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Anmerkung zu:BGH 4. Zivilsenat, Urteil vom 21.02.2024 - IV ZR 311/22
Autor:Dr. Markus Jacob, RA und FA für Versicherungsrecht
Erscheinungsdatum:26.04.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 561 ZPO, § 447 ZPO, § 440 ZPO, § 630g BGB, § 3 VVG, § 7 VVG, § 242 BGB, § 203 VVG, EUV 2016/679
Fundstelle:jurisPR-VersR 4/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Schimikowski, RA
Zitiervorschlag:Jacob, jurisPR-VersR 4/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Herausgabe- und Auskunftsansprüche bei Beitragsanpassungen



Leitsatz

Zum Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers in der privaten Krankenversicherung (Anschluss an Senatsurt. v. 27.09.2023 - IV ZR 177/22 - VersR 2023, 1514).



A.
Problemstellung
Viele Versicherungsnehmer, die von ihrem privaten Krankenversicherer die Rückzahlung von Beiträgen verlangen wollen, stehen vor dem Dilemma, dass sie die zumeist jährlich übersandten Nachträge nicht mehr zur Hand haben. Um einen Rückzahlungsanspruch schlüssig zu machen, benötigen sie also die Nachträge, welche die Versicherer zumeist nicht freiwillig herausgeben. Dem Versicherungsnehmer bleibt dann allein die Möglichkeit, die Nachträge vom Versicherer herauszuverlangen oder zumindest Auskunft über die erfolgten Beitragsanpassungen zu bekommen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Krankheitskostenversicherung. Die Beklagte informierte ihn Anfang 2017 über eine Beitragserhöhung zum 01.04.2017. Mit seiner Klage hat der Kläger die Rückzahlung der auf die genannte Erhöhung entfallenden Prämienanteile begehrt, ferner die Feststellung, dass die Beitragserhöhung unwirksam und er nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrags verpflichtet ist. Des Weiteren hat er Auskunft über alle Beitragsanpassungen verlangt, die die Beklagte in dem Versicherungsvertrag in den Jahren 2013 bis 2016 vorgenommen hat; insoweit hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die Höhe der Beitragserhöhungen unter Benennung der jeweiligen Tarife, die dem Kläger übermittelten Informationen in Form von Anschreiben und Nachträgen zum Versicherungsschein und die ihm übermittelten Begründungen sowie Beiblätter enthalten sind. Darüber hinaus hat er die Feststellung verlangt, dass die noch genauer zu bezeichnenden Erhöhungen unwirksam seien und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrags verpflichtet sowie der monatlich fällige Gesamtbetrag auf einen nach Erteilung der Auskunft zu beziffernden Betrag zu reduzieren sei, außerdem die Zahlung eines nach Erteilung der Auskunft noch zu beziffernden Betrags.
Das Landgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Zahlung verurteilt, die Unwirksamkeit der Beitragserhöhung und das Nichtbestehen einer Pflicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrags festgestellt sowie die Beklagte antragsgemäß zur Auskunftserteilung verurteilt, allerdings die Stufenklage als unzulässig abgewiesen. Es war der Ansicht, dass die Beitragserhöhung zum 01.04.2017 formell unwirksam ist und dem Kläger ein Auskunftsanspruch jedenfalls aus § 242 BGB zustehe. Danach sei ein Versicherer nicht nur zur Übermittlung von Versicherungsscheinen (hier greife schon § 3 Abs. 3 VVG), sondern auch zur Information über den Inhalt der übersandten Mitteilung verpflichtet, wenn der Kunde nur glaubhaft erkläre, die Unterlagen ständen ihm nicht mehr zur Verfügung.
Die Revision, mit der sich die Beklagte im Wesentlichen gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung wandte, hatte Erfolg. Sie führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Zur Begründung hat der BGH ausgeführt, das Berufungsgericht hätte aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht annehmen dürfen, dass dem Kläger der geltend gemachte Auskunftsanspruch zusteht. Zwar sei das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger der geltend gemachte Auskunftsanspruch aus § 242 BGB zustehen könne. Hierfür genüge aber nicht, dass der Versicherungsnehmer nur glaubhaft erkläre, die betreffenden Unterlagen ständen ihm nicht mehr zur Verfügung. Der Auskunftsanspruch setze vielmehr Feststellungen dazu voraus, dass der Kläger nicht mehr über die im Auskunftsantrag bezeichneten Unterlagen verfügt – was die Beklagte bestritten hatte –, und warum es zum Verlust kam. Erst die Darlegung der Gründe des Verlusts durch den Versicherungsnehmer ermögliche die Beurteilung, ob dem Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausnahmsweise ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zusteht. Die allgemeine Annahme, dass ein Versicherungsnehmer Schreiben des Versicherers nicht für aufbewahrungswürdig halten muss, reiche insoweit nicht aus.
