juris PraxisReporte

Autor:Prof. Dr. Mark von Wietersheim, Geschäftsführer forum vergabe e.V.
Erscheinungsdatum:16.04.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 3 VSVgV, § 83 VgV 2016, § 10a VgV 2016, § 2 SektVO 2016, § 106 GWB, § 71 GVG, § 72a GVG, § 99 GWB, § 3 VgV 2016, EGRL 81/2009, EURL 23/2014, EURL 25/2014, EUV 2019/1242, EUV 2018/956, EURL 24/2014, 12016E008, 12016E011
Fundstelle:jurisPR-VergR 4/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Lutz Horn, RA
Zitiervorschlag:von Wietersheim, jurisPR-VergR 4/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Legal Update - Fortentwicklung des Vergaberechts

A. „eForms“ und Streichung § 3 Abs. 3 Satz 7 VgV a.F.

Nachdem der Bundesrat der „Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare (‚eForms‘) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen“ zugestimmt hatte, ist die Verordnung vom 17.08.2023 zwischenzeitlich verkündet worden (vgl. BGBl. 2023 I Nr. 222 vom 23.08.2023, S. 1-9) und am 24.08.2023 in Kraft getreten. Gegenstand der Verordnung war außer der verpflichtenden Verwendung der eForms ab dem 25.10.2023 auch die Aufhebung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV und entsprechender Regelungen in § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO und § 3 Abs. 7 Satz 3 VSVgV.

Die für die Anwendbarkeit insbesondere von Teilen des neuen § 10a VgV nach § 83 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 VgV nach § 83 Abs. 2 Nr. 2 VgV erforderliche „Bekanntmachung zum Vorliegen der Voraussetzungen für die elektronische Erstellung und Übermittlung von EU-Bekanntmachungen nach der Vergabeverordnung“ vom 29.09.2023 wurde am 10.10.2023 im Bundesanzeiger (vgl. BAnz AT 10.10.2023 B1) veröffentlicht.

Damit hatte das BMWK rechtzeitig vor Einführung der eForms zum 25.10.2023 bekanntgegeben, dass gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a VgV die Voraussetzungen für die elektronische Erstellung von Bekanntmachungen nach der Durchführungsverordnung (EU) 2019/1780 entsprechend § 10a Abs. 1 Satz 1 VgV vorlagen. Es hat zugleich gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b VgV bekanntgegeben, dass die Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung von Bekanntmachungen über den Datenservice Öffentlicher Einkauf entsprechend § 10a Abs. 5 Satz 1 VgV vorlagen.

B. Änderung der VOB/A

Mit der „Bekanntmachung der Änderung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A“ vom 16.06.2023 (vgl. BAnz AT 04.07.2023 B4) wurde die VOB/A für Einführung der eForms entsprechend den geänderten Vorgaben in VgV und VSVgV geändert. Mit „Bekanntmachung der Änderung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A)“ vom 06.09.2023 (BAnz AT 25.09.2023 B4) wurden Korrekturen rein redaktioneller Art vorgenommen.

Die Änderungen betreffen die Abschnitte 2 und 3 der VOB/A (VOB/A-EU bzw. VOB/A-VS) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.01.2019 (BAnz AT 19.02.2019 B2).

Die Verordnung zur Änderung vergaberechtlicher Vorschriften vom 07.02.2024 (vgl. BGBl. 2023 I Nr. 39 vom 13.02.2024) aktualisiert die Verweise in VgV und VSVgV auf die genannten Fassungen von VOB/A-EU und VOB/A-VS und ist zum 14.02.2024 in Kraft getreten.

C. BMWK: Klarstellende Erläuterungen zur Auftragswertberechnung bei der Vergabe von Planungs- und Bauleistungen

Mit der Zustimmung zur „Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare (‚eForms‘) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen“ hatte der Bundesrat eine Entschließung gefasst und die Bundesregierung aufgefordert, den Ländern klarstellende Erläuterungen zur künftigen rechtssicheren Berechnung des geschätzten Auftragswertes von Bau- und Planungsaufträgen für die Ermittlung des einschlägigen EU-Schwellenwertes in der Praxis zur Verfügung zu stellen.

Die Länder befürchteten durch die Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV und der entsprechenden Regelungen in SektVO und VSVgV erhebliche Rechtsunsicherheit in der Praxis bei der Frage, wann bei der Auftragswertermittlung eine Zusammenrechnung von Planungsleistungen, die verschiedenen Leistungsbildern nach der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) entsprechen, zu erfolgen hat.

Das BMWK ist der Aufforderung des Bundesrates nachgekommen und hat in Abstimmung mit dem BMWSB „Klarstellende Erläuterungen zur Auftragswertberechnung vor der Vergabe von Planungs- und Bauleistungen nach der Streichung von § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV, § 2 Abs. 2 Satz 2 SektVO und § 3 Abs. 7 Satz 3 VSVgV“ (vgl. Schreiben v. 23.08.2023 - Az.: IB3 - 20611/002) veröffentlicht.

Darin stellt das BMWK dar, dass aus seiner Sicht die Streichung von § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV, § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO und § 3 Abs. 7 Satz 3 VSVgV europarechtlich geboten war.

Für die maßgeblichen Methoden zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts verweist das Schreiben auf Art. 5 Richtlinie 2014/24/EU bzw. Art. 16 Richtlinie 2014/25/EU, wobei die Wahl der Methode zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts nicht in der Absicht erfolgen dürfe, die Anwendung dieser Richtlinien zu umgehen. Für die Auftragswertberechnung sei zunächst zu bestimmen, inwieweit ein einheitlicher Auftrag vorliege. Bei einem einheitlichen Gesamtauftrag wiesen dessen Teilleistungen wirtschaftlich und technisch eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität auf.

D. Turnusgemäße Anpassung der EU-Schwellenwerte für die Jahre 2024 bis 2025

Alle zwei Jahre werden die Schwellenwerte angepasst, ab denen das EU-Vergaberecht Anwendung findet. Die von der EU-Kommission veröffentlichten Werte gelten in Deutschland kraft der dynamischen Verweisung in § 106 GWB unmittelbar.

Danach gelten vom 01.01.2024 bis zum 31.12.2025 folgende Schwellenwerte in Euro, je netto:

I. Aufträge öffentlicher Auftraggeber (Anwendung RL 2014/24/EU):

Bauleistungen

5.538.000 Euro

Liefer- und Dienstleistungen

221.000 Euro

Liefer- und Dienstleistungen Oberster Bundesbehörden

143.000 Euro

II. Aufträge von Sektorenauftraggebern (Anwendung RL 2014/25/EU):

Bauleistungen

5.538.000 Euro

Liefer- und Dienstleistungen

443.000 Euro

III. Konzessionen von öffentlichen Konzessionsgebern (Anwendung RL 2014/23/EU):

Bau-, Liefer- und Dienstleistungen

5.538.000 Euro

IV. Aufträge öffentlicher Auftraggeber in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (Anwendung RL 2009/81/EG):

Bauleistungen

5.538.000 Euro

Liefer- und Dienstleistungen

443.000 Euro

Nicht angepasst wird der Schwellenwert für die Vergabe von sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen i.S.d. Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU und Anhangs XIV der Richtlinie 2014/25/EU, dieser bleibt unverändert bei 750.000 Euro.

E. Änderungen im WRegG und der VO PR Nr. 30/53

Zum 01.01.2024 sind kleinere Änderungen in Kraft getreten, die auf dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG) vom 10.08.2021 (BGBl I 2021, 3436) beruhen.

Durch Art. 78 MoPeG wurden in § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. f WRegG die Wörter „Handels-, Genossenschafts-, Vereins-, Partnerschafts- oder bei vergleichbaren amtlichen Registern“ durch die Wörter „Handels-, Genossenschafts-, Gesellschafts-, Vereins-, Partnerschafts- oder bei vergleichbaren amtlichen Registern“ ersetzt.

Durch Art. 80 MoPeG wurden in der Anlage Nr. 24 Abs. 2 Satz 1 zur Verordnung PR Nr. 30/53 das Wort „Personengesellschaften“ durch die Wörter „rechtsfähigen Personengesellschaften“ ersetzt.

F. BMJ: Gesetzentwurf betreffend die streitwertunabhängige Zuweisung von Vergabesachen an Landgerichte

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat den Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Zuständigkeitsstreitwerts der Amtsgerichte, zum Ausbau der Spezialisierung der Justiz in Zivilsachen sowie zur Änderung weiterer prozessualer Regelungen“ vorgelegt.

