juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BFH 6. Senat, Urteil vom 13.12.2023 - VI R 30/21
Autor:Dr. Stephan Geserich, RiBFH
Erscheinungsdatum:21.05.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 11 EStG, § 4 EStG, § 9 EStG
Fundstelle:jurisPR-SteuerR 20/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D.
Prof. Dr. Franz Dötsch, Vors. RiBFH a.D.
Zitiervorschlag:Geserich, jurisPR-SteuerR 20/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Zweitwohnungsteuer als Kosten der Unterkunft für eine doppelte Haushaltsführung



Leitsatz

Die Zweitwohnungsteuer ist Aufwand für die Nutzung der Unterkunft und unterfällt daher bei den Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung der Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes.



A.
Problemstellung
Streitig ist, ob die Zweitwohnungsteuer für eine im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzte Wohnung unter die Höchstbetragsbegrenzung für Unterkunftskosten i.H.v. 1.000 Euro fällt oder zusätzlich als Werbungskosten abzugsfähig ist.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin hatte an ihrem Tätigkeitsort München eine Zweitwohnung angemietet. Die hierfür in den Streitjahren entrichtete Zweitwohnungsteuer machte sie neben weiteren Kosten für die Wohnung i.H.v. jeweils mehr als 12.000 Euro als Aufwendungen für ihre (unstreitig vorliegende) doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen jeweils nur mit dem Höchstabzugsbetrag von 12.000 Euro (12 x 1.000 Euro). Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das FG statt (FG München, Urt. v. 26.11.2021 - 8 K 2143/21 - EFG 2022, 322). Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin in den Streitjahren gezahlte Zweitwohnungsteuer nicht zu den nur beschränkt abzugsfähigen Unterkunftskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG zähle.