Die Entscheidung über den Auskunftsantrag erweise sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Weder aus § 3 Abs. 3 VVG noch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO ergebe sich ein Anspruch auf Herausgabe der Nachträge. Auch auf § 7 Abs. 4 VVG könne der Auskunftsantrag nicht gestützt werden.


C.
Kontext der Entscheidung
Für den nach allgemeiner Ansicht zulässigen Auskunftsantrag kommen verschiedene Anspruchsgrundlagen in Betracht:
Treu und Glauben gebieten einen Anspruch auf Herausgabe der Nachträge unter der Voraussetzung, dass der Versicherungsnehmer in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Handlung vorzunehmen. Hierfür genügt nicht der Vortrag, die Unterlagen würden nicht mehr vorliegen. Vielmehr muss der Versicherungsnehmer substanziiert darlegen, wie es zum Verlust der Papiere gekommen ist und warum ihn hieran kein Verschulden trifft. Dies ist nicht der Fall, soweit der Versicherungsnehmer die Nachträge jeweils nach Erhalt entsorgt hat. Denn eine Entsorgung ist weder üblich noch lag sie nahe; vielmehr ist im Gegenteil die Aufbewahrung üblich, schon um den eigenen Versicherungsschutz zu dokumentieren und später im Bedarfsfall nachvollziehen zu können (BGH, Urt. v. 27.09.2023 - IV ZR 177/22; OLG Hamm, Beschl. v. 19.01.2024 - I-6 U 80/23; OLG Nürnberg, Urt. v. 12.02.2024 - 8 U 2652/22; OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.01.2024 - 2 U 106/22).
Behauptet der Versicherungsnehmer schlüssig ein schuldloses Abhandenkommen der Papiere, und bestreitet der Versicherer den Verlust, muss der Versicherungsnehmer als beweisbelastete Partei hierfür Beweis anbieten. Die bloße Vorlage einer Verlusterklärung ist hierfür nicht ausreichend (OLG München, Beschl. v. 30.10.2023 - 25 U 3076/22; OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.01.2024 - 2 U 106/22). Auch die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung gemäß den §§ 447, 440 ZPO sind nicht gegeben, weil der Versicherer sein Einverständnis kaum erklären wird und auch keine Anhaltspunkte für die im Falle einer Parteivernehmung von Amts wegen nötige gewisse „Anfangswahrscheinlichkeit“ bestehen (OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.01.2024 - 2 U 106/22).
Schließlich müssen für einen Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB ausreichende Anhaltspunkte für das Bestehen eines Hauptanspruchs gegeben sein, der mit Hilfe der Auskunft geltend gemacht werden soll. An solchen Anhaltspunkten fehlt es, wenn die formelle Wirksamkeit der Beitragsanpassungen nicht in Abrede gestellt und die materielle Wirksamkeit nur mit unzureichender Begründung angegriffen wird (OLG Karlsruhe, Urt. v. 01.02.2024 - 12 U 27/23).
Aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO ergibt sich ein Anspruch auf eine Kopie der Daten, zu denen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO Auskunft zu erteilen wäre, aber grundsätzlich kein Anspruch auf Herausgabe von Kopien bestimmter Dokumente in Form von Versicherungsnachträgen (BGH, Urt. v. 27.09.2023 - IV ZR 177/22; OLG Dresden, Urt. v. 01.12.2023 - 3 U 937/23; OLG Hamm, Beschl. v. 19.01.2024 - I-6 U 80/23; OLG Nürnberg, Urt. v. 12.02.2024 - 8 U 2652/22; OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.01.2024 - 2 U 106/22; OLG Frankfurt, Urt. v. 23.01.2024 - 18 U 57/22). Dies gilt erst recht für die Informationsschreiben, mit welchen der Versicherer die Beitragsanpassungen begründet hat (LG Weiden, Urt. v. 15.12.2021 - 21 O 447/21 Ver).
Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob der Versicherungsnehmer über Art. 15 Abs. 3 DSGVO Informationen zum Beitragsverlauf verlangen kann. Eine Entscheidung des VI. Zivilsenats scheint in diese Richtung zu gehen, soweit dieser festgestellt hat, das „Prämienkonto“ des Versicherungsnehmers könne nicht kategorisch vom Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 DSGVO ausgeschlossen werden (BGH, Urt. v. 15.06.2021 - VI ZR 576/19). Dies bedarf der näheren Überprüfung anhand des Gesetzeszwecks:
Gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person („betroffene Person“) beziehen. Die Auskunft hierüber soll den Betroffenen in die Lage versetzen, sich der Datenverarbeitung bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Er soll sich insbesondere vergewissern können, dass die ihn betreffenden Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden (BGH, Urt. v. 15.06.2021 - VI ZR 576/19, unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 20.12.2017 - C-434/16 - NJW 2018, 767). Von daher erscheint zweifelhaft, ob der Auskunftsanspruch über die persönlichen Daten wie Name, Anschrift, Geburtsdatum etc. hinaus Angaben zum Tarifbeitrag umfasst. Denn die Tarifprämien geben lediglich Aufschluss darüber, welchen Preis die durch den Versicherungsvertrag verwirklichte Vorsorge dieser Person hat.
Die Antwort folgt aus der Schutzrichtung der DSGVO. Nach deren Art. 1 Nr. 2 dient die Verordnung dem Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten. Dieser Schutz wird gewährleistet durch Art. 16 DSGVO, wonach die betroffene Person das Recht hat, die Berichtigung unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen, ferner das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO, auf Löschung nach Art. 17 DSGVO und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 DSGVO. Besteht indes Ungewissheit über die Höhe eines Beitrags, handelt sich nicht um einen Zwist über persönliche Daten des Versicherungsnehmers, sondern um die vertragsrechtliche Frage der Beitragsbemessung. Kann also ein Versicherungsnehmer nicht über die Art. 16 ff. DSGVO Rechte in Bezug auf einen seiner Meinung nach unzutreffenden Tarifbeitrag geltend machen, ist dieser auch nicht vom Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO umfasst (LG Berlin, Urt. v. 21.12.2021 - 4 O 381/20; i.E. ebenso OLG München, Beschl. v. 24.11.2021 - 14 U 6205/21; LG Kassel, Urt. v. 05.07.2022 - 5 O 1954/21; LG Augsburg, Urt. v. 19.10.2022 - 93 O 1521/22; LG Köln, Urt. v. 15.02.2024 - 38 O 254/22).
Jüngst hat der VI. Zivilsenat in seiner Entscheidung vom 06.02.2024 (VI ZR 62/23) hierzu ausgeführt: „Einzelne Teile der Versicherungsscheine und Nachträge hierzu enthalten zwar einzelne personenbezogene Daten …, es handelt sich aber nicht in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten“. Eine endgültige Festlegung, ob auch der Tarifbeitrag zu den personenbezogenen Daten zählt, ist damit (noch) nicht erfolgt.
Selbst wenn man von einem Auskunftsanspruch in Bezug auf den Tarifverlauf aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO ausgeht, stellt sich die weitere Frage, ob dem Versicherer ein Weigerungsrecht gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b DSGVO zusteht (so OLG Nürnberg, Urt. v. 14.03.2022 - 8 U 2907/21; OLG Dresden, Beschl. v. 09.08.2022 - 6 U 799/22; OLG Hamm, Urt. v. 03.05.2023 - 20 U 146/22; OLG Brandenburg, Urt. v. 16.06.2023 - 11 U 9/23; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.03.2023 - 25 U 348/22; OLG München, Urt. v. 15.02.2024 - 14 U 1665/23) bzw. der sich aus § 242 BGB ergebende Einwand des Rechtsmissbrauchs zur Seite, wonach die Ausübung eines Rechts u.a. dann nicht erlaubt ist, wenn der Anspruchsinhaber eine formale Rechtsstellung ausnutzt oder etwas geltend macht, an dem er kein schützenswertes Eigeninteresse hat (so LG Essen, Urt. v. 23.02.2022 - 18 O 204/21; LG Würzburg, Urt. v. 20.07.2022 - 91 O 537/22 Ver; LG Magdeburg, Urt. v. 17.11.2022 - 11 O 466/22; LG Gießen, Urt. v. 11.01.2023 - 2 O 178/22; LG Potsdam, Urt. v. 28.07.2023 - 13 O 185/22). Insoweit wird zur Begründung darauf verwiesen, dass das Klageziel ausschließlich in der Verfolgung von Leistungsansprüchen und damit einem in jeder Hinsicht verordnungsfremden Zweck liege. Nach dem Erwägungsgrund 63 DSGVO solle das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO dem Betroffenen dazu dienen, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Demgegenüber erschöpfe sich das Auskunftsbegehren darauf, etwaige Zahlungsansprüche gegen den Versicherer durchzusetzen.
Die Entscheidung des EuGH vom 26.10.2023 (C-307/22), die seitens der Versicherungsnehmer des Öfteren bemüht wird, hilft insoweit kaum weiter. Denn diese Entscheidung bezog sich auf das Recht zur Einsichtnahme in eine Patientenakte gemäß § 630g BGB, also einen Sachverhalt, in welchem dem Betroffenen ein gesetzlicher Auskunftsanspruch zur Seite steht. Selbiges ist im Versicherungsvertragsrecht nicht der Fall (OLG Frankfurt, Urt. v. 23.01.2024 - 18 U 57/22).