Ziel des Referentenentwurfs ist es insbesondere, die Amtsgerichte in Zivilsachen und damit den Justizstandort Deutschland in der Fläche zu stärken und eine weiter gehende Spezialisierung der Gerichte zu erreichen. Das Vorhaben läuft insofern parallel zum sog. Justizstandortstärkungsgesetz, das Zuständigkeiten bündeln und u.a. die Gerichtssprache Englisch in ausgewählten Bereichen zulassen soll.

Daneben soll die Neuregelung der Zuständigkeitsverteilung genutzt werden, um durch eine streitwertunabhängige Zuweisung bestimmter Sachgebiete an die Amts- und an die Landgerichte dem Spezialisierungsgedanken Rechnung zu tragen und eine effiziente Verfahrensführung zu unterstützen. In diesem Zusammenhang sollen Vergabesachen unabhängig vom Streitwert den Landgerichten zugewiesen werden. Dafür werden die §§ 71 Abs. 2 und 72a Abs. 1 Buchst. d GVG jeweils um eine Nr. 8 ergänzt. Diese betreffen jeweils Streitigkeiten über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder Konzessionen, soweit sich nicht aus Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eine andere Zuständigkeit ergibt.

In dem Referentenentwurf geht es außerdem um den allgemeinen Zuständigkeitsstreitwert der Amtsgerichte, der auf 8.000 Euro angehoben werden soll, nachdem dieser seit mehr als 30 Jahren unverändert ist. Damit soll die Geldwertentwicklung in diesem Zeitraum nachgezeichnet werden.

G. BMWSB: Einführungserlass Ergänzungsband 2023 zur VOB 2019

Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) hat darauf hingewiesen, dass mehrere aktualisierte und neue Allgemeine Technische Vertragsbedingungen (ATV), die Teil der VOB/C sind, im Oktober 2023 als Ergänzungsband 2023 zur VOB 2019 veröffentlicht werden (vgl. „Einführungserlass zur VOB 2019 Ergänzungsband 2023“ - Az: BII6 - 70423/7#8 vom 20.09.2023). Der Erlass führt die geänderten und neuen ATV ein und ist zum 01.10.2023 in Kraft getreten.

Der Ergänzungsband enthält 17 fachtechnisch überarbeitete ATV und drei neue ATV:

In die ATV DIN 18299 „Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art“ hat der Hauptausschuss Allgemeines (HAA) des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses für Bauleistungen (DVA), unter Beteiligung der Hauptausschüsse Hochbau (HAH) und Tiefbau (HAT), eine generelle Öffnungsklausel zur Anwendung digitaler Abrechnungsmethoden in den Abschnitten 0 und 5 eingeführt.

HAH und HAT haben sechzehn ATV fachtechnisch fortgeschrieben und zur Anpassung an die Entwicklung des Baugeschehens fachtechnisch überarbeitet. Die Normenverweise wurden auf den Stand 04-2023 aktualisiert.

Zudem wurde die ATV DIN 18322 „Kabelleitungstiefbauarbeiten“ redaktionell überarbeitet und die Normenverweise auf den Stand 04-2023 aktualisiert.

Die aktualisierten ATV ersetzen die ATV der VOB Teil C – Ausgabe 2019.

Drei ATV wurden neu aufgestellt und erstmalig in die VOB aufgenommen. Dabei handelt es sich um die ATV DIN 18327 „Brunnenbauarbeiten und Erdwärmesonden“, die ATV DIN 18328 „Aufbruch- und Rückbauarbeiten von Verkehrsflächen“ sowie die ATV DIN 18448 „Arbeiten an schadstoffbelasteten baulichen und technischen Anlagen“.

H. Vergabestatistik: Bericht 2. Halbjahr 2021

Das Bundeswirtschaftsministerium hat den inzwischen zweiten Bericht zur Vergabestatistik vorgelegt. Er betrifft das zweite Halbjahr 2021. Damit liegen jetzt für das gesamte Jahr 2021 Berichte über die statistischen Meldungen zur Vergabestatistik vor.

In Fortschreibung des ersten Berichts legt der Bericht seine Schwerpunkte u.a. wieder auf die Berücksichtigung nachhaltiger Beschaffung, die Beteiligung von kleinen und mittleren Unternehmen und die Anwendung der Zuschlagskriterien.

Nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass die Meldungen zur Vergabestatistik erst seit Kurzem verpflichtend waren und daher teilweise fehlerhaft gemacht werden, schränkt der Bericht die Belastbarkeit der Datenbasis teilweise ein. Besonders angesprochen werden die teilweise fehlerhafte Zuordnung zu Ober- bzw. Unterschwellenvergaben und die Meldung von einzelnen Losen statt des Gesamtauftrags. Der letzte Fehler betrifft insbesondere die Vergaben im Baubereich.

Insgesamt wird knapp die Hälfte der öffentlichen Aufträge und Konzessionen auf kommunaler Ebene vergeben. Vom Volumen her entfällt aber deutlich mehr als die Hälfte auf Vergaben des Bundes und der Länder. Hieraus wird im Bericht abgeleitet, dass die großvolumigen Aufträge insbesondere auf Bundesebene und zum Teil auch auf Landesebene vergeben werden.

Der Großteil der gemeldeten Aufträge, 89% zahlenmäßig, wird unterschwellig vergeben. Vom Volumen her werden hingegen gut drei Viertel im Oberschwellenbereich beauftragt.

Bei der Anzahl der abgegebenen Angebote wurden relativ häufig keine Angaben gemacht. Deswegen sind die hierzu veröffentlichten Zahlen nur vermindert aussagekräftig. Die Meldungen lassen jedoch eine deutliche Tendenz erkennen, dass 2 bis 3 Angebote oder weniger eingereicht werden.

Bei rund zwei Drittel aller Vergaben wurde der Zuschlag an ein kleines oder mittleres Unternehmen vergeben. Das erfasste, an KMU vergebene Auftragsvolumen beträgt rund 41% des Gesamtauftragsvolumens. Dabei wurden besonders im kommunalen Bereich häufig Aufträge an KMU vergeben.

Auf jeder Auftraggeberebene, so die im Bericht mitgeteilte Beobachtung, werden allerdings die besonders großen wertmäßigen Anteile, also in der Regel die Oberschwellenvergaben, eher nicht an kleine und mittlere Unternehmen vergeben.

Zur Vergabestatistik ist auch die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien zu melden. Nachhaltigkeitskriterien in diesem Sinne sind soziale, innovative und umweltbezogenen Aspekte. Diese Meldung kann alle Phasen von Vergabeverfahren, also Leistungsbeschreibung, Eignungsanforderungen, Zuschlagskriterien und Ausführungsbedingungen betreffen. Bei je rund 12,7% der Vergaben und 22% des Volumens wurden solche Nachhaltigkeitskriterien nach den Meldungen berücksichtigt. Den höchsten Anteil erreichen dabei mit knapp 28%, bezogen auf das Volumen, die auf Landesebene vergebenen Aufträge.

Auch bei der Abfrage, welche Zuschlagskriterien gewählt wurden, werden häufig keine Angaben gemeldet, was zumindest im Unterschwellenbereich auch zulässig ist. Deswegen sind die veröffentlichten Daten insoweit nur bedingt belastbar. Bei 59% aller Vergaben wurde allein der Preis als Zuschlagskriterium gemeldet.

I. Bundeskartellamt: Nutzerleitfaden für das Wettbewerbsregister aktualisiert

Das Bundeskartellamt hat den „Nutzerleitfaden für das Wettbewerbsregister“ in der Version 1.3 mit Stand Oktober 2023 herausgegeben.

Der Leitfaden richtet sich an Beschäftigte von Auftraggebern bzw. mitteilenden Behörden, die mit der Abfrage beim Wettbewerbsregister bzw. der Mitteilung zum Wettbewerbsregister über das Wettbewerbsregisterportal betraut sind.

Nicht adressiert sind Beschäftigte, die bei oder für projektbezogene Auftraggeber i.S.v. § 99 Nr. 4 GWB – d.h. Auftraggeber, die ausschließlich aufgrund der überwiegenden öffentlichen Subventionierung eines bestimmten Bauvorhabens oder damit in Verbindung stehender Dienstleistungen oder Wettbewerbe öffentliche Auftraggeber sind – mit der Abfrage beim Wettbewerbsregister betraut sind. Für diese Nutzer ist der gesonderte „Leitfaden für die Registrierung projektbezogener Auftraggeber nach § 99 Nr. 4 GWB beim Wettbewerbsregister“ bestimmt.

