019 - V R 39/17 Rn. 17 - BStBl II 2019, 651; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 5. Aufl. 2021, Rn. 6.264.
III. Zur Anwendung des vom BFH erwähnten § 65 AO im Zusammenhang mit der Personal- und Sachmittelgestellung an eine private Klinik bzw. an eine ärztliche Gemeinschaftspraxis ist zu berücksichtigen (vgl. FinMin Sachsen-Anhalt Schreiben v. 11.06.2020 - 42-S 0186-4): Aus der Sicht des Krankenhauses mangelt es an einer eigenen Zweckverwirklichung i.S.d. § 57 Abs. 1 Satz 1 AO. Eine für die Gemeinnützigkeit erforderliche unmittelbare Förderung der Allgemeinheit (Patienten) liegt nicht vor, da das Krankenhaus mit seinen Leistungen lediglich die eigenwirtschaftlichen Interessen der Dritten fördert. Die Dritten sind auch nicht als Hilfsperson i.S.d. § 57 Abs. 1 Satz 2 AO tätig, denn sie können völlig weisungsfrei arbeiten und es besteht grundsätzlich keine Einflussmöglichkeit des Krankenhauses. Eine steuerbefreite Körperschaft, die eine andere steuerbefreite Körperschaft bei der Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke gegen Entgelt selbstständig und eigenverantwortlich unterstützt, kann einen Zweckbetrieb unterhalten, wenn sie hierdurch zugleich eigene satzungsmäßige Ziele verfolgt (BFH, Urt. v. 17.02.2010 - I R 2/08 - BStBl II 2010, 1006; Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 33/2010 Anm. 2).
IV. Eine Privilegierung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben muss unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts gleichheitsrechtlich gerechtfertigt sein. Der Zielkonflikt zwischen der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung und der Förderung gemeinnütziger Zwecke erfordert eine Abwägung, „ob der Umstand einer selbstlosen Förderung schwerer wiegt als die Wettbewerbsbeeinträchtigungen steuerpflichtiger Anbieter“ (Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2021, § 6 Rn. 200 ff.). Sind beide – gemeinnützige Körperschaft und nicht begünstigter gewerblicher Anbieter – auf demselben Markt zu im Wesentlichen gleichen Bedingungen tätig, kann man nicht davon ausgehen, dass die unentbehrliche (§ 65 Nr. 1 und 2 AO) entgeltliche Verfolgung eines bestimmten Ziels im Allgemeininteresse liegt und deswegen das Interesse der Mitbewerber an einem unverfälschten Wettbewerb zurücktreten muss. Der h.M. in Rechtsprechung und Literatur ist darin zuzustimmen, dass die Personalgestellung im Regelfall das Gemeinwohl nicht mehrt (vgl. auch FinMin Sachsen-Anhalt, Schreiben v. 15.06.2020 - 42-S 0184-12, zur entgeltlichen Personal- und Sachmittelgestellung im Rahmen des Rettungsdienstes).
V. Für die Umsatzsteuer gilt anderes. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL befreit die Gestellung von Ärzten und von medizinischem (Hilfs-)Personal durch Krankenhäuser, Diagnosekliniken usw. dieser Art (Küffner/Lohwasser in: Weitemeyer/Schauhoff/Achatz, Umsatzsteuerrecht für den Nonprofitsektor, 2019, Rn. 16.28 ff.). Personalgestellungen sind „eng mit Krankenhausbehandlungen verbundene Umsätze“ im Sinne dieser Bestimmung. „Eng verbundene Umsätze“ liegen allgemein vor, wenn die erbrachten Leistungen als Nebenleistung zu einer Krankenhausbehandlung anzusehen sind; „dies ist dann der Fall, wenn sie keinen eigenen Zweck erfüllen, sondern das Mittel darstellen, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können“ (BFH, Urt. v. 25.01.2006 - V R 46/04 - BStBl II 2006, 481, unter Bezugnahme auf EuGH, Urt. v. 01.12.2005 - C-394/04 und C-395/05 - UR 2006, 150 „Ygeia“; Abschn. 4.14.6 UStAE – „eng verbundene Umsätze“). Erforderlich ist, dass die Personalgestellung durch das Krankenhaus für dessen Betrieb unerlässlich ist (vgl. Art. 134 Buchst. a MwStSystRL; Küffner/Lohwasser, a.a.O. Rn. 16.30).
Der EuGH hat entschieden (Urt. v. 12.03.2015 - C-594/13 Rn. 28 - BStBl II 2015, 980 „go fair“ Zeitarbeit): Was zum anderen die Wortfolge „mit sozialen Charakter“ angeht, ist die Gestellung von Arbeitnehmern keine im sozialen Bereich erbrachte Gemeinwohldienstleistung. Es spielt insoweit weder eine Rolle, dass die betreffenden Arbeitnehmer Pflegekräfte sind, noch, dass diese anerkannten Pflegeeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden (vgl. auch BFH, Urt. v. 28.06.2017 - XI R 23/14 Rn. 64 ff. - BFHE 258, 517 = BFH/NV 2017, 1561; vgl. ferner BFH, Urt. v. 24.06.2020 - V R 21/19 - BStBl II 2023, 276). Eine entgeltliche Personalgestellung ist keine im sozialen Bereich erbrachte Gemeinwohldienstleistung und unterfällt nicht dem Begriff der „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen“ i.S.v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL (BFH, Beschl. v. 19.08.2021 - V R 21/20 Rn. 21 - BFH/NV 2022, 144; Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 8/2022 Anm. 6).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Unter einer „Gestellung von Personal“ ist die entgeltliche Überlassung von weiterhin beim leistenden Unternehmer angestellten Arbeitnehmern an einen Dritten zu verstehen, welcher das Personal für seine Zwecke einsetzt. Dabei muss der Leistungsempfänger in der Lage sein, das Personal entsprechend seinem Weisungsrecht einzusetzen (vgl. UStAE zu § 3a UStG (§ 1 UStDV) Abschn. 18a). Die besprochene Entscheidung verfestigt die gemeinnützigkeitsrechtliche Dogmatik der Personalgestellung. Eine rechtfertigungsbedürftige Wettbewerbssituation ist gegeben, wenn der Leistungsempfänger die Möglichkeit hat, vergleichbare Leistungen unter vergleichbaren Bedingungen jederzeit auch bei Privaten zu erhalten. Eine steuerrechtliche Förderung muss gerechtfertigt werden aufgrund der Prüffrage, ob eine Körperschaft die Teilhabe an Gütern und Leistungen vermittelt, die durch Selbstregulierung des Marktes allein nicht sichergestellt werden kann (Stichwort „Marktversagen“).
Die besprochene Entscheidung ist ferner lesenswert wegen fallbezogener diffiziler Ausführungen zur Behandlung von Gewinnen/Verlusten von Krankenhaus-Cafeterien.



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