C.
Kontext der Entscheidung
Zu den notwendigen Mehraufwendungen, die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, zählen unter anderem die notwendigen Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort. Als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung können seit dem Veranlagungszeitraum 2015 nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG im Inland die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden, höchstens jedoch 1.000 Euro im Monat.
Zu den (beschränkt abzugsfähigen) Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG, die (nur) mit dem Höchstbetrag von 1.000 Euro pro Monat abgezogen werden können, zählen alle Aufwendungen, die der Steuerpflichtige getragen hat, um die Unterkunft zu nutzen, soweit sie ihr einzeln zugeordnet werden können. Hat der Steuerpflichtige eine Wohnung angemietet, gehört zu diesen Aufwendungen zunächst die Bruttokaltmiete; bei einer Eigentumswohnung die Absetzung für Abnutzung (AfA) auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie die Zinsen für Fremdkapital, soweit sie auf den Zeitraum der Nutzung entfallen. Aber auch die (warmen und kalten) Betriebskosten einschließlich der Stromkosten gehören zu diesen Unterkunftskosten, da sie durch den Gebrauch der Unterkunft oder durch das ihre Nutzung ermöglichende Eigentum des Steuerpflichtigen an der Unterkunft entstehen (ausführlich BFH, Urt. v. 04.04.2019 - VI R 18/17 Rn. 24 - BStBl II 2019, 449; Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 29/2019 Anm. 1).
Dagegen gehören die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Haushaltsartikel und Einrichtungsgegenstände einschließlich AfA nicht zu den Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG. Diese Aufwendungen trägt der Steuerpflichtige für die Anschaffung bestimmter Wirtschaftsgüter oder sie dienen, wie die AfA, der Verteilung der Anschaffungskosten auf die Nutzungsdauer der entsprechenden Wirtschaftsgüter. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Steuerpflichtige die Wirtschaftsgüter in der Unterkunft nutzt. Die Nutzung der Einrichtungsgegenstände und der Haushaltsartikel ist nicht mit der Nutzung der Unterkunft als solcher gleichzusetzen (ausführlich BFH, Urt. v. 04.04.2019 - VI R 18/17 Rn. 24 - BStBl II 2019, 449; Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 29/2019 Anm. 1).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Finanzbehörden zählen zudem die Kosten der laufenden Reinigung und Pflege der Zweitwohnung oder -unterkunft, den Rundfunkbeitrag und Aufwendungen für Sondernutzung (wie Garten) sowie Miet- oder Pachtgebühren für Kfz-Stellplätze (a.A. FG Hannover, Urt. v. 16.03.2023 - 10 K 202/22 - EFG 2023, 1679, Rev. VI R 4/23), die vom Arbeitnehmer selbst getragen werden, zu den beschränkt abzugsfähigen Unterkunftskosten (BMF v. 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228 Rn. 108). Wird die Zweitwohnung oder -unterkunft möbliert angemietet, überschreitet die Miete den Höchstbetrag und enthält der Mietvertrag keine Aufteilung der Miete für die Überlassung der Wohnung und der Einrichtung und Ausstattung, ist die Miete im Schätzwege in Kosten der Unterkunft und der Ausstattung aufzuteilen (BFH, Urt. v. 04.04.2019 - VI R 18/17 Rn. 24 - BStBl II 2019, 449; Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 29/2019 Anm. 1; BMF v. 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228). Bei der Anwendung des Höchstbetrags ist grundsätzlich § 11 EStG zu beachten. Soweit der monatliche Höchstbetrag von 1.000 Euro nicht ausgeschöpft wird, ist eine Übertragung des nicht ausgeschöpften Volumens in andere Monate des Bestehens der doppelten Haushaltsführung im selben Kalenderjahr möglich. Erhält der Arbeitnehmer Erstattungen z.B. für Nebenkosten, mindern diese Erstattungen im Zeitpunkt des Zuflusses die Unterkunftskosten der doppelten Haushaltsführung. Ein häusliches Arbeitszimmer in der Zweitwohnung am Ort der ersten Tätigkeitsstätte ist bei der Ermittlung der anzuerkennenden Unterkunftskosten nicht einzubeziehen; der Abzug der hierauf entfallenden Aufwendungen richtet sich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG (vgl. BFH, Urt. v. 09.08.2007 - VI R 23/05 - BStBl II 2009, 722; BMF v. 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rn. 110).
Zudem gilt der 1.000-Euro-Höchstbetrag für jede doppelte Haushaltsführung des Arbeitnehmers gesondert. Beziehen mehrere berufstätige Arbeitnehmer (z.B. beiderseits berufstätige Ehegatten, Lebenspartner, Lebensgefährten, Mitglieder einer Wohngemeinschaft) am gemeinsamen Beschäftigungsort eine gemeinsame Zweitwohnung, handelt es sich jeweils um eine doppelte Haushaltsführung, so dass jeder Arbeitnehmer den Höchstbetrag für die tatsächlich von ihm getragenen Aufwendungen jeweils für sich beanspruchen kann (BMF v. 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rn. 111).
Der Höchstbetrag gilt nach dem Gesetzeswortlaut nur für eine doppelte Haushaltsführung im Inland. Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland verbleibt es daher bei der gesetzlichen Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG, wonach notwendige Unterkunftskosten, das heißt begrenzt auf das nach objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung Erforderliche, als Werbungskosten abzugsfähig sind. Eine Typisierung dahin gehend, dass Unterkunftskosten, die den Durchschnittsmietzins einer 60-qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten, notwendig in diesem Sinne sind – wie dies der BFH bis zum VZ 2013 für Inlandssachverhalte angenommen hat (BFH, Urt. v. 09.08.2007 - VI R 10/06 - BStBl II 2007, 820) –, kommt für Auslandssachverhalte nicht in Betracht. Vielmehr bedarf es in solchen Fällen einer Einzelfallprüfung. Stehen Aufwendungen für eine beamtenrechtlich zugewiesenen Dienstwohnung in Rede, sind die Unterkunftskosten am ausländischen Beschäftigungsort stets in tatsächlicher Höhe anzusetzen (BFH, Urt. v. 09.08.2023 - VI R 20/21 - BFHE 281, 337).



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