Beschrieben werden die Registrierung von Nutzern, das Einbinden des Nutzerzertifikats und die Anmeldung am Portal, die Pflege der eigenen Kontaktdaten und das Entfallen der Nutzerrechte.

J. BRH: Bemerkungen 2023 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes

Der Bundesrechnungshof (BRH) hat seine „Bemerkungen 2023 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes“ vom 07.12.2023 veröffentlicht, die sich u.a. auch mit öffentlichen Beschaffungen beschäftigen.

Die Bemerkungen 2023 enthalten die Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes, die für die Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2022 durch Bundestag und Bundesrat bedeutsam sind. Dabei stehen wie immer Fälle im Fokus, z.B., wenn der Bund „unnötige Dinge beschafft bzw. betreibt“.

Die Bemerkungen des BRH dienen der parlamentarischen Kontrolle des Regierungshandelns, die ein zentrales Element der Gewaltenteilung bildet. Der Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Bundestages wird die Bemerkungen 2023 in den kommenden Monaten beraten. In der Regel verbindet er diese Beratung mit der Forderung an die Bundesregierung, die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes umzusetzen.

K. Gutachten zur Zulässigkeit alternativer Beschaffungskonzepte

Bundesingenieurkammer, Bundesarchitektenkammer, AHO (Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V.) und VBI – Verband Beratender Ingenieure haben gemeinsam ein Gutachten vorgelegt, das sich mit der vergaberechtlichen Rechtmäßigkeit alternativer Beschaffungskonzepte befasst. Erstellt hat das Gutachten Prof. Dr. jur. Martin Burgi, Ordinarius für Öffentliches Recht und Europarecht, Leiter der Forschungsstelle für Vergaberecht und Verwaltungskooperationen an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität, München.

Unter dem Titel „Gemeinsame Vergabe von Aufträgen für Planungs- und Bauleistungen, kombiniert mit Fachlosbildung: Funktionsweise und Rechtskonformität eines alternativen Beschaffungskonzepts (v.a. bei kommunalen Investitionsvorhaben für Klimaschutz, sozialer Infrastruktur, Sanierung etc.) nach Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV“ befasst sich das Gutachten mit der vergaberechtlichen Zulässigkeit der gemeinsamen Vergabe von Aufträgen für Planungs- und Bauleistungen, kombiniert mit Fachlosbildung.

L. Einigung auf Text des Net Zero Industry Act

Am 06.02.2024 haben sich der Rat der EU und das Europäische Parlament im Trilog-Verfahren auf einen Text des Net Zero Industry Act geeinigt. Das Ergebnis muss noch in förmlichen Sitzungen von Parlament und Rat beschlossen werden, bevor es nach Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten kann.

Der bisher nur auf Englisch vorliegende Text ist überschrieben „Regulation of the European Parliament and of the Council on establishing a framework of measures for strengthening Europe’s net-zero technology products manufacturing ecosystem (Net Zero Industry Act)“ – nachfolgend NZIA.

Die Verordnung richtet sich zu erheblichen Teilen an öffentliche Auftraggeber und Vergabestellen.

Nachfolgend werden die Erwägungsgründe (EW) und Vorschriften in der Nummerierung des Entwurfes zitiert. Für die endgültige Fassung ist von Änderungen bei der Nummerierung auszugehen.

Der NZIA soll sicherstellen, dass die EU koordiniert auf die weltweit vorgenommenen Anstrengungen zur Dekarbonisierung reagiert. Wettbewerbsverzerrungen und eine Fragmentierung des Binnenmarkts sollen verhindert werden (EW 1). Außerdem sollen die Verpflichtungen der EU zu einer beschleunigten Dekarbonisierung ihrer Wirtschaft und einem ehrgeizigen Einsatz erneuerbarer Energiequellen umgesetzt werden (EW 1b). Der NZIA ist Teil der auf vier Säulen beruhenden Mitteilung zum „Green Deal“ und soll den Business Case für die industrielle Dekarbonisierung in der Europäischen Union verbessern (EW 1c).

Bezogen auf das Vergaberecht wird vor allem die Vorgabe verbindlicher Mindestanforderungen herausgestellt. Hierdurch soll die Hebelwirkung öffentlicher Ausgaben zur Steigerung der Nachfrage nach leistungsfähigeren Beschaffungen von Netto-Null-Produkten im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit in einer strukturierten und für die öffentlichen Auftraggeber und Vergabestellen umsetzbaren Weise erhöht werden (EW 26a). Ausnahmen sollen bestimmte unerwünschte Folgen vermeiden. Es wird den öffentlichen Auftraggebern freigestellt, zusätzlich Zuschlagskriterien zur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots wie Preis, Kosten oder andere Kriterien zu verwenden (EW 26a a.E.). Besonders angesprochen werden Bauaufträge und Konzessionen, bei diesen sollte der öffentliche Auftraggeber auch verpflichtet werden, soziale oder beschäftigungsbezogene Erwägungen zu berücksichtigen, um ein positives soziales Ergebnis zu erreichen (EW 26b).

Zur Unterstützung der Resilienz kann die Kommission unter bestimmten Bedingungen dann eingreifen, wenn der Wert einer Netto-Null-Technologie oder der wichtigsten spezifischen Komponenten der Netto-Null-Technologie mit Ursprung in einem Drittland eine Obergrenze von 50% überschreitet (EW 26c). Dies soll mit einer Vertragsstrafe verknüpft werden (EW 26d).

Die Kommission soll Durchführungsverordnungen erlassen dürfen, um Leitlinien für öffentliche Auftraggeber und Einrichtungen zur Festlegung von technischen Spezifikationen, Anforderungen und Bedingungen für die Auftragsausführung in Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit bei öffentlichen Aufträgen festzulegen (EW 27a).

In den Art. 19 ff. NZIA findet sich die nähere Ausgestaltung der in den Erwägungsgründen beschriebenen Maßnahmen. Erfasst werden grundsätzlich alle Vergabeverfahren im Anwendungsbereich der drei Vergaberichtlinien Richtlinie 2014/23/EU, Richtlinie 2014/23/EU und Richtlinie 2014/25/EU.

Art. 19 Abs. 1 NZIA verweist für die Festlegung verbindlicher Mindestanforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit auf Durchführungsrechtsakte, die nach Art. 19 Abs. 3 NZIA von der Kommission erlassen werden. Ausdrücklich wird in Absatz 1 Unterabsatz 2 öffentlichen Auftraggebern und Vergabestellen erlaubt, zusätzliche Mindestanforderungen oder Zuschlagskriterien in Bezug auf die ökologische Nachhaltigkeit anzuwenden. Absatz 1 Unterabsatz 3 verpflichtet öffentliche Auftraggeber und Vergabestellen, mindestens eine der dort genannten Bedingungen, Anforderungen oder vertraglichen Verpflichtungen anzuwenden. Diese können sich auf soziale oder beschäftigungsbezogene Erwägungen, auf Cybersicherheitsanforderungen oder die fristgerechte Vertragsausführung beziehen.

Für die Gestaltung von Auktionen für den Einsatz von Energie aus erneuerbaren Quellen finden sich verbindliche Vorgaben in Art. 20 NZIA.

Nach Art. 20b NZIA bemühen sich die Mitgliedstaaten, ggf. die vorkommerzielle Auftragsvergabe und die öffentliche Auftragsvergabe für innovative Lösungen zu nutzen, um Innovationen im Bereich der Netto-Null-Technologie und die Schaffung neuer Produktionskapazitäten für Netto-Null-Technologien in der Union zu fördern.

Die in den Erwägungsgründen angesprochenen Reaktionsmöglichkeiten zur Sicherung der Resilienz bezogen auf den Ursprung von Leistungen aus einem Drittland sind in Art. 19 Abs. 4a NZIA formuliert.

M. Zahlungsverzugs-Verordnung: Aktueller Stand

Am 07.03.2024 hat der Rat für Wettbewerbsfähigkeit eine Aussprache zum Verordnungsvorschlag zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr gehalten. Der Rat für Wettbewerbsfähigkeit (Binnenmarkt, Industrie, Forschung und Raumfahrt) ist eine Formation des Rats der Europäischen Union.

Im Ergebnis zeigte sich, dass der derzeitige Entwurf mit einer verbindlichen und nicht abdingbaren Höchstzahlungsfrist von 30 Tagen von den Mitgliedstaaten kritisch gesehen wurde. Auch die Wahl der Verordnung anstelle einer Richtlinie sowie die vorgeschlagenen Durchsetzungsmechanismen wurden kontrovers diskutiert. Angesichts dieser skeptischen Haltung vieler Mitgliedstaaten ist derzeit nicht zu erwarten, dass der Rat der Europäischen Union über den Vorschlag vor den Europawahlen im Juni 2024 abstimmen wird.