Geklärt hat der BGH in dem hier besprochenen Urteil, dass sich aus § 3 Abs. 3 VVG kein Anspruch auf Nachträge aus der Vergangenheit ergibt. Denn diese Vorschrift gewährt lediglich einen Anspruch auf „Ausstellung eines neuen Versicherungsscheins“. Hieraus kann nicht entnommen werden, dass dem Versicherungsnehmer eine Reproduktion aller Versicherungsscheine des Versicherungsverhältnisses auszustellen sind. Vielmehr ist der Begriff „Neuer Versicherungsschein“ dahin gehend auszulegen, dass lediglich ein (aktueller) Versicherungsschein auszustellen ist, der das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien nach dem geltenden Stand kennzeichnet (BGH, Urt. v. 27.09.2023 - IV ZR 177/22; ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 22.11.2023 - 11 U 206/23; OLG Dresden, Urt. v. 01.12.2023 - 3 U 937/23; OLG Hamm, Beschl. v. 19.01.2024 - I-6 U 80/23; OLG Nürnberg, Urt. v. 12.02.2024 - 8 U 2652/22; OLG Braunschweig, Beschl. v. 12.01.2024 - 2 U 106/22; OLG Frankfurt, Urt. v. 23.01.2024 - 18 U 57/22).
Schließlich hat der BGH in dem hier besprochenen Urteil festgestellt, dass sich der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht aus § 7 Abs. 4 VVG ergibt (a.A. OLG Saarbrücken, Urt. v. 29.11.2023 - 5 U 6/23). Nach dieser Bestimmung kann der Versicherungsnehmer während der Laufzeit des Vertrags jederzeit vom Versicherer verlangen, dass ihm dieser die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen in einer Urkunde übermittelt. Der Zweck der in § 7 VVG normierten Informationspflichten liegt darin, einen bestimmten Informationstransfer sicherzustellen und dadurch dazu beizutragen, dass dem Versicherungsnehmer zum einen die Entscheidung über den Vertragsschluss, zum anderen aber auch die Orientierung über seine Rechte und Pflichten während der Vertragslautzeit erleichtert und eine effektive Wahrnehmung der vertraglichen Rechte ermöglicht wird. Gemessen an diesem Zweck ist der Anspruch also auf die Mitteilung der für die Beurteilung des derzeit geltenden Vertragsstands maßgeblichen aktuellen Vertragsbedingungen gerichtet, der Anspruch mithin beschränkt auf die Vertragsbestimmungen und die AVB. Eine Überlassung der Nachträge kann auf Grundlage von § 7 Abs. 4 VVG demgegenüber nicht verlangt werden.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Mit dem Besprechungsurteil hat der BGH die Weichen für einen Anspruch auf die Herausgabe von Nachträgen nach § 242 BGB gestellt. Konkret muss der Versicherungsnehmer darlegen und erforderlichenfalls beweisen, dass er unverschuldet nicht mehr über die entsprechenden Unterlagen verfügt. Die Erklärung, die Nachträge jeweils nach Erhalt entsorgt zu haben, genügt für den Exkulpationsbeweis nicht.
Ungeklärt ist demgegenüber die Frage nach dem Bestehen eines Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO, gerichtet auf die vom Versicherungsnehmer während der Vertragslaufzeit gezahlten Beiträge, um damit die während der Vertragslaufzeit erfolgten Beitragserhöhungen nachvollziehen zu können.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Eher am Rande hatte sich der BGH noch mit der Fragestellung zu befassen, inwieweit eine formell unwirksame Beitragsanpassung durch eine nachfolgende Mitteilung der erforderlichen Angaben geheilt werden kann. Insoweit hat der IV. Zivilsenat seine bisherige Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 11.01.2023 - IV ZR 306/20; BGH, Urt. v. 16.12.2020 - IV ZR 294/19) bestätigt, wonach dem Versicherer die Möglichkeit offensteht, die erforderliche Begründung jederzeit, also auch durch ein nachfolgendes Schreiben oder im Zuge eines Klageverfahrens, nachzuholen mit der Folge einer Heilung der Beitragsanpassung ex nunc. Dies hat prozessual zur Folge, dass die vom Gericht zu treffende Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsanpassung auf den Zeitpunkt zu befristen ist, der dem Beginn des zweiten Monats des auf die nachgeholte Begründung folgenden Monats entspricht (§ 203 Abs. 5 VVG).



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