Im EU-Parlament fand die Abstimmung des federführenden Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) am 20.03.2024 statt. Dort fand im IMCO ein Kompromissänderungsantrag der Berichterstatterin eine Mehrheit, der folgende Zahlungsfristen vorsieht:

30 Tage für alle G2B-Veträge
30 Tage für alle B2B-Verträge bzw.
60 Tage, wenn dies vorher vereinbart wurde
120 Tage für „slow moving und seasonal goods“ (diese sollen in der Verordnung bzw. in den Leitlinien der Kommission näher definiert werden).

Die Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments ist für den 22.04.2024 geplant.

In einem gemeinsamen Brief vom 13.02.2024 hatten sich mehrere Verbände an den EP-Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz gewandt und Änderungen des Verordnungsentwurfs vorgeschlagen, u.a. zur Zulassung von Vereinbarungen mit anderen Zahlungsfristen. Der Brief wurde unterschrieben vom Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V., Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V., Deutsches Aktieninstitut e.V., Deutsche Industrie- und Handelskammer, Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Handelsverband Deutschland e.V., Markenverband e.V. und Der Mittelstandsverbund – ZGV e.V.

N. EU-Lieferkettenrichtlinie: Annahme im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten

Der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (AStV) hat einem überarbeiteten Entwurf der EU-Lieferkettenrichtlinie zugestimmt. Der AStV bereitet die Sitzungen des Rates der Europäischen Union vor, in dem die endgültige Beschlussfassung stattfinden muss. Da die Mitglieder des AStV weisungsabhängig sind, ist mit einer abweichenden Abstimmung im Rat der EU nicht zu rechnen.

Der beschlossene Entwurf sieht einen weniger weitreichenden Anwendungsbereich vor. Die Schwellenwerte für die Anwendung der Richtlinie werden auf mindestens 1.000 Mitarbeiter und einen Jahresbrutto-Umsatz von 450 Mio. Euro vorgesehen (gegenüber bisher in den Entwürfen vorgesehenen mindestens 500 Mitarbeiter und mindestens 150 Mio. Euro). Dieser Anwendungsbereich wird jedoch erst sieben Jahre nach Inkrafttreten relevant. In den ersten drei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie soll sie zunächst für Unternehmen mit 5.000 Beschäftigten und einem Jahresbruttoumsatz von 1,5 Mrd. Euro gelten, weitere vier Jahre für Unternehmen mit 4.000 Mitarbeitenden und 900 Mio. Euro Umsatz.

Außerdem wurden Sonderregelungen für sog. Risikosektoren gestrichen. Dies waren Wirtschaftszweige, in denen das Risiko für Menschenrechtsverletzungen höher bewertet wird.

Auch das Europäische Parlament muss den Änderungen noch zustimmen. Mögliche Termine für die Abstimmung im federführenden Rechtsausschuss sind noch vor dem nächsten Plenumstermin am 24.04.2024 möglich.

O. Kommission-Strategie für industrielle Führungsrolle der EU bei „fortgeschrittenen Werkstoffen“

Die EU-Kommission sieht sog. „fortgeschrittene Werkstoffe“, für die es zukünftig eine rapide steigende Nachfrage geben wird. Als Beispiel benennt sie Graphen, das dünnste und stärkste Material aller Zeiten, das Kupfer als Wärmeleiter übertrifft. Es wird in Fernsehbildschirmen, Computern und Smartphones verwendet.

Damit die EU im Bereich der fortgeschrittenen Werkstoffe die industrielle Führungsrolle übernehmen kann, hat die EU-Kommission eine umfassende Strategie vorgelegt. In fünf Hauptpfeilern schlägt sie konkrete Schritte vor, mit denen die Forschungs- und Innovationsprioritäten und die Investitionen in der EU aufeinander abgestimmt werden können.

Dies sind:

I. Stärkung des europäischen Forschungs- und Innovationsökosystems für fortgeschrittene Werkstoffe.

II. Schnellere Markteinführung innovativer Werkstoffe. Dazu gehört die Entwicklung eines „Materials Commons“, einer europäischen digitalen Infrastruktur für Forschung und Innovation im Bereich fortgeschrittener Werkstoffe.

III. Erhöhung der Kapitalinvestitionen und Verbesserung des Zugangs zu Finanzmitteln.

IV. Förderung der Herstellung und Verwendung fortschrittlicher Werkstoffe. Dazu gehören insbesondere die Auftragsvergabe für Innovationen, die Festlegung von Normen und die Einrichtung einer Akademie für fortgeschrittene Werkstoffe in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Innovations- und Technologieinstitut.

V. Einrichtung eines Technologierats für fortgeschrittene Werkstoffe.

P. Meldepflicht gemäß FSI bei sehr großen Vergaben und erste Prüfung

Seit dem 12.10.2023 müssen Unternehmen in bestimmten Vergabeverfahren den Erhalt von Zuwendungen seitens Drittstaaten melden. Rechtsgrundlage ist die EU-Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten (Foreign Subsidies Instrument – FSI). Damit ist das FSI, das bereits am 12.01.2023 in Kraft getreten ist, nun auch praktisch vollständig in Geltung.

Nach dem FSI müssen Unternehmen dem öffentlichen Auftraggeber in Vergabeverfahren von einem Drittstaat erhaltene Zuwendungen ab bestimmten Schwellenwerten melden. Die Schwellenwerte beziehen sich auf die Höhe des Auftragswertes des zu vergebenden Auftrags einerseits und der erhaltenen Zuwendung andererseits. Der Schwellenwert für die erfassten Vergabeverfahren beträgt 250 Mio. Euro. Meldepflichtig ist ein Unternehmen, dem (ggf. einschließlich seine Hauptunterauftragnehmer und -lieferanten) in den drei Jahren vor der Meldung finanzielle Zuwendungen i.H.v. insgesamt mindestens 4 Mio. Euro pro Drittstaat gewährt wurden. Der Auftraggeber muss die Meldung unverzüglich an die Kommission (Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU – DG GROW) weiterleiten (vgl. Art. 28 und 29 FSI-Verordnung).

Die EU-Kommission hat am 16.02.2024 ihre erste eingehende Prüfung der potenziell marktverzerrenden Auswirkungen drittstaatlicher Subventionen eingeleitet. Dies ist das erste Mal, dass sie von ihren Befugnissen im Rahmen der Verordnung über Subventionen aus Drittstaaten (Foreign Subsidies Instrument – FSI) Gebrauch macht. Diese Prüfung betrifft ein öffentliches Vergabeverfahren und mögliche Wettbewerbsverzerrungen zugunsten eines Bieters.

Die Kommission will damit nach der veröffentlichten Pressemitteilung ihre Entschlossenheit demonstrieren, die Integrität des Binnenmarkts zu wahren, indem sie sicherstellt, dass Empfänger drittstaatlicher Subventionen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der EU nicht in den Genuss eines unlauteren Vorteils kommen können, der dem fairen Wettbewerb abträglich wäre.

Der Prüfung ging eine Meldung voraus, die CRRC Qingdao Sifang Locomotive Co., Ltd., eine Tochtergesellschaft des chinesischen staatlichen Zugherstellers CRRC Corporation, bei der Kommission eingereicht hat. Der Anmelder bezog sich damit auf eine Ausschreibung des bulgarischen Ministeriums für Verkehr und Kommunikation über die Lieferung mehrerer elektrischer Wendezüge, verbunden mit der Wartung der Züge und der Schulung von Personal. Die öffentliche Ausschreibung betrifft 20 elektrische Wendezüge sowie deren Wartung über 15 Jahre. Der geschätzte Auftragswert beläuft sich auf rund 1,2 Mrd. BGN (610 Mio. Euro).

Nach der FSI-Verordnung sind Unternehmen verpflichtet, ihre Angebote im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen in der EU zu melden, wenn der geschätzte Auftragswert 250 Mio. Euro übersteigt und wenn dem Unternehmen in den drei Jahren vor der Meldung mindestens 4 Mio. Euro an finanziellen Zuwendungen von mindestens einem Drittland gewährt wurden.

Nach der Vorprüfung der von CRRC Qingdao Sifang Locomotive übermittelten Meldung hielt es die Kommission für gerechtfertigt, eine eingehende Prüfung einzuleiten, da hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diesem Unternehmen eine den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subvention gewährt wurde. Zu diesem Zweck musste die Kommission prüfen, ob es sich bei der drittstaatlichen finanziellen Zuwendung um eine Subvention handelte, die dem Unternehmen direkt oder indirekt einen selektiven Vorteil verschafft, und ob das Unternehmen dadurch in die Lage versetzt wird, ein ungerechtfertigt günstiges Angebot zu unterbreiten.

Während der eingehenden Prüfung wird die Kommission die mutmaßlichen drittstaatlichen Subventionen weiter prüfen und alle Informationen einholen, die erforderlich sind, um festzustellen, ob diese CRRC Qingdao Sifang Locomotive möglicherweise in die Lage versetzt haben, im Rahmen einer Ausschreibung ein ungerechtfertigt günstiges Angebot abzugeben. Ein solches Angebot könnte dazu führen, dass andere am öffentlichen Vergabeverfahren teilnehmende Unternehmen Absatzmöglichkeiten einbüßen.

Nach der FSI-Verordnung kann die Kommission am Ende ihrer eingehenden Prüfung entweder von dem Unternehmen vorgeschlagene Verpflichtungszusagen annehmen, wenn diese die Verzerrung vollständig und wirksam beseitigen oder die Auftragsvergabe untersagen oder einen Beschluss, keine Einwände zu erheben, erlassen.

CRRC Qingdao Sifang Locomotive übermittelte am 22.01.2024 eine vollständige Meldung. Ab diesem Zeitpunkt verfügt die Kommission über 110 Arbeitstage, d.h. bis zum 02.07.2024, um einen endgültigen Beschluss zu fassen. Das eingeleitete Prüfverfahren wird ergebnisoffen geführt.

CRRC Corporation Limited (bekannt als CRRC) ist ein staatlicher chinesischer Hersteller von Schienenfahrzeugen. Gemessen an den Einnahmen ist CRRC der weltweit größte Hersteller von rollendem Material.

Die Kommission wird eine nichtvertrauliche Fassung des Beschlusses sowie den kommenden endgültigen Beschluss nach seiner Annahme im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichen.

Q. Verschärfte CO2-Vorgaben für schwere Nutzfahrzeuge ab 2035

Am 19.02.2024 haben sich das Europäische Parlament und der Rat der EU über die Verschärfung der CO2-Emissionsnormen für neue schwere Nutzfahrzeuge geeinigt. Die Regelungen sollen für Fahrzeuge gelten, die ab 2030 auf den EU-Markt gelangen. Die CO2-Emissiossionen sollen in drei Schritten 2030, 2035 und 2040 gesenkt werden.

Die CO2-Emissionsreduktionsziele für schwere Nutzfahrzeuge sollen auf 45% für 2030-2034, 65% für 2035-2039 und 90% ab 2040 gegenüber dem Stand von 2019 festgelegt werden

Außerdem wird der Anwendungsbereich der Verordnung erweitert. Die neuen Regelungen sollen auch für fast alle Lastkraftwagen (ab 2035 auch Arbeitsfahrzeuge wie Müllwagen, Kipper oder Fahrmischer), Stadtbusse, Fernbusse und Anhänger gelten.

Insbesondere betroffen sind Stadtbusse. Nach dem Stand der Einigung müssen neue Stadtbusse die Emissionen ab 2030 um 90% reduzieren. Bis 2035 müssen alle neuen Stadtbusse emissionsfrei sein.

Die EU-Kommission soll bis 2027 die Wirksamkeit und die Auswirkungen der Verordnung überprüfen. Ausdrücklich vorgesehen ist, dass sich diese Überprüfung unter anderem mit der Ausweitung des Anwendungsbereichs auf kleine Lastkraftwagen befassen soll.

Für öffentliche Vergabeverfahren ist u.a. ein neuer Art. 3c VO (EU) 2019/1242 vorgesehen. In einem ebenfalls neuen Art. 2 Abs. 3 Nr. 23 VO (EU) 2019/1242 wird der Begriff des „öffentlichen Auftrags“ eigenständig definiert und umfasst Aufträge durch öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber sowie Konzessionen i.S.d. Konzessionsvergaberichtlinie. Nach Art. 3c Abs. 1 VO (EU) 2019/1242 sollen öffentliche Auftraggeber oder Vergabestellen die Vergabe öffentlicher Aufträge für die Beschaffung oder die Verwendung von Fahrzeugen auf das wirtschaftlich günstigste Angebot stützen. Es sind dabei das beste Preis-Leistungs-Verhältnis und der Beitrag des Angebots zur Versorgungssicherheit im Einklang mit dem einschlägigen Völkerrecht zu berücksichtigen. Art. 3c Abs. 2 VO (EU) 2019/1242 macht Vorgaben, wie der Beitrag eines Angebots zur Versorgungssicherheit zu bewerten ist. Nach Art. 3c Abs. 3 VO (EU) 2019/1242 ist der Beitrag des Bieters zur Versorgungssicherheit mit 15% bis 40% zu gewichten. In diesem Zusammenhang verweist Erwägungsgrund 16 des Entwurfes auf die „Leitlinien zur Teilnahme von Bietern und Waren aus Drittländern am EU-Beschaffungsmarkt“ (C(2019) 5494 final).

Der Titel der angestrebten Verordnung ist „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/1242 im Hinblick auf die Verschärfung der CO2-Emissionsnormen für neue schwere Nutzfahrzeuge und die Einbeziehung von Meldepflichten sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU) 2018/956“ mit Anhängen. Das Europäische Parlament und der Rat müssen den Text, auf den sie sich geeinigt haben, nun noch förmlich annehmen. Danach werden die neuen Rechtsvorschriften im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und treten in Kraft.

R. EP-Studie zu den sozialen Wirkungen des öffentlichen Auftragswesens

Im Oktober 2023 ist eine Studie zu den sozialen Wirkungen des öffentlichen Auftragswesens veröffentlicht worden. Die Studie wurde auf Ersuchen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments (EMPL-Ausschuss) von der Fachabteilung des Europäischen Parlaments für die Politikbereiche Wirtschaft, Wissenschaft und Lebensqualität unter Einschaltung externer Experten bereitgestellt. Der genaue Titel des 178 Seiten umfassenden Dokuments, das nur in englischer Sprache vorliegt, lautet: „Die sozialen Auswirkungen des öffentlichen Auftragswesens – Kann die EU mehr tun?“

I. Zielsetzung der Studie

Ziel der Studie ist, die Möglichkeiten aufzuzeigen, die durch die EU-Vergaberichtlinie (Richtlinie 2014/24/EU) für Maßnahmen zur Erreichung von sozialen Zielsetzungen eröffnet werden und zu analysieren, wie diese Möglichkeiten nach der Richtlinie in nationales Recht umgesetzt worden sind und wie sie von öffentlichen Auftraggebern in der gesamten EU umgesetzt werden. Ein weiteres Ziel der Studie besteht darin, Hindernisse für die Anwendung der bestehenden Bestimmungen zu ermitteln und Empfehlungen im Hinblick auf mögliche weitere Maßnahmen auf EU-Ebene auszusprechen.

In der Studie wird zunächst darauf verwiesen, dass die geltende EU-Vergaberichtlinie 2014/24/EU im Vergleich zu ihrer Vorgänger-Richtlinie die Möglichkeiten, die öffentliche Auftragsvergabe „strategisch“, d.h. zur Erreichung sozialer, ökologischer und innovativer Ziele zu nutzen, verstärkt und viele Möglichkeiten bietet, SRPP umzusetzen. Es sei allerdings als Ausgangspunkt wichtig festzustellen, dass die meisten diesbezüglichen Bestimmungen der Richtlinie zu SRPP in zweierlei Hinsicht nicht verbindlich seien:

In der Studie wird darauf hingewiesen, dass keine Daten über den Umfang und den Wert von SRPP in der EU existieren. Auch das elektronische EU-Ausschreibungsjournal Tenders Electronic Daily (TED) sei nicht als Instrument zur Nachverfolgung von Informationen über SRPP bzw. über die umweltorientierte oder innovative Auftragsvergabe konzipiert worden. TED ermögliche zwar eine Identifizierung von Ausschreibungen ab den EU-Schwellenwerten, die das Prinzip „MEAT“ (Most Economically Advantageous Tender) nutzen; es sei aber nicht möglich, mittels TED zu ermitteln, ob eine Ausschreibung soziale Kriterien enthalte, ohne dass eine vorherige Spezifikation betreffend die Kriterien, die in einer Ausschreibung genutzt worden sind, erfolgt.

Aus der Analyse des EU-Binnenmarktanzeigers ergebe sich, dass die Daten nicht sehr ermutigend seien. Es zeige sich, dass die Bezugnahme auf den niedrigsten Preis bzw. die niedrigsten Kosten statt der Anwendung des MEAT-Prinzips auch bei Aufträgen ab den EU-Schwellenwerten immer noch üblich sei. Im Jahr 2021 hätten zehn Mitgliedstaaten zwischen 82% und 95% ihrer Ausschreibungen ab den Schwellenwerten ausschließlich auf Basis des niedrigsten Preises bzw. der niedrigsten Kosten vergeben. Sechs Mitgliedstaaten hätten auf dieser Grundlage zwischen 60% und 80% der Angebote vergeben, die übrigen zwischen 1% und 56%.

II. Empfehlungen der Studie im Rahmen des geltenden Rechtsrahmens

Die Empfehlungen lauten:

Während SRPP bei den EU-Organen bisher so gut wie gar nicht praktiziert werde und um die im Aktionsplan für die Sozialwirtschaft eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten, sollte jedes EU-Organ seine Strategien für die Vergabe öffentlicher Aufträge überprüfen. Dazu sollte es jährlich Ziele für die Umsetzung der strategischen Vergabe einschließlich SRPP festlegen und eine angemessene Berichterstattung und Datenerhebung vorsehen. Insofern sollte die Kommission mit gutem Beispiel vorangehen.
Die Kommission sollte den EU-Organen Leitlinien für die strategische Auftragsvergabe an die Hand geben; dies sollte sich unter anderem auf soziale, beschäftigungspolitische und gleichstellungsbezogene Aspekte beziehen; auch sollte es dabei um Beispiele dafür gehen, wie und wann soziale Erwägungen im Rahmen von Ausschreibungsverfahren der EU-Organe berücksichtigt werden können.
Jede EU-Institution sollte Fortbildungen des mit der Vergabe befassten Personals organisieren, um die Einhaltung der Vergabevorschriften zu gewährleisten und die Fähigkeiten zu entwickeln, die strategische Beschaffung in eigenen Ausschreibungsverfahren umzusetzen. Zu SRPP gehöre auch die Gestaltung von Vergabeverfahren, die die Teilnahme von KMU und SWU an Ausschreibungen erleichtern.
Entwicklung einer ressortübergreifenden Zusammenarbeit zwischen der Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU (GD GROW) und allen anderen Generaldirektionen der Kommission betreffend SRPP; ferner diesbezügliche interinstitutionelle Zusammenarbeit zwischen der Kommission, dem Rat der EU und dem Europäischen Parlament.

III. Empfehlungen für weitere Aktivitäten der Kommission zu SRPP

Die Empfehlungen lauten:

Vergabe einer Evaluierungsstudie, um die Umsetzung von SRPP in allen EU-Mitgliedstaaten zu analysieren, insbesondere mit Blick auf die obligatorische horizontale Sozialklausel.
Erarbeitung einer Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen, um rechtliche Aspekte hinsichtlich der Möglichkeiten im Rahmen der obligatorischen horizontalen Sozialklausel zu klären, insbesondere im Hinblick auf die Förderung von Tarifverhandlungen und -verträgen im gesamten Beschaffungszyklus.
Erstellung von Leitlinien der Kommission zu der Frage, unter welchen Umständen eine Behörde Zuschüsse oder andere Finanzierungsformen einsetzen kann, wenn sie soziale Dienstleistungen beschaffen muss und wie dies begründet werden kann.
Genauere Klärung des Zusammenspiels zwischen den Vorschriften für öffentliche Aufträge und Beihilfen sowie zu den Charakteristika der Sozialwirtschaft und des nichtkommerziellen Sektors und deren Vereinbarkeit mit den Vorschriften zu Vergabe und Beihilfen.
Weitere Stärkung des Austauschs über Erfahrungen, gute Praktiken und gemeinsames Lernen zwischen den EU-Institutionen und -Agenturen, Mitgliedstaaten und öffentlichen Auftraggebern zur strategischen Vergabe einschließlich SRPP; dies soll insbesondere im Hinblick auf verbliebene Rechtsunsicherheiten gelten, wie z.B. zu sozialen Aspekte, zum vorgeschriebenen unmittelbaren Bezug von strategischen Aspekten auf den Auftragsgegenstand sowie zur obligatorischen horizontalen Sozialklausel und zu Verpflichtungen aufgrund von Tarifverträgen.
Überarbeitung von TED und Umwandlung in ein Instrument, mit dem die strategische Auftragsvergabe einschließlich SRPP überwacht und darüber berichtet werden kann; Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, um Überwachungs- und Berichterstattungssysteme zur strategischen Auftragsvergabe einschließlich SRPP mit gemeinsamen Indikatoren zu entwickeln.

IV. Empfehlungen der Studie für eine etwaige künftige Reform des EU-Vergaberechts

Schließlich enthält die Studie auch einige Empfehlungen für eine etwaige künftige Reform des EU-Rechtsrahmens. Insofern enthält das Papier folgende Anregungen:

Überprüfung der EU-Haushaltsordnung für die Vergabe von Aufträgen durch die EU-Organe, um soziale Aspekte als wesentliche Ziele der Auftragsvergabe im Einklang mit den Art. 8 bis 11 AEUV zu identifizieren.
Angleichung der Bestimmungen der EU-Haushaltsordnung für die Vergabe von Aufträgen durch EU-Institutionen an die Möglichkeiten der EU-Vergaberichtlinie im Hinblick auf SRPP sowie Einfügung von Regelungen ähnlich denen der EU-Rechtsmittelrichtlinien.
Verschärfung der Konditionalitäten bezüglich EU-Fördermitteln im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge, einschließlich SRPP; ferner Festlegung von Anforderungen an die Überwachung und Berichterstattung; Entwicklung von Programmen zur Verbesserung der Kapazitäten der Verwaltungsbehörden zur strategischen Vergabe und zur Berichterstattung darüber.
Überarbeitung und Präzisierung der obligatorischen horizontalen Sozialklausel mit der ausdrücklichen Feststellung, dass Tarifverträge niemals als diskriminierende Maßnahme bei öffentlichen Aufträgen angesehen werden können; ferner Erweiterung der Liste der IAO-Übereinkommen in Anhang X; schließlich Verweis auf die Geschlechter-Gleichstellung als eines der Themen, die in den Zuschlagskriterien und den Klauseln zur Vertragsausführung behandelt werden können, um die Beachtung der Gesetzgebung zu „Equal-Pay“ zu gewährleisten.
Weitestmögliche Einschränkung des Prinzips des niedrigsten Preises bzw. der niedrigsten Kosten im Falle der Überarbeitung der EU-Vergaberichtlinie; Bestimmung von Bereichen, in denen die Anwendung des MEAT-Prinzips auf Basis einer Bewertung im Sinne des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses nach dem Beispiel der Sektor-Gesetzgebung zur umweltorientierten Vergabe.
Für den Regelfall Ausnahme von Tarifverträgen von dem bislang geltenden Erfordernis des unmittelbaren Bezugs strategischer Aspekte zum Auftragsgegenstand; überdies Einräumung der Möglichkeit an die Mitgliedstaaten, Ausnahmen von dem bisher geltenden Gebot der Bezugnahme auf den Auftragsgegenstand zuzulassen, wenn wichtige soziale Ziele durch Maßnahmen, die streng auf den Auftragsgegenstand bezogen sind, nicht effektiv verfolgt werden könnten.
Senkung des Schwellenwerts für vorbehaltene Aufträge für die soziale und berufliche Eingliederung von Menschen mit Behinderungen und Streichung der maximalen Dauer von drei Jahren für die Reservierung öffentlicher Aufträge für soziale Dienste.
Erwägung von Möglichkeiten der Schaffung spezieller Richtlinien für öffentliche Aufträge für bestimmte Sektoren, wie z.B. arbeitsintensive Sektoren mit gering qualifizierten Dienstleistungen.

S. Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs zum öffentlichen Auftragswesen

Am 04.12.2023 hat der Europäische Rechnungshof, einen ausführlichen Sonderbericht zum öffentlichen Auftragswesen vorgelegt. Darin gelangt er zu dem Ergebnis, dass der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in den letzten zehn Jahren in der gesamten EU deutlich zurückgegangen sei. So hätten zwischen 2011 und 2021 immer weniger Unternehmen an Vergabeverfahren teilgenommen. Gleichzeitig habe sich die Zahl der Bieter pro Verfahren fast halbiert. Im Übrigen hätten sich die Behörden häufig direkt an bestimmte Unternehmen gewandt. Der Anteil von Verfahren ohne Ausschreibung betrage in den meisten Mitgliedstaaten mehr als 10%, was als hoch gelte. Allerdings sei die Entwicklung in den Mitgliedstaaten unterschiedlich. In Deutschland sei die Zahl der Verfahren ohne Ausschreibung im Vergleich zu 2011 etwas gesunken.

Mit der Reform der EU-Vergaberichtlinien von 2014 sei es nicht gelungen, die öffentlichen Vergabeverfahren attraktiver zu machen, was den Wettbewerb hätte verstärken und den Mitgliedstaaten dabei helfen können, beim Einsatz von Steuergeldern das bestmögliche Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erzielen. Tatsächlich habe sich die Dauer der Verfahren sogar verlängert. Ferner gebe es weiterhin Probleme mangelnder Transparenz. Zudem stellt der Rechnungshof fest, dass die Unternehmen aufgrund übermäßiger Bürokratie das Interesse an öffentlichen Aufträgen verlieren würden.

Der Rechnungshof empfiehlt, die Ziele der Vergabe öffentlicher Aufträge klar festzulegen und zu priorisieren, die Lücken bei den zur Vergabe öffentlicher Aufträge erhobenen Daten zu schließen und die Überwachungsinstrumente zu verbessern, um eine bessere Analyse zu ermöglichen und die Ursachen eingehender zu analysieren. Schließlich rät der Rechnungshof, einen Aktionsplan zur Überwindung der wichtigsten Wettbewerbshindernisse bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorzulegen.

Im Zuge seiner Prüfung hat der Rechnungshof ermittelt, inwieweit öffentliche Aufträge im EU-Binnenmarkt innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren (von 2011 bis 2021) im Wettbewerb vergeben wurden. Ferner hat er die Maßnahmen bewertet, die von der Kommission und den Mitgliedstaaten ergriffen worden sind, um zu ermitteln, wodurch wettbewerbliche Ausschreibungsverfahren behindert werden und wie diese Hemmnisse beseitigt werden können, um ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erzielen. Zur Analyse der Entwicklung des Wettbewerbsniveaus, der Auswirkungen der Reform von 2014 auf den Wettbewerb und des Erreichens weiterer Reformziele hat der Rechnungshof offen verfügbare Daten zur Vergabe öffentlicher Aufträge im Zeitraum von 2011 bis 2021 genutzt. Zum Zwecke der Datenanalyse hat er ein interaktives „Dashboard zum öffentlichen Auftragswesen“ entwickelt, das öffentlich zugänglich ist und eine weitere Analyse der für die Prüfung erhobenen Daten ermöglicht.

Insgesamt gelangt der Rechnungshof zu dem Schluss, dass der Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge im EU-Binnenmarkt in dem genannten Zehnjahreszeitraum zurückgegangen sei. Es fehle das Bewusstsein dafür, dass Wettbewerb bei der Vergabe von Aufträgen die Voraussetzung für die Erzielung eines optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnisses bilde. Die Kommission und die Mitgliedstaaten hätten die verfügbaren Daten nicht systematisch genutzt, um die Ursachen des begrenzten Wettbewerbs zu ermitteln, sondern nur vereinzelte Maßnahmen zum Abbau von Wettbewerbshindernissen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ergriffen.

Aus der Analyse der verfügbaren Daten gehe hervor, dass die Zahl der Verfahren mit nur einem Bieter insgesamt erheblich gestiegen sei. Zwischen 2011 und 2021 hätten immer weniger Unternehmen an Vergabeverfahren teilgenommen. In diesem Zeitraum sei der Anteil der Verfahren mit nur einem Bieter an sämtlichen Vergabeverfahren erheblich gestiegen (von 23,5% (2011) auf 41,8% (2021)). Gleichzeitig habe sich die Zahl der Bieter pro Verfahren fast halbiert: Sie sei von durchschnittlich 5,7 Bieter auf 3,2 Bieter gesunken.

Der Rechnungshof hat ermittelt, dass öffentliche Aufträge in großem Umfang direkt vergeben werden. Der Anteil von Verfahren ohne Ausschreibung betrage in den meisten Mitgliedstaaten mehr als 10%, was als hoch anzusehen sei. Allerdings sei die Entwicklung in den Mitgliedstaaten unterschiedlich. In Deutschland sei die Zahl der Verfahren ohne Ausschreibung im Vergleich zu 2011 etwas gesunken (von mehr als 30% auf ca. 20% im Jahre 2021). Eine direkt grenzübergreifende Auftragsvergabe zwischen den Mitgliedstaaten erfolge nur in begrenztem Maße.

Da mehrere Ziele der EU-Vergaberechtsreform von 2014 noch nicht erreicht wurden, gelangt der Rechnungshof zu dem Schluss, dass die Richtlinien von 2014 seit ihrem Inkrafttreten keine nachweisbare Wirkung entfaltet hätten. Vielmehr erweise sich sogar das Gegenteil als zutreffend: Bieter und öffentliche Auftraggeber seien der Ansicht, dass die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge nach wie vor mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden seien. Der Anteil von KMU, die sich an den Ausschreibungen beteiligen, sei nicht wesentlich gestiegen. Auch würden strategische Aspekte, d.h. z.B. ökologische, soziale oder innovative Aspekte, bei öffentlichen Vergaben nur selten berücksichtigt. Zudem schade es der Transparenz, dass die Ausschreibungsraten, die einen wichtigen Schutz vor Betrug und Korruption böten, nach wie vor gering seien. Überdies stellt der Rechnungshof fest, dass einige Ziele der Reform von 2014 mitunter dem übergeordneten Ziel, den Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu gewährleisten, entgegenstehen könnten.

Aus diesen Gründen fordert der Rechnungshof die Kommission auf,

die Ziele hinsichtlich der Vergabe öffentlicher Aufträge klar festzulegen und zu priorisieren,
die Lücken bezüglich der über die Vergabe öffentlicher Aufträge erhobenen Daten zu schließen,
ihre Überwachungsinstrumente zu verbessern, um eine bessere Analyse zu ermöglichen und
die Ursachen von Defiziten eingehender zu analysieren sowie Maßnahmen zur Überwindung der wichtigsten Wettbewerbshindernisse bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vorzuschlagen.

Weitere Einzelheiten ergeben sich aus dem ausführlichen, knapp achtzigseitigen Bericht des Rechnungshofes, der auch einige nähere Aufschlüsselungen der Ergebnisse im Hinblick auf einzelne EU-Mitgliedstaaten umfasst.

Die Kommission hat Antworten zu dem Sonderbericht veröffentlicht. Darin verweist sie u.a. darauf, dass sie und die Mitgliedstaaten bereits Maßnahmen ergriffen hätten, um den Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu erhöhen. Die Kommission gehe weitere im Bericht angesprochene Herausforderungen wie z.B. den Anteil von Vergaben mit nur einem Bieter und die Zahl der Direktvergaben bereits durch einschlägige Leitlinien, Programme und Initiativen an.

Ferner führt die Kommission an, dass die kürzlich eingeleiteten Dialoge mit den Mitgliedstaaten zur strategischen Auftragsvergabe dazu beitragen könnten, Ursachen für den geringen Wettbewerb zu finden. Außerdem erwähnt sie den vor kurzem geschaffenen „Datenraum für das öffentliche Auftragswesen“ („Public Procurement Data Space“). Dieser werde anhand eines hochmodernen Analyseinstrumentariums neue Erkenntnisse ermöglichen, um eine angemessene Überwachung des Marktes zu gewährleisten.

Schließlich verweist die Kommission darauf, dass sie in den jüngsten EU-Legislativvorschlägen eine Reihe von Initiativen ergriffen habe, um öffentliche Auftraggeber dazu zu verpflichten, den Beitrag der Ausschreibungen zu Nachhaltigkeit und Resilienz zu bewerten. Diese neuen Ziele müssten bei jeder künftigen Bewertung des einschlägigen Rechtsrahmens für die Vergabe öffentlicher Aufträge berücksichtigt werden. Im Übrigen nimmt die Kommission detailliert zu den einzelnen Punkten des Berichts Stellung. Dabei akzeptiert sie weitgehend die Empfehlungen des Rechnungshofes.

T. EU-Mustervertragsklauseln für künstliche Intelligenz

Die EU hält in Form der „Public Buyers Community Platform“ Informationen und Möglichkeiten des Austausches vor. Im Auftrag der dort zu findenden Community „Procurement of AI“ wurden EU-Mustervertragsklauseln für die Beschaffung von Leistungen sog. künstlicher Intelligenz verfasst und von Experten geprüft. Es handelt sich um eine aktualisierte Fassung der Modellklauseln, die im April dieses Jahres veröffentlicht wurden. Sie liegen inzwischen auch in deutscher Sprache vor.

Diese Community hat diese Klauseln für öffentliche Einrichtungen zur Verfügung gestellt, die ein von einem externen Anbieter entwickeltes KI-System beschaffen wollen. Öffentliche Einrichtungen, die sich für die Verwendung dieser Bedingungen entscheiden, können dies auf freiwilliger Basis tun und von Fall zu Fall beurteilen, ob die verschiedenen Abschnitte dieser Standardvertragsklauseln für die Beschaffung eines bestimmten KI-Systems ausreichend und angemessen sind. Die Community fordert diese Organisationen auf, sie sorgfältig zu lesen und sie an den spezifischen Kontext der Organisation und der jeweiligen Beschaffung anzupassen.

Die Hochrisiko-Version der EU-Mustervertragsklauseln für KI zielt gemäß den Anwendungshinweisen insbesondere auf KI-Systeme ab, die als „hochriskant“ eingestuft werden und in einem der Bereiche aufgeführt sind, die von den Anhängen II und III des vorgeschlagenen KI-Gesetzes abgedeckt werden.

Für KI ohne hohes Risiko ist die Anwendung dieser Anforderungen im Rahmen des KI-Gesetzes nicht verpflichtend. Sie wird von der Community aber empfohlen, um die Vertrauenswürdigkeit von KI-Anwendungen zu verbessern, die von öffentlichen Einrichtungen beschafft werden. Die Nicht-Hochrisiko-Version der EU-Mustervertragsklauseln für KI zielt auf KI-Systeme mit nicht hohem Risiko ab.

Die Community weist darauf hin, dass öffentliche Organisationen die Anwendung dieser Klauseln, entweder der Hochrisikoversion oder der Nicht-Hochrisikoversion, auch auf andere algorithmische Systeme ausdehnen, die nicht unbedingt als „KI“ eingestuft werden, ausdehnen können. So sollen sie zusätzlich einfachere regelbasierte Softwaresysteme abdecken, da ihr Einsatz im öffentlichen Sektor in bestimmten Fällen auch eine erhöhte Rechenschaftspflicht, Kontrolle und Transparenz erfordern kann.

Die EU-Mustervertragsklauseln für KI enthalten nach der Community spezifische Bestimmungen für KI-Systeme und für Angelegenheiten, die unter das vorgeschlagene KI-Gesetz fallen, und schließen somit andere Verpflichtungen oder Anforderungen aus, die sich aus einschlägigen geltenden Rechtsvorschriften wie der allgemeinen Datenschutzverordnung ergeben können. Außerdem stellen diese EU-Mustervertragsklauseln für KI keine vollständige vertragliche Regelung dar. Sie müssen an den jeweiligen Vertragskontext angepasst werden. So enthalten die EU-Mustervertragsklauseln für künstliche Intelligenz beispielsweise keine Bedingungen in Bezug auf geistiges Eigentum, Annahme, Zahlung, Lieferfristen, anwendbares Recht oder Haftung. Die EU-Mustervertragsklauseln für künstliche Intelligenz sind so formuliert, dass sie als Anhang zu einer Vereinbarung beigefügt werden können, in der diese Punkte bereits geregelt sind.

Die Community kündigt eine Erläuterung an, in der genauer erläutert werden soll, wie die EU-Mustervertragsklauseln zu verstehen sind und wo die Anwendungsfälle zu melden sind.

U. Neuigkeiten bezüglich des GPA

I. GPA-Beitritt Nordmazedoniens

Mit Wirkung vom 30.10.2023 ist Nordmazedonien Mitglied des Government Procurement Agreement der WTO (GPA) geworden. Das Land ist der nunmehr 49. Mitgliedstaat dieses plurilateralen Marktöffnungsabkommens für den Bereich des öffentlichen Auftragswesens. Nordmazedonien hatte die Beitrittsverhandlungen mit den GPA-Mitgliedern 2017 aufgenommen und im Vergleich zu anderen, teilweise sehr zögerlich agierenden Staaten relativ zügig durchgeführt. Nach Abschluss des internen Ratifizierungsprozesses in Nordmazedonien hatte ein Vertreter des Landes der Generaldirektorin der WTO, Ngozi Okonjo-Iweala, am 30.09.2023 die Beitrittsurkunde übergeben.

Die Aufnahme Nordmazedoniens folgt einer vorangegangenen Entscheidung des WTO-Ausschusses für öffentliches Auftragswesen vom 07.06.2023 nebst Anhängen. Aus den Anhängen sind Einzelheiten der für Nordmazedonien geltenden Marktöffnungsregelungen ersichtlich.

II. Costa Rica beantragt Verhandlungen über GPA-Mitgliedschaft

Am 28.09.2023 hat Costa Rica sich bei der WTO um den Start von Verhandlungen über einen Beitritt des Landes zum GPA beworben. Costa Rica hat seit 2015 Beobachterstatus im GPA. Sollte es aufgenommen werden, wäre es das erste GPA-Mitglied aus dem zentralamerikanischen Raum.

V. Jahresbericht des WTO-Ausschusses zum öffentlichen Auftragswesen

Am 06.12.2023 ist der Jahresbericht des WTO-Ausschusses für öffentliches Auftragswesen (WTO Committee on Government Procurement – CGP) über dessen Tätigkeit im abgelaufenen Jahr vorgelegt worden. Der Bericht, der nur in englischer, französischer und spanischer Sprache vorliegt, bezieht sich auf den Zeitraum seit dem letzten Jahresbericht, d.h. von Anfang Dezember 2022 bis Ende November 2023. Er informiert über die in der Berichtsperiode erfolgten Sitzungen und wesentlichen Arbeiten des Ausschusses sowie die Fortentwicklung des Kreises der Mitglieder und Beobachter des Government Procurement Agreement der WTO (GPA), zu dessen Unterzeichnern auch die EU gehört und dessen Regelungen daher für das EU-Vergaberecht bindend sind. Dem Ausschuss obliegen die Verwaltung und Fortentwicklung des Abkommens.

In dem Bericht befindet sich eine Auflistung des aktuellen Stands der Beitrittsverhandlungen zum GPA. Die Auflistung umfasst die Länder Albanien, Brasilien, China, Costa Rica, Kasachstan, die Kirgisische Republik, Russland und Tadschikistan. Unter diesen Ländern finden sich einige, bei denen sich die Verhandlungen bereits äußerst lange hinziehen, wie insbesondere im Falle Chinas. Dessen Beitrittsgespräche laufen bereits seit mehr als fünfzehn Jahren; bisher hat China noch keine für die GPA-Mitglieder akzeptable Beitrittsofferte abgegeben. Fortschritte bezüglich der Beitrittsverhandlungen werden in dem Bericht vor allem im Hinblick auf Albanien hervorgehoben.

Mitgeteilt wird ferner, dass gegenwärtig fünfunddreißig WTO-Mitglieder bzw. WTO-Beobachter Beobachterstatus im WTO-Ausschuss für das öffentliche Beschaffungswesen besitzen. Hinzu kommen fünf internationale Organisationen, die ebenfalls Beobachterstatus im Ausschuss haben. Dazu zählen unter anderem der Internationale Währungsfonds (IWF), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD).

Im Übrigen verweist der Bericht auch auf thematische Arbeiten in Rahmen des WTO-Ausschusses zum öffentlichen Auftragswesen. So hat der Ausschuss 2023 einen ersten thematischen Workshop zum Informationsaustausch über die Umsetzung von Arbeitsnormen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Beschaffungswesen organisiert. Ein weiterer thematischer Workshop – zum Thema „digitale Fortschritte zur Unterstützung von Handel und Wettbewerb im öffentlichen Beschaffungswesen“ – soll im März 2024 folgen. Berichtet wird auch über weitere thematische Arbeiten in einzelnen Gruppen des Ausschusses bzw. in einzelnen Arbeitsprogrammen. Dies gilt für Arbeiten zur nachhaltigen Auftragsvergabe, zur Erhebung und Berichterstattung über statistische Daten und zu Aspekten der Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU).


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